REZENSION

DISCORDIA

  • Genre: Taktikspiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Irongames
  • Autor: Bernd Eisenstein
  • Grafik: Lukas Siegmon
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 60 bis 90 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Die würfeln, die Römer!

Wir schreiben das Jahr 49 nach Christus, die Römer etablieren neue Siedlungen am Rhein, an der Grenze zu Germanien. In diesem Taktikspiel geht es darum, die eigene Stadt auszubauen, um Seeleute, Soldaten, Händler und Bauern unterzubringen. Doch die Germanen sorgen dabei am Ende jedes Jahres für die namensgebende Zwietracht.

REGELN

Legt den Spielplan aus und bestückt ihn mit den sechs Aktionsplättchen in zufälliger Anordnung. Legt Stadtausbauten, Türme, Dekrete, Privilegien, Sterne und Manipulatoren in der zur Spielerzahl vorgegebenen Anzahl bereit. Außerdem werden die drei Würfel (in rot, gelb und blau) benötigt.

Mischt die Stadtplättchen (mit Schiffen, Kasernen, Marktständen und Bauernhöfen) und bildet beliebig viele Nachziehstapel. Legt unterhalb des Spielplans unter jedes Aktionsplättchen so viele zufällige Plättchen aus, wie Spieler teilnehmen. Bestimmt einen Startspieler. Entgegen der Spielerreihenfolge wählt jeder ein erstes Stadtplättchen aus und legt es auf ein entsprechend farbiges Feld seines Spielertableaus. Die vorgegebenen Felder dienen als farblich passende Fundamente für die Stadtplättchen. Die optionalen Ausbauten können diese Fundamente dann später für die Aufnahme weiterer Stadtplättchen erweitern. Manche Stadtplättchen zeigen einen Bonus, der direkt beim Bau eingelöst wird.

Jeder Spieler erhält zudem einen ersten Manipulator und sechs Sterne aus dem vorher abgezählten Vorrat. Nun zieht jedoch noch 15 zufällige Figuren aus dem Stoffbeutel. Diese Figuren bilden den eigenen Vorrat. Sie gibt es in vier Farben, passend zu den Stadtplättchen.

Gespielt wird über vier Jahre. Jedes Jahr besteht aus fünf Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Saturnalien und Winter). Die Saturnalien zählten zur Römerzeit als eine zusätzliche Jahreszeit, die auf den Herbst folgt. Der Fluss symbolisiert mit seinen fünf Feldern diese Jahreszeiten; das Schiff startet auf dem ersten Feld, also im Frühling. Da wird das oberste Germanen-Plättchen vom linken der beiden gebildeten verdeckten Stapel aufgedeckt. So kann man schon einmal ein wenig planen, wie hoch die eigene Verteidigung am Jahresende sein sollte und welcher Malus winkt, wenn die Verteidigung nicht ausreicht.

Der Startspieler ist der erste Maximus. Er wirft die drei Würfel und legt sie dann auf die entsprechenden Würfelfelder des Spielplans. Er sucht sich nun einen Würfel aus, den er vom Spielplan entfernt und auf sein Tableau legt. Mit diesem Würfel geht dann eine Hauptaktion (und ggf. noch Nebenaktionen) einher. Die anderen Spieler wählen aus den verbliebenen zwei Würfeln einen Würfel aus, nehmen ihn aber nicht vom Plan, denn die beiden Würfel stehen allen Spielern gleichermaßen zur Verfügung; es können also auch mehrere Spieler den selben Würfel wählen. Einzig der Maximus hat also das Recht, eine losgelöste Wahl zu treffen.

Wurden alle Aktionen durchgeführt, ist der nächste Spieler im Uhrzeigersinn der neue Maximus. Das Schiff fährt dann einen Schritt weiter, die nächste Jahreszeit beginnt.

Folgende Haupt-Aktionen sind möglich, wenn ich einen Würfel auswähle: ein Stadtplättchen nehmen oder eine Aktion des zugehörigen Aktionsplättchens nutzen. 

  • Ich kann ein ausliegendes Stadtplättchen aus der Auslage unterhalb des Würfels aufnehmen und in meine Stadt legen. Wie anfangs bereits erwähnt: Es muss ein entsprechend farbiges Fundament vorhanden sein, um es platzieren zu können. Es dürfen auch bereits gebaute Stadtplättchen mit Plättchen der selben Sorte überbaut werden, evtl. darauf befindliche Figuren kommen dann jedoch zurück in meinen Vorrat, was erst einmal kontraproduktiv ist.
  • Ich kann Figuren zu einem Stadtplättchen der angezeigten Farbe entsenden. Die Stadtplättchen haben ein oder mehrere Einsetzfelder für Figuren. Das erste Feld, das belegt werden muss, ist immer das Feld am oberen Rand des Plättchens. Weitere Felder folgen auf manchen Plättchen im Uhrzeigersinn. Jedes Einsetzfeld fordert eine bestimmte Figurenfarbe und Anzahl. Zeigt das erste Feld einer Kaserne (rot) also z.B. zwei rote Figuren, dann müssen bei einer Entsendung auch zwei rote Figuren aus dem eigenen Vorrat auf das Plättchen gestellt werden. Kann ich die Vorgabe nicht exakt erfüllen, darf ich das Feld auch nicht belegen. Vollständig belegte Plättchen werden erst am Jahresende geleert. Die Figuren kommen dann zurück in den Beutel. Eine Ausnahme bilden die Schiffe. Ist ein Schiff komplett gefüllt, wird es am Ende des Zuges geleert, das Plättchen umgedreht und mit seiner neuen Funktion als Marktstand in die eigene Stadt gelegt, sofern Platz vorhanden und es erwünscht ist.
  • Ich kann einen Stadtausbau aus dem Vorrat nehmen und so neue Fundamente für Stadtplättchen schaffen. Überdecke ich einen Bonus, erhalte ich ihn sofort. Auch kann ich mit speziellen Plättchen meinen Expeditionspfad oder die Entwicklungsleiste erweitern.
  • Ich kann neue Sterne aus dem Vorrat nehmen.
  • Auf Feld 6 (später auch auf Feld 5) kann ich einen Stern einsetzen und damit das erste freie Feld der Entwicklungsleiste belegen. Die Leiste wird von unten nach oben gefüllt. Mit jedem Schritt gibt es auch hier einen Bonus, z.B. auch das Belegen des ersten freien Feldes auf dem Expeditionspfad, der genau wie die Entwicklungsleiste funktioniert und ebenfalls Boni freischaltet.


Neben der Hauptaktion kann ich in beliebiger Reihenfolge auch Nebenaktionen ausführen:

  • Sollte der Würfel, den ich gewählt habe, mit dem Feld des Schiffes übereinstimmen, gibt es einen Jahreszeiten-Bonus (Stern, Turm, Schritt auf dem Expeditionspfad, die Möglichkeit Figuren auszutauschen etc.).
  • Besitze ich 4 bzw. 6 Stadtausbauten, erhalte ich eines der ausliegenden Privilegien, also erneut ein Bonus, wie Schritte auf den Leisten oder aber die Möglichkeit, eine Figurenfarbe zum Joker zu machen. So lassen sich dann z.B. auch gelbe Figuren auf roten Stadtplättchen einsetzen, was sonst nicht erlaubt ist.
  • Erfülle ich die Vorgaben eines der Dekrete, nehme ich dieses aus der Auslage und decke damit das unterste freie Dekretfeld auf meinem Tableau ab. Wieder winken Boni. 
  • Besonders interessant ist die Sonderentsendung. Nehme ich einen Würfel, der in Farbe und Zahl (bei weißen Stadtplättchen nur in der Zahl) mit ausliegenden eigenen Stadtplättchen übereinstimmt, darf ich bei jedem dieser Plättchen das nächste Feld mit Figuren füllen, sofern ich passende Figuren besitze. 


Weitere Spielelemente:

  • Türme, die ich erhalte, werden oberhalb von Häfen platziert, pro Hafen maximal ein Turm. Türme dürfen alternativ auch überbaut werden. Es gibt rote Militärtürme, die mir im Kampf gegen die Germanen mit einer dauerhaften Verteidigungsstärke oder weiteren Feldern für Soldaten helfen, und es gibt weiße Handelstürme, die mir einen Austausch von Figuren erlauben, wenn ich einen Würfel nehme, der der Würfelzahl des Turms entspricht.
  • Manipulatoren kann ich einsetzen, um pro Plättchen eine Würfelzahl um 1 zu erhöhen oder zu verringern.
  • Manchmal erhalte ich auch Boni, die sich auf den Aquädukt beziehen. So rücke ich dort meinen Versorgungsmarker Schritt für Schritt weiter, was mir am Jahresende hilft, meinen Infrastrukturmangel auszugleichen. Ab dem letzten Feld ist hier auch immer ein Figurentausch möglich.


Noch einmal zurück zu den Jahreszeiten. Zu Beginn der vierten Jahreszeit wird auch das zweite Germanen-Plättchen dieser Runde offenbart. Jetzt weiß jeder endgültig, wie hoch der kumulierte Angriffswert der Germanen in diesem Jahr ausfällt. Auch wird nun die Belohnung sichtbar, die es für eine erfolgreiche Verteidigung am Jahresende gibt. Zudem werden die Stadtplättchen unterhalb des Spielplans nachgefüllt.

Nach der fünften Jahreszeit endet das Jahr. Jetzt erfolgt der Überfall der Germanen. Der eigene Verteidigungswert berechnet sich aus Türmen und Kasernen, deren Felder komplett mir Figuren belegt sind. Die Anzahl der Figuren muss dann mindestens die Angriffsstärke der Germanen erreichen, um die Belohnung abzugreifen, andernfalls muss der Malus in Kauf genommen werden.

Am Jahresende wird auch der Infrastrukturmangel bestimmt. Jeder zählt die noch sichtbaren entsprechenden Symbole auf seiner Spielertafel. Durch Plättchen, Dekrete etc. können solche Symbole auch bereits verdeckt sein. Jedes Feld auf den eigenen Stadtplättchen und Türmen, das nicht mit Figuren belegt ist, erhöht den Mangel um 1, wobei der erreichte Wert auf dem Aquädukt den Mangel wieder um die entsprechende Zahl senkt. Die so ermittelte Zahl bestimmt die Anzahl neuer Figuren, die aus dem Beutel gezogen und in den eigenen Vorrat gelegt werden müssen.

Plättchen, die komplett mit Figuren gefüllt sind, werden hingegen geleert, d.h. die Figuren wandern zurück in den Beutel. Weitere Figuren auf Plättchen, die nicht komplett gefüllt wurden, verbleiben in der Stadt.

Zur Vorbereitung des nächsten Jahres werden alle Plättchen aus der oberen Angebotsreihe entfernt, alle weiteren nach oben verschoben, und schließlich wird das Angebot neu aufgefüllt. Eingesetzte Manipulatoren werden nun reaktiviert, das Jahreszeiten-Boot wird auf den Frühling gestellt, zwei neue Germanenplättchen liegen nun oben auf den beiden Stapeln, wobei das linke Plättchen (Malus) bereits wieder zur Information aufgedeckt wird. Wer die meisten Figuren in seinem Vorrat besitzt, wird neuer Startspieler und erster Maximus des nächsten Durchgangs.

Spielende: Nach vier komplett gespielten Jahren gewinnt derjenige, der am Jahresende die wenigsten Rest-Figuren in seinem Vorrat besitzt. Sollte es jemandem gelingen, sämtliche Figuren aus dem eigenen Vorrat bereits während des Spiels vollständig unterzubringen, gewinnt dieser Spieler vorzeitig.

Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus mit eigenen Plättchen. Der Solo-Modus wurde im Rahmen dieser Rezension jedoch nicht getestet.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • erfrischendes Spielziel
  • taktische Winkelzüge möglich
  • Ausloten von Synergien
  • Wettrennen-Charakter


CONTRA 

  • wer kleine Glückselemente mag, kann sich daran stören

MEINUNG

Ein Eurogame mit Römer-Setting - wirkt klassisch, gab es schon öfter, und Discordia wirkt auch optisch eher klassisch, was aber keine Kritik darstellen soll, sondern nur eine Feststellung.

Umso überraschter war ich dann, als ich das Spielziel von Discordia kennenlernte. Nein, hier gibt es zum Schluss keine ausufernde Endwertung, nein, es werden überhaupt keine Punkte gezählt. Das ist schon mal ungewöhnlich in diesem Genre. Stattdessen ist das Spiel als Wettrennen angelegt. Das Ziel: die eigenen Figuren loswerden. Das fühlt sich dann tatsächlich frisch und unverbraucht an. Alles, was ich im Spiel an Boni oder Vorteilen erhalte, dient also stets nur dazu, auf verschiedene Weise Figuren in der Stadt unterzubringen.

Gewisse Abläufe haben dabei eine Lernkurve. Da die Bonusfelder nicht modular sind, gibt es Synergien, die man sich mit jeder weiteren Partie erarbeitet. Da sind dann wahre Bonus-Aktionsketten möglich. Die Ausnutzung dieser Boni, der Dekrete, der Privilegien ist immens wichtig, und da die Dekrete und Privilegien dann in jeder Partie in neuer Kombination ausliegen, gibt es dann doch eine Varianz, der ich mich spielerisch anpassen muss. Ja, allein die ausliegenden Stadtplättchen führen zu immer neuen Konstellationen. Besonders wichtig für die eigene Taktik ist jedoch die Figuren-Ansammlung, die ich zufällig aus dem Beutel ziehe. Sie bestimmt dann, in welche Richtung ich meine Stadt bevorzugt ausbaue, wobei nach jeder Runde neue Figuren hinzukommen werden, sodass ich flexible bleiben muss.

Da ist dann auf jeden Fall auch Glück im Spiel. Der Maximus hat den Vorteil, einen Würfel als erster auswählen zu dürfen. Jahreszeiten-Boni verbleiben daher meistens bei dem, der würfelt, und nicht immer sind einem die Würfel hold. Da kann es auch passieren, dass man Ergebnisse erzielt, die nicht zu den eigenen Plänen passen. Ja, die Würfel sind generell manipulierbar, aber an neue Manipulatoren zu gelangen, ist nicht leicht. Und auch ein unglückliches Ziehen der Figuren kann dann schon mal verhindern, dass ich einem Germanen-Überfall standhalten kann. Somit ist Discordia also eher ein Taktikspiel, ein Optimierungsspiel, kein reines Strategiespiel. Wer Glücksmomente in solchen Spielen verschmäht, der kann sich an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch mal ärgern. Wer genau diese Glücksfaktoren als Herausforderung sieht (ich gehörte zu dieser Gruppe), der erhält mit Discordia ein sehr schönes Wettrennen, das einen immer wieder dazu einlädt, es in der nächsten Partie zu schaffen, das Spiel vor allen anderen Personen zu beenden.

Ein Wort noch zum Spielmaterial: Der Hauptspielplan besteht aus eher dünnem Material, die Double-Layer-Boards müssen selbst zusammengeklebt werden. Ihre Unterseite besteht aus dem selben dünnen Material, sodass man ein wenig aufpassen muss, hier nichts versehentlich zu verknicken. Da mittlerweile vielen Spielen keine Tableaus mehr aus dicker Pappe beiliegen, würde ich das Material als gängig einstufen, zweckmäßig ist es auf jeden Fall, und die restliche Ausstattung mit stabilen Plättchen, Holzfiguren und Sternen weiß auf jeden Fall zu gefallen.

Fazit: Discordia bringt, trotz klassischem Römer-Thema, frischen Wind in das Spielgenre. Für mich ist es ein sehr schönes Kennerspiel, das sich angenehm von anderen Spielen dieser Kategorie abhebt. Wer eine Mischung aus Taktik und Glückselementen in Spielen mag, dem kann ich Discordia definitiv empfehlen. Von mir gibt es dafür alles in allem sehr gute 8 Kultpunkte!

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/yiCqcezNIBE

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 15.01.2023

Bildnachweis:
Coverfoto: Irongames
Weitere Fotos: Spielkultisten