REZENSION

DIE WEISSE BURG

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2023
  • Verlag: KOSMOS
  • Autoren: Isra C., Shei S.
  • Grafik: Joan Guardiet
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 50 bis 70 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Dice & Daimyo

Wir schreiben das Jahr 1761 und befinden uns in Japan. Alles dreht sich in diesem Spiel um die Burg des Weißen Reihers, in der wir als ansässige Familien um die Stellung am Hofe des Daimyo kämpfen.

REGELN

Bereitet den Spielplan vor, bestückt ihn mit Burg- und Garten-Karten sowie Würfel-Plättchen, stellt außerdem die Brücken auf ihre vorgesehenen Plätze und legt vier zufällige Übungsplatz-Plättchen auf ihre Felder.

Jeder erhält ein eigenes Spielertableau und jeweils fünf Höflinge, Gärtner und Krieger, die auf ihren Leisten Bonusfelder abdecken. Bildet Paare aus Ressourcen- und Aktions-Startkarten und wählt diese entgegen der von euch festgelegten Spielerreihenfolge aus. Jeder nimmt sich die Start-Ressourcen, die auf der gewählten Ressourcenkarte zu sehen sind (Nahrung, Eisen, Perlmutt; jeweils per Marker auf den jeweiligen Fortschrittsleisten) sowie Siegel und Münzen (als Plättchen), ggf. auch eine Bonus-Karte, die in den eigenen Bonusbereich des Tableaus gelegt wird („Laternen"-Bereich). Genau dahin wird im Anschluss auch die gewählte Ressourcen-Karte gelegt, die auf der Rückseite einen ersten Bonus zeigt. Die Aktionskarte hingegen wird auf ihren Platz rechts neben der Figuren-Leisten abgelegt.

Gespielt werden 3 Runden. In jeder Runde hat jeder insgesamt abwechselnd 3 Spielzüge. Zunächst jedoch werden die Würfel geworfen (in den Farben rot, schwarz und weiß; jeweils ein Würfel pro Farbe mehr als Personen mitspielen). Legt diese Würfel nun in aufsteigender Reihenfolge auf ihre jeweilige Brücke. Der niedrigste Würfel kommt auf die linke Stufe der Brücke, der höchste Würfel auf die rechts Stufe, alle anderen Würfel werden entsprechend auf dem Mittelstück der Brücke angeordnet.

Wer am Zug ist, wählt einen Würfel von einer Brückenstufe aus (also entweder den momentan höchsten oder niedrigsten Würfel dieser Farbe). Wird der niedrigste Wert gewählt, werden Aktionen teurer, dafür gibt es dann sofort alle Boni der Karten, die im eigenen Laternen-Bereich liegen. Würfel mit höherem Wert hingegen vergünstigen die Aktionen.

Der gewählte Würfel wird nun auf ein Würfel-Einsetzfeld des Spielplans gelegt. Die Felder zeigen einen Würfelwert. Wird ein Würfel mit einem niedrigeren Wert auf so einem Feld platziert, muss die Differenz mit Münzen beglichen werden. Wird ein Würfel mit einem höheren Wert auf so einem Feld platziert, wird die Differenz in Münzen ausgezahlt. Ab dem Spiel zu dritt darf auch ein zweiter Würfel auf einem vorhandenen Würfel gestapelt werden, auch da gilt dann die Differenz-Regel. 

In der Burg gibt es diverse Einsetzfelder, die über die zuvor verteilten Würfelplättchen bestimmt werden. Je nach gewählter Würfelfarbe werden dann die entsprechenden Aktionen auf der daneben ausliegenden Karte ausgeführt. Da gibt es dann z.B. Ressourcen, Schritte auf der Jahreszeiten-Leiste (wobei in regelmäßigen Abständen Bäume eine Grenze zum nächsten Abschnitt markieren, die nur gegen Bezahlung von Siegeln überschritten werden darf), es gibt Aktionen an anderen Orten, teils gegen Bezahlung. Auf den Würfelfeldern „außerhalb der Mauern“ wartet jeweils eine von zwei zur Auswahl stehenden Hauptaktionen. Die Würfelfelder auf dem eigenen Tableau geben Boni (je mehr Figuren schon entfernt wurden, umso mehr Boni) sowie die damit verbundene Aktion auf der Aktionskarte. Und es gibt den Brunnen. Da dürfen beliebig viele Würfel eingesetzt werden für ein Siegel und zwei zufällige Belohnungen über die vor Spielbeginn verteilten Würfelplättchen.

Drei Haupt-Aktionen ermöglichen es per Würfel-Einsatz, eine entsprechende Figur auf den Spielplan einzusetzen:

  • Bei der Garten-Aktion wird der am weitesten links stehende Gärtner vom Tableau genommen und auf eine Garten-Karte gesetzt. Dazu müssen die damit verbundenen Kosten in Nahrung bezahlt werden. Die Karte liefert dann wiederum eine Belohunung / Aktion. Auf jeder Karte darf immer nur ein Gärtner jeder Farbe stehen.
  • Bei der Übungsplatz-Aktion wird das selbe mit einer Krieger-Figur gemacht, bezahlt wird in Eisen. Das gewählte Übungsplatzfeld liefert dann auch wieder eine Belohnung / Aktion. Hier dürfen allerdings beliebig viele Figuren auf jedem Feld platziert werden.
  • Bei der Burg-Aktion darf ein Höfling für 2 Münzen zum Burgtor gestellt werden. Zudem darf ein bereits eingesetzter Höfling für 2 bzw. 5 Perlmutt um eine bzw. zwei Etagen in der Burg nach oben versetzt und damit dann in einen Raum gezogen werden, in dem eine der hellen Karten-Aktionen ausgeführt wird. Die Karte ersetzt die bisherige Aktionskarte auf dem eigenen Tableau, ordnet somit den Würfelreihen des Tableaus neue Aktionen zu. Die bisherige Aktionskarte wird umgedreht und verstärkt mit ihrem Bonus den Laternen-Bereich. Eine neue Karte wird im Anschluss auf den Spielplan gelegt. In der obersten Etage warten drei Belohnungen zur Auswahl, wobei jede nur einmal gewählt werden kann. Ist keine Belohnung mehr vorhanden, darf eine Figur trotzdem in diese Ebene gezogen werden (für Punkte am Spielende), allerdings entfällt dann der Sofort-Bonus.


Jederzeit kann ein Siegel eine Münze ersetzen oder zwei Siegel in eine beliebige Ressource getauscht werden.

Rundenende: Hat jeder drei Spielzüge absolviert, endet die Runde. Wer einen Gärtner unter eine Brücke platziert hat, auf der nun noch mindestens ein Würfel liegen geblieben ist, darf die Aktion des Gärtners noch einmal nutzen (außer nach Runde 3). Die neue Spielerreihenfolge wird anhand des Fortschritts auf der Jahreszeitenleiste festgelegt. Alle Würfel werden neu geworfen und auf die Brücken verteilt.

Nach der dritten Runde gibt es eine Schlusswertung:

  • Je 5 Münzen bringen 1 Punkt.
  • Ressourcen bringen 1 oder 2 Punkte, sofern sie die jeweilige Markierung auf ihrer Leiste erreicht haben. 
  • Siegel können zuvor noch in Münzen bzw. Ressourcen eingetauscht werden.
  • Die Position auf der Jahreszeitenleiste bestimmt die Punkte in diesem Bereich.
  • Jeder eingesetzte Gärtner bringt die Punkte der Karte, auf der er steht.
  • Jeder Höfling bringt die Punkte des Raumes der Burg (1 / 3 / 6 / 10, je nach Etage), in der er steht.
  • Jeder Krieger bringt 1x oder 2x (je nach Übungsplatz) die Anzahl der Höflinge in der Burg als Punkte.


Wer nun die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Das Spielt bietet auch einen Solo-Modus, bei dem gegen einen virtuellen, kartengesteuerten Gegner angetreten wird.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • trickreiche Würfelauswahl
  • sich stetig verändernder Spielplan erfordert immer wieder Anpassung
  • Ketten-Spielzüge möglich


CONTRA

  • Erfolg hängt auch von der Kartenauslage und den Würfel-Ergebnissen ab
  • zu zweit (bzw. solo) entfällt leider das Würfel-Stapeln

MEINUNG

Immer wieder gibt es diese Spiele, die gewisse Vorschusslorbeeren erhalten. So erlebte ich es dann auch bei der Neuheit Die Weiße Burg im Herbst 2023. Ich selber konnte mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Meinung vom Spiel machen, während andere Spielkultisten mir bereits begeistert von ihren ersten Partien berichteten. Also war ich entsprechend gespannt darauf. Tja, und immer wieder gibt es dann diese Spiele, bei denen ich mich nach meiner eigenen Erstpartie dann frage, was meine Kollegen daran eigentlich sooo toll finden. Die Weiße Burg hinterließ nach meiner ersten Partie tatsächlich erst einmal noch gemischte Gefühle.

Die Würfelauswahl und das Dice-Placement-Element sind dabei schon tricky. Anfangs macht es natürlich Sinn, hohe Würfelwerte zu wählen, bekomme ich überbezahlte Einsetzfelder doch ausgezahlt. Später, wenn die Engine der eigenen Laternen-Boni greift, nehme ich gern bewusst einen niedrigen Würfel, um eben diese Karten-Belohnungen zusätzlich einzustreichen. Das ist clever gemacht. Auch das Stapeln der Würfel ist ein nettes Element, das mich ein wenig an Marco Polo erinnert, allerdings ist dieses Element leider erst ab 3 Personen verfügbar. Zu zweit sind die Möglichkeiten also eingeschränkter - was weg ist, ist weg. Ein besetztes Feld steht mir nicht mehr zur Verfügung.

Da sind wir auch schon direkt beim Knackpunkt des Spiels. Die Weiße Burg ist flott gespielt, was auch bedeutet: Ich habe gerade einmal neun Spielzüge bis zum Spielende. Ich möchte so viel machen, und doch muss ich mich auf die Optionen beschränken, die mir zur Verfügung stehen. Der Spielplan ist modular, da die zufällig ausliegenden Karten auch die möglichen Aktionen bestimmen. Nun kann es immer wieder passieren, dass ich an eigene strategische Grenzen stoße, einfach, weil mir der Zugang zu einer bestimmten Ressource oder zu einer gewünschten Aktion vorübergehend verwehrt bleibt.

Besitze ich zu wenige Münzen, um ein 6er-Einsetzfeld auf meinem Tableau zu aktivieren, weil gerade keine hohen Würfelzahlen in der gewünschten Farbe zur Verfügung stehen, dann komme ich vielleicht gerade partout nicht an Perlmutt, und ohne Perlmutt verschenke ich bei einer Burg-Aktion wichtige Möglichkeiten, da ich mich nicht bewegen kann. Vielleicht habe ich aber auch gerade viel Eisen angesammelt, so viel, dass ich den wertvollsten der drei Übungsplätze besuchen könnte  - aber das einzige Einsetzfeld mit der Übungsplatz-Aktion wurde in dieser Runde schon gesperrt, bis ich selbst an die Reihe komme. Kurz und knapp: Die Weiße Burg erfordert Optimierung bei allen strategischen Zielen, die man sich selbst gesetzt hat. Alles ist einem stetigen Wandel unterzogen, nur wenige Felder erlauben eine sichere Vorausplanung.

Da muss ich ehrlich zugeben: In meiner ersten Partie war ich ein wenig ernüchtert, einfach, weil Mitspieler ganze Aktionsketten auf die Reihe bekamen, während ich selbst zwar auch die Pläne dafür im Kopf hatte, mir aber irgendwie immer genau dann die Möglichkeiten fehlten, diese umzusetzen, wenn ich selbst am Zug war. Not-Aktionen sind zwar möglich, aber sie fühlen sich natürlich nicht so gut an und werfen einen auch zurück. Dennoch empfand ich Die Weiße Burg, trotz eher technischem Spielgefühl, schon da als interessantes gehobenes Kennerspiel, das ich gern wieder spielen wollte, einfach, um es dann hoffentlich besser zu machen.

So kam es zu einigen Wiederholungspartien, und ich lernte, mit den Unwegsamkeiten des Spiels zunehmend besser umgehen zu können. Stellt man sich darauf ein, am Ende nicht wirklich Highscores miteinander vergleichen zu können, einfach weil jede Partie andere Voraussetzungen liefert, dann macht es Spaß, sich der Herausforderung zu stellen, um aus dem Gegebenen das Beste zu machen, Ressourcen klug zu kombinieren, Bonusaktionen zu aktivieren, ja, dann doch irgendwie Ketten-Spielzüge entstehen zu lassen. Bei häufigerem Spielen  weiß man dann auch, wie man gut an Punkte gelangt, wenngleich der 80-Punkte-Marker in meinen Partien noch nie benötigt wurde ... in den meisten Fällen landeten wir im Durchschnitt eher so bei 50 Punkten, ab und zu sogar unter 40. Und nicht, weil wir alle das Spiel nicht begriffen haben, sondern einfach, weil es auch immer wieder Partien gibt, in denen die Verzahnungen nicht vollends ausgereizt werden konnten, da die Würfel und Aktionskarten keine guten Kombinationen ermöglichten.

Insgesamt vergebe ich alles in allem gute 7 Kultpunkte an Die Weiße Burg, in gut laufenden Partien, besonders mit drei oder vier Personen (um das Stapeln der Würfel zu ermöglichen), können es auch sehr gute 8 Kultpunkte sein. In unserer internen Spielkult-Abstimmung vergaben echte Fans dieser Spielidee sogar richtig starke 9 Kultpunkte. Den ganz großen Hype hat Die Weiße Burg bei mir persönlich jetzt zwar nicht ausgelöst, eine taktische Herausforderung ist es aber auf jeden Fall, ohne Frage, und der stelle ich mich auch jederzeit gern wieder. 

Noch ein Lob zum Schluss: Die Spielschachtel ist verhältnismäßig klein dimensioniert, dafür wirklich auch im ausgepöppelten Zustand prall gefüllt mit hochwertigem Spielmaterial. Ein großes Spiel also in einer platzsparenden Box - da dürfen sich einige Verlage gern eine Scheibe von abschneiden.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/tsqsXLJn2vA

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 03.12.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten