REZENSION

DIE ROTE KATHEDRALE

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: KOSMOS
  • Autoren: Sheila Santos, Israel Cendrero
  • Grafik: Pedro Soto, Chema Román
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 60 bis 90 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Taktiklevel: 6/10

Russische Baumeister

Als Baumeister im 16. Jahrhundert folgen wir dem Auftrag Iwan des Schrecklichen, die Basilius-Kathedrale, genannt die Rote Kathedrale, zu errichten. Dazu benötigen wir Baumaterial, um am Spielende möglichst viel Initiative am Bau des sakralen Gebäudes gezeigt zu haben.

REGELN

Bereitet den Spielplan vor, indem ihr die Ressourcen-Plättchen beliebig auf die Kreisfelder verteilt; zudem wird in jeder der vier Ecken je eine zufällige Einflusskarte gelegt - insgesamt also vier solcher Karten, von jeder Sorte (Rückseite) eine. Legt zudem, entsprechend des Bauplans eurer Spielerzahl, die Kathedrale aus Karten aus, zunächst mit der Ressourcen-Seite nach oben. Belegt jede dieser Karten mit einem zufälligen Werkstattplättchen. Zu guter Letzt werden noch die fünf Würfel nacheinander, in zufälliger Reihenfolge, geworfen und, ausgehend von Kreuz-Plättchen, auf die Segmente des Spielplans verteilt.

Jeder Spieler erhält ein eigenes Tableau, sechs Banner, vier Verzierungen (eine Tür, zwei Bögen und ein Kreuz) sowie ein Startkapital von drei bis fünf Rubel.

Gespielt wird reihum. Wer an der Reihe ist, wählt eine dieser drei Optionen:
(A) Einen Bauabschnitt beanspruchen. Der Spieler liegt einen Banner von seinem Tableau auf eine noch verfügbare Bauabschnitt-Karte. Die Karten müssen dabei in jedem parallelen Turm von den Spielern von unten nach oben belegt werden. Das Werkstattplättchen kann nun gegen Bezahlung auf das eigene Tableau gelegt werden, indem es einem freien Würfelfeld zugeordnet wird.

(B) Ressourcen generieren. Der Spieler wählt einen Würfel des Spielplan-Rondells, zieht ihn so viele Segmente im Uhrzeigersinn weiter, wie es die Augenzahl vorgibt und löst dann die Aktion des Zielfeldes aus. So erhält der Spieler Punkte oder Ressourcen, und zwar in der Anzahl der in diesem Segment liegenden Würfel (maximal 3). Ressourcen müssen auf freien Feldern des Lineals auf dem eigenen Tableau gelagert werden.

Sollte der Spieler einen Würfel bewegen, zu dem er bereits ein Werkstattplättchen auf seinem Tableau liegen hat, erhält er auch noch dessen Bonus.

Außerdem kann der Spieler die Einflusskarte nutzen, die neben dem Zielfeld liegt. So können z.B. Ressourcen getauscht oder Punkte generiert werden.

Am Ende des eigenen Spielzuges werden alle Würfel des Zielfeldes neu geworfen und dann wieder dort abgelegt.

(C) Bauen und / oder Verzieren: Der Spieler liefert bis zu 3 Baumaterialen auf von ihm beanspruchte Karten, alternativ auch Ressourcen zum Verzieren von fertigen Bauabschnitten. Sind alle Ressourcen zum Fertigstellen eines Bauabschnitts auf einer Karte vorhanden, wird die Karte nun auf ihre farbige Seite gedreht und wieder mit dem Banner des Spielers markiert. Der Spieler erhält dafür Geld und Baupunkte. Die Baupunkte sind die kleinen Punktefelder auf der Punkteleiste.

Stellt ein Spieler einen höher gelegenen Bauabschnitt fertig, verlieren Spieler, die Abschnitte darunter belegt, aber noch nicht fertiggestellt haben, Baupunkte.

Ein fertiger Bauabschnitt kann - je nach Art der Karte - mit einer Tür, einem Fensterbogen oder einer Kreuzspitze verziert werden. Mit zusätzlich bezahlten Edelsteinen können dabei Ruhmespunkte (das sind die zunächst weiter auseinander liegenden, mit einem Adler markierten Felder) eingesammelt werden. Die Verzierung kann auch auf einem gegnerischen Bauabschnitt angebracht werden.

Zusatzaktionen: Jederzeit können im Spiel Ruhmespunkte in Geld getauscht oder Würfel (ebenfalls gegen Abgabe von Geld) neu geworfen werden.

Spielende: Sobald ein Spieler seinen sechsten Bauabschnitt vollendet, erhält er 3 Bonus-Ruhmespunkte. Alle anderen Spieler sind noch einmal am Zug. Dann folgt die Schlusswertung. Die Punktemarker werden auf die jeweils zuletzt erreichte Ruhmespunkte-Marke zurückgesetzt, und je fünf Einheiten Ressourcen / Geld bringen noch einmal 1 Ruhmespunkt.

Zum Schluss werden die einzelnen Türme der Kathedrale ausgewertet. Für jeden Turm wird der Wert bestimmt. Jeder fertig gestellte Bauabschnitt dieses Turms bringt 2 Punkte, jede dort angebrachte Verzierung 1 Punkt. Zur Bestimmung des Wertes werden alle Spielerfarben zusammengezählt. Danach wird geschaut, welcher Spieler am meisten zum Bau dieses Turm beigetragen hat. Jeder zählt dafür seine platzierten Banner und Verzierungen dieses Turms. Der Spieler, der hier die Mehrheit erlangt, erhält den Wert des Turms als Ruhmespunkte, der Zweitplatzierte erhält die Hälfte der Punkte, der Dritte die Hälfte von der Hälfte etc. (ggf. abgerundet).

Wurden alle Türme ausgewertet, gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.

Das Spiel bietet auch eine Solo-Variante.

GALERIE

Anklicken / Antippen für Komplettansicht

CHECKPOINT

PRO

  • kleine Schachtel mit viel Inhalt
  • trickreicher Würfel-/ Ressourcen-Mechanismus
  • Interaktion / Wettrennen durch Mehrheiten-Wertung


CONTRA

  • bis auf den Würfel-Mechanismus nicht übermäßig innovativ
  • Würfel können einem einen Strich durch die Pläne machen

MEINUNG

Eine Sache fällt dem Spiele-Geek sofort ins Auge: Die Rote Kathedrale besitzt ein erstaunlich kleines Schachtel-Format, kleiner als die typischen Quadrat- oder Rechteck-Boxen, in denen Familien- und Kennerspiele sonst üblicherweise veröffentlicht werden. Die Schachtel ist dabei randvoll mit Material gepackt, da kann man sich echt nicht beschweren. So spart das Spiel auf jeden Fall Platz im Regal, auch wenn es vielleicht einfach aus Gewohnheit den Anschein erweckt, man habe es hier nur mit einem kleineren Kartenspiel zu tun.

Die Rote Kathedrale ist ein vollwertiges Brettspiel aus dem gehobenen Familien- bis Kennerspiel-Bereich. Dabei macht das Spiel gar nicht mal so viel neu. Im Grunde folgt es dem bekannten Schema „Rohstoffe generieren“, „Aufträge erfüllen“, „Punkte erhalten“. Das sind allseits beliebte Mechanismen, erprobt, aber nicht innovativ. Also braucht es eigene Stellschrauben, damit das Spiel nicht in der Masse ähnlicher Spiele untergeht.

Das zentrale Element ist dabei die Ressourcen-Gewinnung per Würfelbewegung. So muss ich immer gut planen, welchen Würfel ich zu welchem Zeitpunkt bewege, denn die Augenzahl schränkt mich dahingehend ein, welche Ressourcen ich abgreifen kann. Nur der Würfel in meiner Spielerfarbe und der weiße Würfel gewähren mit gegen Bezahlung etwas mehr Freiheiten. Aber an Rubel zu gelangen, ist gar nicht so leicht. Ja, da ist es umso wichtiger, dass ich sowohl die Einflusskarten ausnutze, die in den Ecken des Spielplans liegen, aber vor allem auch eine gute Engine aufbaue, also den Würfelfarben Werkstattplättchen zuordne, die dann bei jeder Bewegung des passenden Würfels Boni liefern. Nur so kann ich schneller sein als die Konkurrenz.

Die Rote Kathedrale ist ein kleines Wettrennen. Wer als erster Spieler sechs Bauabschnitte fertigstellt, beendet das Spiel. Dabei wird die Konkurrenz auch schon während des Spiels unter Druck gesetzt, indem nicht fertiggestellte Abschnitte Minuspunkte einbringen, wenn ein anderer Spieler einen höher gelegenen Abschnitt fertigstellt. Das Reservieren dieser Bauabschnitte ist ein weiteres taktisches Element, denn am Ende werden ja Punkte für Mehrheiten vergeben. Da sollte ich also immer schauen, was ich überhaupt an welchem Turm an Punkten einheimsen kann. So entsteht eine indirekte Interaktion, wenn auch keine konfrontative. Gleiches gilt beim Verzieren. Da kann auch schon einmal einem Mitspieler eine Vorlage geschaffen werden, der sie in seinem Spielzug dann in die wichtigen Ruhmespunkte überführt. Das gehört zum Spiel.

Nun muss man sagen, dass der Glücksfaktor beim Würfeln bzw. die Zugweite betreffend, nicht gänzlich außer Acht gelassen werden kann. Ja, bei manchen Spielern passen die Würfelaugen genau zu dem, was sie an Ressourcen benötigen, bei anderen Spielern passt wiederholt nichts zusammen. Man kann das etwas ausgleichen, aber es kostet einfach Zeit. Wer also auch nur geringe Glücksmomente in Spielen verteufelt, der könnte sich an dieser Stelle vielleicht auch mal ärgern.

So reizvoll aber der Würfel-/ Ressourcen-Mechanismus ist, so gewöhnlich ist für mich dann die Bauen-/ Verzieren-Aktion. Da arbeitet man dann das ab, was man sich zuvor aufgebaut hat. Da man immer nur drei Materialien liefern darf, ist man eingeschränkt und erfüllt dann halt brav seine Aufträge. Und wer verzieren möchte, der wird sicher versuchen, vorher beide Edelstein-Farben in seinen Besitz zu bringen, denn die 3 Ruhmespunkte, die es dafür gibt, sind nicht zu verachten. Da kommt dann etwas Routine ins ansonsten so erfrischende Spiel. Das fühlt sich für mich dann auch irgendwie immer gleich an.

Das Berechnen der Mehrheiten bzw. der Werte der einzelnen Türme nimmt am Spielende auch noch einmal etwas Zeit in Anspruch, wobei es da nur selten echte Überraschungen gibt, denn man sieht ja schon während des Spiels, wie viel man wo bekommt. Einzig der letzte Spielzug, also nachdem ein Spieler das Spiel beendet hat, kann noch einmal Wertungen durcheinander bringen, wenn es gerade recht eng um bestimmte Mehrheiten steht. Meistens ist aber doch schon vorher absehbar, wer das Spiel wohl gewinnen wird.

Alles in allem gefällt mir Die Rote Kathedrale gut. Vielleicht habt ihr es schon herausgelesen: Ich gehörte nicht zu denen, die das Spiel jetzt als DIE Innovation des Jahres abfeiern - ja, es gibt Mitspieler, die empfinden das tatsächlich so. Für mich ist es letztlich dann doch irgendwie ein „guter Bekannter“ in neuen Kleidern - grundsolide, auf jeden Fall spielenswert, insbesondere schon wegen des wirklich schönen Würfel-/ Bewegungsmechanismus' und den Engine-Builder-Elementen. Der Rest, also das Erfüllen der Bauaufträge und das nachträgliche Verzieren fertiger Abschnitte, das ist für mich dann doch eher Standardkost, aber keineswegs schlechte.

Von daher vergebe ich insgesamt gute 7 Kultpunkte, auf jeden Fall eine Empfehlung in diesem Genre, wenn zumindest für mich jetzt auch nicht die bahnbrechende Neuheit des Jahres 2021. Wie gesagt: Ich kenne Mitspieler, die setzen dieses Spiel auf ihrer persönliches Bestenliste des Jahres sogar auf Platz 1 -  also am besten mal selber austesten, ob euch das Konzept vollends abholt. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/UcgJjekoosE

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7-8/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 13.12.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten