REZENSION
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
- Genre: Familienspiel
- Jahr: 2021
- Verlag: KOSMOS
- Autor: Michael Menzel
- Grafik: Michael Menzel
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 60 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 7/10
Gemeinsam gegen Prinz John
England 1193 - Prinz John regiert über Nottingham und ist dem Volk nicht wohlgesonnen. Als Robin Hood und seine Gefährten stürzt ihr euch, begleitet von einem Buch, in die Abenteuer und mach dem Unrecht ein Ende!
REGELN
Der Spielplan wird zunächst auch den acht Puzzle-Teilen zusammengesetzt. Es gibt viel zu entdecken. Zahlen, herausnehmbare Felder, die nach und nach geöffnet werden und mehrere Schauplätze. Was an den Orten geschieht, wird erst Kapitel für Kapitel er- bzw. geöffnet. Es muss beim Spielplan in den fortlaufenden Runden immer darauf geachtet werden, dass keine Plättchen beim Auf- oder Abbau aus dem Spielplan fallen.
Jeder Spieler wählt einen Charakter und nimmt sich alle farblich passenden Figuren. Die Marker und weiteren Figuren bleiben erst einmal im offenen Vorrat. Selbst die Anleitung wird erst ab der zweiten Runde benötigt. In der ersten Runde führt ein Einstiegsblatt direkt ins Spiel.
Im Spiel kann man sich frei bewegen, mit Personen sprechen, Orte und Gegenstände erkunden. Und doch gibt es einige generellen Vorgaben:
- Es wird miteinander gespielt.
- Die Bewegung einer Figur auf dem Spielplan erfolgt über die Lauffiguren. Es gibt zwei stehende Figuren (Start, Ziel) und drei mit Schiebern versehene Figuren in zwei Längen. Je nach Entfernung wird (ähnlich eines Tabletops) die Länge über die Aneinanderreihung der fünf (oder weniger) Figuren bestimmt. Denkt dran: ihr seid aus Fleisch, ähm naja eigentlich aus Holz, ihr könnt nicht über- oder durchqueren, was fest ist: als keine Bäume, Mauern, Flüsse und andere Figuren. Diagonales Anlegen ist erlaubt. Glaubt mir, ein Millimeter kann in diesem Spiel echt viel bedeuten.
- Wird bei einer Bewegung auf die Verwendung der längsten Schieberfigur verzichtet, spart man Kraft. Dann darf man einen kleinen weißen Holzwürfel in den Beutel legen. Jeder weiße Würfel ist Gold wert.
Da jetzt das erste Abenteuer / Kapitel im Buch beginnt, wird es an der angegebenen Stelle aufgeschlagen und dem Text gefolgt. Ich aber erkläre nur noch ein paar Kleinigkeiten, um nicht zu spoilern. Den Rest gilt es im Spiel zu entdecken.
An den Fragezeichen kann man Orte untersuchen oder mit Personen reden. Ihr könnt auch verschiedene Figuren überwältigen. Die Boni nach einem Sieg sind im Spiel recht hilfreich. Wohin ihr lauft, entscheidet ihr als Gruppe. Auch das Übergeben von mitgenommenen Gegenständen entscheidet ihr selbst.
Allerdings gibt es im Spiel auch Gegenspieler. Um die Reihenfolge zu bestimmen, werden Holzscheiben je teilnehmender Farbe (auch Spielerfarben) in den Stoffbeutel gepackt und diese dann einzeln gezogen. Lilafarbene Holzwürfel kommen über die Gegenspieler in den Beutel. Sie sind die Störfaktoren im Spiel und bestimmen über Erfolg oder Misserfolg. Weiße Würfel sind immer Erfolge - im Kampf oder bei anderen Entscheidungen. Ein weiterer Gegenspieler ist die Zeit, die zum Teil gefühlt sehr schnell durch die Sanduhren rinnt. Da hilft nur eines: die Hoffnung im Land hochhalten.
Sobald die letzte Sanduhr vom Bösen Ende entfernt wird, haben die Spieler gemeinsam verloren. Als Zeichen dafür wird das Wappen von 1 auf 2 gedreht. Neue Aspekte stehen dann im zweiten Versuch zur Verfügung. Werdet ihr es nun schaffen, die Aufgabe des Kapitels zu lösen? Wenn ja, schlagt ihr einfach das nächste Kapitel auf - und weiter geht's!
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- super durchdachtes Familien-Abenteuerspiel
- tolle Story
- innovative Spielelemente
CONTRA
- die Plättchen im Spielplan lösen sich mit der Zeit bzw. fransen aus
MEINUNG
Michael Menzel präsentiert uns nach seiner Erfolgsreihe "Die Legenden von Andor" mit "Die Abenteuer des Robin Hood" ein neues Abenteuerspiel. Schon das Öffnen der Box lohnt sich. Ein Spielplan zum Zusammenpuzzeln, der sich wie eine Art Adventskalender zeigt: Hier gibt es Türchen zum Aufmachen, genauer gesagt Plättchen zum Wenden. Das macht neugierig. Außerdem Figuren, die gleich mit zwei Standfiguren und drei Bewegungsfiguren daherkommen - für eine den großen Tabletop-Spielen nicht unähnliche Bewegung. Und dann gibt da noch ein Buch mit Hardcover-Einband und echten Kapiteln. Letzteres erinnert an die Spiel-Bücher, die es schon seit einiger Zeit auf dem Markt gibt. In den Kapiteln wird hin- und hergesprungen und je nach gewählter Situation eben das Fortlaufen der Geschichte vorangetrieben.
Bereits beim Aufbau merkt man, dass das Spiel für einen schnellen Start in der Familie konzipiert ist, bedeutet: wenige Einstiegsregeln; in den ersten Runden lernt man dann nach und nach die Möglichkeiten kennen. Wo in "Andor" noch etliche Einstiegshürden lauerten, sind diese bei "Robin Hood" einem familienfreundlichen Anfang gewichen. Hier kann auch ein 10-jähriger gut hineinfinden. Allerdings muss man sicher lesen können, denn ein Spieler sollte die Kapiteleinstiege vorlesen, um die Geschichte ins Spiel einzuflechten. Und genau hier bin ich (und die meisten meiner Testgruppen ebenfalls) begeistert: denn Lesen ist hier nicht erzwungenes Beiwerk, sondern gewollter Spielinhalt. Lesen macht Spaß, ich kann Geschichten erleben. Ich kann die Geschichten mitbestimmen. Ich bin Teil der gelesenen Geschichte.
Der Rest ähnelt "Andor". Gemeinsame Diskussionen, wer für welche Aktion am besten ausgerüstet oder schlicht am nächsten dran ist. Gemeinsam werden die Wege besprochen, und ganz nebenbei wird das Spiel Runde um Runde immer schwerer. Mehr negative Ereignisse, stärkere Entscheidungen, stärkere Herausforderungen.
Erwähnt werden muss das Glück, das mitspielt. Allerdings macht das eine Runde auch weniger berechenbar und erhöht in diesem Fall tatsächlich ihre Spannung. Eine verlorene Runde gibt die Möglichkeit auf eine, nun etwas einfachere, zweite Chance. Eben alles super durchdacht. Eine unserer Testerinnen begleitete mit ihrer Begeisterung auch die vierte Runde am Stück immer noch und bedauerte das abendliche Ende lebhaft. Ein schönes und hoffnungsvolles Erlebnis für uns alle.
Das Material ist ebenso durchdacht, eigentlich gibt ein kleines Manko: Unser beiliegender Beutel hatte eine Montagsnaht und musste repariert werden. Da gehe ich jedoch davon aus, dass das nicht in jedem Exemplar der Fall ist. Was aber auch aus anderen Erfahrungsberichten immer wieder auftritt, ist, dass sich die herausnehmbaren Plättchen nach mehrmaligem Hin- und Herdrehen lockern - und sie nehmen entsprechenden Gebrauchsschaden. Letzteres zwingt zum guten Aufräumen des Materials. Im Einschub finden alle Spielplanteile sicher Platz. Ansonsten gilt: Auch Robin Hood wusste die Risiken einzuschätzen. Manchmal mehr - und manchmal weniger.
Fazit: "Robin Hood" ist ein kooperatives Abenteuer im Sherwood Forest für zwei bis vier Helden, die sich der Obrigkeit Prinz Johns in den Weg stellen wollen. Für mich und unsere Tester ganz klar ein Anwärter auf eine (Kenner-?)Spiel des Jahres-Nominierung.
P.S. Ich hoffe auf weitere verspielte Buchtitel in dieser Art!
KULTFAKTOR: 9/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10
EURE REZENSENTIN
GABI
(ehemaliges Team-Mitglied)
Immer-und-Überall-Spielerin, Spieleberaterin, Krankenschwester
Eine Rezension vom 02.04.2021
ZWEITMEINUNG
Die Geschichte des Robin Hood wurde verfilmt, verspielt, beschrieben, nochmal verfilmt, eine weitere Serie entstand, ein Spiel, ein Buch, ein Film ... Es handelt sich also mehr oder weniger um Allgemeinwissen. Und jetzt wird diese Geschichte ein weiteres Mal in einem Spiel umgesetzt.
Und diese Umsetzung ist aus meiner Sicht ein heißer Kandidat für den Innovationspreis. Eigentlich sind viele Bestandteile nicht sehr neu, aber die Kombination ist es. Wir bewegen uns über das Spielbrett, wie es bei vielen Miniaturen-Spielen möglich ist, mit Abstandsmessern. In diesem Fall handelt es sich um Holzfiguren, die unsere Figur laufend oder rennend zeigen. Das einzige Raster auf dem Feld sind die Grenzen der ausgestanzten Plättchen im doppellagigen Spielplan. Wird ein Plättchen herausgenommen, so befindet sich darunter ein weiteres Bild oder das Plättchen kann gewendet wieder eingesetzt werden. So ergibt sich schon fast die komplette Grundlage des Spiels. Wir bewegen uns gefühlt recht frei über den Spielplan mit Hilfe unserer Holzteile, und immer wenn wir ein Plättchen mit Fragezeichen erreichen, dürfen wir es erkunden. Dann kommt das große gebundene Buch zum Einsatz und zwar mit festem Buchumschlag (Hardcover). Das wirkt super wertig und es wurde mit nur zwei Lesezeichen ein tolles System geschaffen, damit die Spieler immer wissen, was als nächstes getan werden soll. Wie dies getan werden soll, müssen die Spieler herausfinden. So lautet die Aufgabe „Findet einen Weg in die Burg.“ Jetzt müssen sich die Spieler überlegen, ob sie den einsamen Reiter, die Magd, den Bettler befragen oder vielleicht das zerbrochene Wagenrad untersuchen. Das Buch ist auch eine Losspiel-Anleitung wie bei den Legenden von Andor. Dies macht die Einstiegshürde für alle recht niedrig, solange gern gelesen bzw. vorgelesen wird. Gerade die ersten beiden Kapitel, in denen besonders viele Regeln eingeführt werden, fühlen sich fast eher wie ein interaktives Buch als wie ein Spiel an.
Danach treten aber die Spielmechanismen etwas mehr in den Vordergrund, auch wenn weiterhin der Fokus immer auf dem Erzählen der Geschichte liegt. Die Mechanismen haben mir auch gut gefallen. Wie in der bekannten Legende müssen Adlige beraubt werden und Wachen vermieden werden. Guy von Gisborne und der Sheriff von Nottingham sind auch potenzielle Bedrohungen. Alle Kämpfe und Prüfungen werden dabei mit Hilfe von weißen und lila Würfelchen aus einem Beutel entschieden. Nach der Probe werden alle gezogenen Würfel zurück in den Vorrat gelegt. Dies ist ein tolles System, da so mit jeder fehlgeschlagenen Probe die Chance auf eine erfolgreiche Probe steigt. Dies motiviert. Auch das System für die Zugreihenfolge erlaubt ein gutes Maß an Planung und Risiko.
Der Sack bietet einerseits ein tolles simples System für beinahe alles. Spielaufbau, Proben, Bewegung der Wachen, Zugreihenfolge etc. - alles kommt aus dem Sack. Der Nachteil dabei ist, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, das richtige Element im Sack zu erfühlen.
Na, wenn ich jetzt schon angefangen habe mich zu beschweren, kann es damit ja dezent weitergehen. Das interessante Bewegungssystem wird schnell nervig. Wir haben des Öfteren einfach Augenmaß angewendet oder die Figuren ungefähr platziert. Für uns stand immer das Erzählen der Geschichte im Vordergrund. Das Spiel leidet m.E. darunter nicht, aber ich denke eine Spielgruppe sollte sich schnell darauf einigen, ob ihr es ganz genau mit der Bewegung nehmt oder es eben okay ist, einen Millimeter Spielraum zu lassen.
Ein anderer Kritikpunkt war für uns die Geschichte. Die ist nicht schlecht geschrieben, im Gegenteil, aber es ist eben wieder einmal die Geschichte des Robin Hood. Überraschung: Es gibt ein Turnier! Überraschung: Wir überfallen Adlige! Überraschung: Prinz John ist ein Tyrann und wäre gerne Kalif. Da ich und mein Mitspieler beide keine besondere Verbindung zu Robin haben, war die Geschichte für uns kein Antrieb, an eine Partie Robin Hood schnell eine weitere zu hängen. Ich glaube mit einer anderen und neuen Geschichte hätte uns dieses Spiel besser gefallen.
FAZIT: Die Abenteuer des Robin Hood ist ein schönes Abenteuer- und Entdeckungsspiel mit starkem Fokus auf der Geschichte. Die Mechanismen sind gut und innovativ verknüpft. Der Einstieg wird wirklich jedem, der kein Lesemuffel ist, leicht gemacht. Allerdings spielt das Ganze wieder einmal in der bekannten "Robin Hood"-Erzählung.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Zweitmeinung vom 27.04.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten