REZENSION

DAS UNBEWUSSTE

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: Frosted Games
  • Autoren: Laskas, Jonny Pac, Yoma, Antonio Zax
  • Grafik: Andrew Bosley, Vincent Dutrait, Yoma
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 60 bis 120 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: hoch
  • Taktiklevel: 7/10

Kaffee für Träume

Es ist Mittwoch und du sitzt mit Sabina Spielrein und Carl Jung beim Kaffee in Freuds Wohnzimmer. Es ist die Geburt der Psychoanalyse, und ihr werdet durch erfolgreich therapierte Klienten zeigen, dass es dabei um etwas Wichtiges geht.

REGELN

In diesem umfangreichen Spiel müsst ihr eure Ideen wie Arbeiter einsetzen, mit Notizen eure Aktionen verstärken, in Wien lukrative Züge machen und durch eure Erkenntnisse Klienten von Traumata befreien. Um etwas mehr in Mechanismen zu sprechen: Eure Erkenntnisse sind die Rohstoffe, mit welchen ihr die Missionen, hier Träume, erfüllt, welche euch näher an die Heilung eines Klienten bringen.

Das Unbewusste ist sehr komplex, weswegen ich hier einfach den Aufbau überspringe und alles Nötige in der Zugübersicht erkläre.

Unser Ziel ist es, Siegpunkte zu sammeln. Ein guter Weg, diese zu bekommen, ist das Behandeln von Patienten und dafür brauchen wir Erkenntnisse, welche es in drei Farben mit je drei Stufen gibt. 

Um das Ziel zu erreichen, habe ich in meinem Zug drei Optionen, von denen ich eine wählen muss: Ich kann meine Gedanken platzieren, Gedanken sammeln oder Patienten behandeln.

Beim Gedanken platzieren nehme ich mir bis zu zwei meiner am Anfang zur Verfügung stehenden drei Gedanken und platziere diese auf einem freien Feld des Kaffeetischs. Jeder Platz ist von bis zu vier Aktionsfeldern umgeben. Die Spitze der Gedanken lasse ich auf die Aktion zeigen, die ich durchführen möchte. Kein anderer meiner vorher platzierten Gedanken darf auf diese Aktion zeigen. Dann führe ich die Aktion ein- oder zweimal aus.

Diese Aktionen erlauben es mir, für Kaffee neue Notizplättchen zu kaufen, die ich auf meinem Spielertableau platziere. Diese werden später wichtig, aber schon vorweg: sie verstärken meine Boni, die ich später bekomme. Andere Aktionen bringen mir Erkenntnisse auf niedrigster Stufe oder lassen mich Erkenntnisse auf höhere Stufen aufwerten oder sogar die Farbe wechseln.

Andere Aktionen erlauben es, Karten zu ziehen. Diese stellen wissenschaftliche Veröffentlichungen dar. Mit einer weiteren Aktion dürfen diese Karten gespielt werden. Meist gibt es einen sofortigen Bonus, z.B. bestimmte Erkenntnisse oder Kaffee, und ein paar Ortssymbole, die für die Aktionen in Wien wichtig sind. Eine andere Aktion kann mehrere Artikel in Bücher umwandeln, welche einem Punkte bringen. Zitiert jemand anderes meine Bücher, d.h. diese Person verwendet Artikel meiner Bücher, kann diese Person damit eigene Bücher veröffentlichen, aber ich bekomme auch Punkte dafür.

Dann gibt es noch die Aktionen, mit denen ich meine Spielfigur oder Freud durch Wien bewegen darf, und dann wird das erreichte Ortsfeld aktiviert. Hierbei bestimmt entweder die Anzahl von Personen auf dem Ortsfeld oder die Anzahl an Ortssymbolen, die ich in meiner Auslage habe, wie oft ich die Belohnung des Ortsfeldes nutzen darf, dabei stehen immer drei verschiedene Belohnungen an jedem Ort zur Verfügung.

Habe ich meine Aktion komplett ausgeführt, bewege ich mein Tintenfass. Dieses wandert in einem Rundlauf auf meinem Tableau herum. Bleibt es auf einem Feld vor einer Reihe stehen, so erhalte ich alle Belohnungen dieser Reihe. Diese sind einmal aufgedruckt, aber hauptsächlich auf Notizplättchen zu finden. Bleibt das Fläschchen auf dem Feld mit der Reputationsleiste stehen, so bekomme ich die Belohnung über meinen Marker dort und die Belohnung unterhalb von Freuds Marker.

Hat mein Tintenfass eine Runde gedreht, schalte ich einen von drei Extra-Gedanken frei und eine der drei Spalten. Lande ich auf dem Feld für die Spalten, so kann ich eine Spalte und die darin liegenden Notizplättchen aktivieren.

Irgendwann habe ich keine Gedanken mehr und muss wieder meine Gedanken sammeln. Zunächst erhalte ich einen Kaffee für jedes unterschiedliche Feld, das meine Gedanken besetzen. Dann sammle ich die Gedanken wieder ein. Schließlich darf ich einen Orts- oder Bezirksbonus in Anspruch nehmen. Für einen Ortsbonus lege ich einen Marker dieses Bezirks auf ein Feld des Ortes, an dem ich mich befinde bzw. an dem Freud steht. So erhalte ich den abgedeckten Bonus. Für einen Bezirksbonus brauche ich ausreichend Symbole aus diesem Bezirk und muss genug Notizplättchen gesammelt haben, um eine Erkenntnis meiner Farbe zu haben, die dort abgelegt wird. Dann bekomme ich auch den Bonus, der auf dem abgedeckten Feld zu sehen ist.

Die dritte Option ist es, Patienten zu therapieren. Ich kann bei jedem meiner maximal zwei Patienten den obersten Traum analysieren. Dafür bezahle ich Erkenntnisse, die auf dem Traum zu sehen sind, und bekomme dafür meist Therapieherzen, die den Klienten Richtung Genesung bringen, und andere Belohnungen. Erreicht ein Klient das Feld mit dem goldenen Herzen, so erreicht dieser Katharsis. Bei der Katharsis wird das Trauma, welches mit jedem Klienten kommt, entfernt. Dies bringt zum einen Belohnungen und schaltet auch den Vorteil des Klienten frei. Blaue Klienten bringen permanente Vorteile, rote Klienten bringen Punkte am Ende des Spiels. Erreicht der Klient das Ende seiner Therapieleiste, so gibt einem dieser sofort Siegpunkte und wird aus dem Behandlungszimmer entfernt; Klient samt Vorteil bleiben einem aber erhalten.

Am Ende meines Zuges kann ich, egal welche Option ich wähle, noch gespeicherte Herzen nutzen, um Klienten zu behandeln. Danach fülle ich mein Behandlungszimmer wieder auf, wenn es freie Plätze gibt. Patienten und der manifestierte Traum werden aus der Auslage gewählt, während der latente Traum zufällig gezogen wird. Jetzt muss ich warten, bis ich wieder an der Reihe bin.

Das Spiel endet, wenn Freuds Marker das Ende der Reputationsleiste erreicht hat. Jedes Mal, wenn jemand Reputation erhält, wird Freuds Marker und der eigene Marker um ein Feld vorgerückt. Sobald alle zusammen 9 Reputation gesammelt haben, wird das Ende des Spiels ausgelöst.

Reputation gibt es für das Füllen des Spielertableaus mit Notizplättchen, das Beanspruchen des ersten Orts- oder Bezirksbonus in einem Bezirk und für Errungenschaften. Es gibt 7 Errungenschaften, die ich mir nehmen darf, wenn ich die entsprechenden Bedingungen erfüllt habe, z.B. wenn ich die drei Extra-Gedanken freigeschaltet oder drei blaue Patienten geheilt habe etc. Jede Errungenschaft gibt es nur einmal - wer zuerst kommt, mahlt zuerst.


Nach dem Spielende gibt es noch Punkte für die Position auf der Reputationsleiste, für Klienten und Bücher, wenn ich auf der Reputationsleiste ganz vorne stehe, für gefüllte Reihen auf meinem Tableau, für markierte Bezirksboni, für rote Klienten ohne Trauma, für Ortssymbole und übrige Herzen, Kaffee und Geistesblitze. Wer die meisten Punkte besitzt, hätte zu den Treffen der Mittwoch-Gesellschaft sicherlich mehr als nur guten Kaffee beigesteuert.

Hinweis: Das Spiel kann auch solo gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO 

  • ungewöhnliches Thema 
  • schöne Gestaltung 
  • belohnendes Spielgefühl


CONTRA

  • recht lange Wartezeiten 
  • Bücher unnötig 

MEINUNG

Freud ist der Vater der Psychoanalyse und hat vermutlich viele Formen der Therapie, die wir heutzutage anwenden, erst ermöglicht. Somit sind die Treffen der psychologischen Mittwoch-Gesellschaft tatsächlich ein historisch wichtiges Ereignis und ein außergewöhnliches Thema. In Das Unbewusste geht es nicht um technische Erfindungen, nicht um das Aufbauen von Städten oder den Handel von Gütern, es geht um Erkenntnisgewinn und die Behandlung von Klienten mit Traumata.

Übersetzt wurde dies in ein umfangreiches Spiel, dessen Kern als Personaleinsatzspiel bezeichnet werden kann, obwohl es gar kein Personal gibt, sondern Gedanken.

Die Gestaltung von Das Unbewusste passt sehr zu diesem Thema. Nicht nur sehen die Gestaltung unserer Kaffeetafel, der Stadt Wien und der Spielertableaus gut aus, alles ist auch noch voller hilfreicher Symbole, die einem dabei helfen, die vielen Regel zu behalten, die uns Das Unbewusste auftischt.

Besonders auffällig ist, dass die Träume mit ihren surrealen Bildern nicht von der gleichen Person gestaltet wurden, die auch den Spielplan erdacht hat. Dadurch haben Vincent Dutrait und Andrew Bosley eine deutliche Trennung zwischen diesen beiden Welten geschaffen, die aber harmonisch ins Spielmaterial passt.

Auch sonst ist das Spielermaterial von hoher Qualität und alles ist gut durchdacht. Hier wurde alles getan, damit dieses komplexe Spiel haptisch, optisch und funktional ansprechend ist. Trotzdem rate ich euch als erklärende Person, den Spickzettel mit der Zugübersicht, dem Spielaufbau und dem Spielende, den es auf der Webseite BoardGameGeek zum Download gibt, auszudrucken. Dieser ist beim Erklären und bei der Endwertung sehr nützlich. Das Unbewusste ist wirklich umfangreich, darum werdet ihr bei der Erklärung ein bisschen Hilfe gebrauchen können, wenn auch nur als Leitfaden.

Für die umfangreichen Regeln werdet ihr aber auch umfangreich belohnt. Alle Aktionen bringen euch etwas, und sie bringen euch immer dem nächsten Ziel näher, was meist das Behandeln von Klienten darstellt. Behandlungen sind besonders belohnend, denn wenn ich die richtigen Erkenntnisse gesammelt habe, kann ich gleich zwei Patienten behandeln, was Belohnung durch die Träume, vielleicht durch bewältigte Traumata und austherapierte Klienten bedeutet. Noch schlauer fühle ich mich, wenn ich Belohnungen von einem Traum für die Analyse des anderen benutzen kann.

Dies ist aus meiner Sicht der spannendste Teil von Das Unbewusste, also das kluge Lösen des Puzzels um die zu analysierenden Träume. Dabei muss ich versuchen, verschiedene Aktionen so zu koordinieren, dass ich effizient meine Erkenntnisse sammle, denn Das Unbewusste ist auch ein bisschen ein Rennen. Das Spiel endet, wenn alle zusammen 9 Reputation gesammelt haben, darum sollte ich schauen, dass ich das schnell tue. Allerdings bringt das Behandeln von Klienten mehr Punkte, als die Reputation normalerweise liefert. Drei von sieben Errungenschaften, welche besagte Reputation bringen, beschäftigen sich mit Klienten. Somit ist das Behandeln von Patienten immer der Hauptfokus. 

Die Ortsaktionen in Wien und die Anschaffung neuer Notizplättchen sind dabei Zulieferer für die richtigen Erkenntnisse. Die Karten, welche wissenschaftliche Publikationen repräsentieren, die dann zu Werkreihen umgewandelt werden können, wirken im Vergleich dazu insgesamt schwach. Aus meiner Sicht hätten diese einfach weggelassen werden können. Beim umfangreichen Regelwerk wäre dies sogar wünschenswert gewesen. In den meisten Runden hatten die Werkreihen wenig bis keinen Einfluss, und eine funktionierende Strategie mit Fokus auf Werkreihen konnte ich nicht finden.

Durch die gegebenen Möglichkeiten dauern Züge teilweise schon lang genug. Wer gut spielt und zwei Träume in einem Zug analysiert, der wird etwas länger brauchen. Belohnung für Traum 1, Belohnung für Trauma oder Klient 1, Belohnung für Traum 2, Belohnung für Trauma oder Klient 2, und dann müssen fehlenden Klienten noch aufgefüllt werden, wobei Klienten und einer von zwei Träumen bewusst gewählt werden. Es hat sich sogar einer meiner Mitspieler entschuldigt, weil er in zwei aufeinanderfolgenden Zügen Klienten behandelt hat. Ein Vorteil ist, dass durchs Erreichen von 9 Reputation von allen zusammen das Spielende ausgelöst wird. Als Resultat bedeutet das, dass nicht eine feste Zeit pro Spieler hinzukommt, sondern der Anstieg der Spielzeit bei 4 statt 3 Personen kleiner ist, als bei 3 statt 2 Personen. Allerdings brauchte ich mit 2 Personen auch schon gut 120 Minuten, was laut Schachtel eher der obere Bereich der Spielzeit sein sollte.

Trotzdem hatte ich immer wieder Lust, Das Unbewusste zu spielen. Der Wiederspielreiz kommt unter anderen durch die Fähigkeiten der Klienten. Das Behandeln von Klienten schaltet Fähigkeiten frei, und diese können starke Vorteile sein oder viele Siegpunkte bringen. Die Auswahl ist dabei offen, und normalerweise lässt sich immer etwas Gutes finden. Ich hatte bisher nur eine Partie, in der nichts zueinander passen wollte. Ich probiere besonders gerne aus, wie ich unterschiedliche Fähigkeiten optimal nutzen kann, z.B. dass die niedrigsten Erkenntnisse bei mir immer die Farbe wechseln dürfen oder dass ich auf der Reputationsleiste Freuds Belohnung zweimal erhalte. Hier kommt wieder eine interessante Dimension in das Puzzle, wie ich meine Patienten besonders schnell behandle.

Es ist auch toll, dass die Klienten alle Zeitgenossen von Freud sind, deren Namen sich auf der Spielerhilfe finden.

FAZIT: Das Unbewusste bietet interessante Aktionen und verlangt von euch, eure Effizienz beim Behandeln eurer Patienten zu optimieren, was ein interessante Herausforderung darstellt. Die vielen Optionen und Regeln verlangen aber von euch auch, dass ihr ordentlich Zeit in das Spiel investiert.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 05.01.2025

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Frosted Games
Weitere Fotos: Spielkultisten