REZENSION
CTHULHU DEATH MAY DIE
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2019
- Verlag: CMON / im Vertrieb von Asmodee
- Autoren: Rob Daviau, Eric M. Lang
- Grafik: Nicolas Fructus, Karl Kopinski, Thierry Masson, Edgar Skomorowski, Adrian Smith, Richard Wright
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 90 - 120 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 6/10
Kann der Tod sterben?
„Pssst, was war das? Hast du das auch gehört?“, flüsterte ich in die Dunkelheit. „Was meinst du? Bleib cool, nicht abdrehen, okay?“, erwiderte mein Begleiter angespannt, nur um Sekunden später ein gedehntes, verzweifeltes „Aaaaaaaaaahhhhhhhhhh!“ von sich zu geben. Im Dunkel tappte ich vorsichtig weiter, von meinem Begleiter fehlte jede Spur. Jetzt war ich ganz allein …
REGELN
Bei Death May Die (DMD) wählen wir zunächst aus einem großen Sammelsurium von Ermittlern eine Person aus, mit der wir Übel und Wahnsinn entgegentreten wollen, 1 bis 4 Spieler*innen können dabei kooperativ den Versuch unternehmen, dem Tod in Personifikation eines Großen Alten die Stirn zu bieten.
Zugablauf
Reihum werden in einer Partie DMD die Ermittler aktiviert, um das Ritual der bösen Kultisten aufzuhalten und einem der beiden Großen Alten den Garaus zu machen. Dabei folgt mein eigener Zug (ebenso der meiner Mitspieler*innen) immer dem gleichen, schnell verinnerlichten Ablauf, der wie folgt aussieht:
1. Drei Aktionen ausführen – lauf, Ermittler, lauf
Bin ich an der Reihe, darf ich mit meiner Figur drei beliebige Aktionen aus einem Pool von insgesamt fünf möglichen Aktionen ausführen, dabei darf ich eine Aktion auch mehrmals nutzen. So kann ich mich in der Regel beispielsweise um bis zu 3 Felder weit bewegen, ich kann ausruhen, um Stress und Wunden zu heilen oder ich greife einen Gegner auf meinem Feld an. Unterschiedliche Bedingungen sowie individuelle Fähigkeiten der Ermittlerfiguren können dazu führen, dass diese Grundregeln Veränderungen erfahren, sodass mancher Ermittler auch 4 Felder laufen kann oder Gegner in angrenzenden Feldern angreifen darf.
2. Mythoskarte ziehen – oft kein Zuckerschlecken
Habe ich meine Aktionen ausgeführt, folgt die Phase Mythoskarte ziehen, die dafür sorgt, dass noch mehr Unholde den Spielplan „besiedeln“ und uns in die Enge treiben. Sollte auf der gezogenen Karte zudem ein Beschwörungssymbol des Großen Alten erscheinen, bleibt dieses offen liegen, denn sobald drei dieser Symbole aufgedeckt wurden, zieht eben jener auf seiner eigenen Leiste ein Feld weiter. Dies soll das fortschreitende Ritual darstellen, das wir, wie bereits erwähnt, um jeden Preis aufhalten wollen, da wir nur so eine Chance haben, den Großen Alten zu besiegen und das Spiel zu gewinnen.
3. Ermitteln oder kämpfen – ersteres empfiehlt sich mehr, ist aber nicht immer möglich
Sollte ich nach Phase 2 auf einem sicheren Feld stehen (d.h., falls keine gegnerische Figur auf meinem Feld steht), darf ich ermitteln, was bedeutet, dass ich eine Entdeckungskarte ziehe. Dies bedeutet zumeist Unterstützung in Form von Begleitern oder Gegenständen, die mir das (Über-)Leben leichter machen. Manche Szenarien (keine Sorge, kein Spoiler) halten aber auch hier die eine oder andere nicht ganz so erfreuliche Überraschung bereit. Falls allerdings mindestens ein Gegner auf meinem Feld steht, greift er mich (inkl. möglicher weiterer Gegner auf dem Feld) an – und glaubt mir, diese Situation will man solange wie möglich vermeiden, denn das kann manchmal ganz schön bitter werden. Nicht nur kann meine physische Befindlichkeit leiden, sondern muss ich stets damit rechnen, dass meine geistige Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen wird. Geschieht dies, so kann es passieren, dass ich Schwellen zum Wahnsinn überschreite. Je mehr davon ich durchlaufe, desto mehr gerät mein Seelenheil in Schieflage, im schlimmsten Fall bringt mich der Wahnsinn um. Der Clou allerdings: Je irrer ich werde, desto überzeugter wird mein Charakter, dem Bösen endlich Einhalt gebieten zu können, was wiederum durch das Aufleveln unterschiedlicher Fähigkeiten dargestellt wird.
4. Ende des Zuges – Vorsicht vor dem Großen Alten!
Als letztes werden Effekte ausgelöst, die das Zug-Ende betreffen, danach muss ich überprüfen, ob ich beim Durchschreiten brennender Räume Feuer gefangen habe und mich folglich verletzt habe (Kultisten neigen dazu, Dinge gerne in Brand zu stecken) und der Mythos-Ablagestapel wird auf Beschwörungssymbole überprüft. Sollten sich unter den aufgedeckten Karten nun nämlich drei derlei Symbole befinden, rückt der Große Alte ein Schritt vor, schlimmer noch, sollte er das erste rote Feld auf seiner Leiste erreichen, wird er von den Kultisten erfolgreich beschworen und tritt in unsere Welt, ergo aufs Spielbrett. Zuletzt werden mögliche Effekte des Großen Alten am Zug-Ende ausgeführt. Glückwunsch, solltet ihr bis hierhin überlebt haben, seid euch gewiss, das bleibt sicher kein Dauerzustand.
Die Ermittler*innen stehen nämlich immer vor folgender Herausforderung: Um das Spiel zu gewinnen, muss der Große Alte besiegt werden; wir können ihn aber erst angreifen, wenn wir das Ritual unterbrochen haben, welches in jedem der 6 Szenarien der Grundbox auf unterschiedliche Art und Weise geschieht. So kann es passieren, dass wir das Ritual noch nicht unterbrochen haben, der Große Alte aber bereits beschworen worden ist. In dem Fall heißt das leider, dass zwar er uns angreifen kann, wir ihm aber absolut nichts entgegenzusetzen haben. Wir merken uns also: so zügig wie möglich das Ritual unterbrechen, denn dann wird der Große Alte sofort in unsere Welt geholt (wenn das nicht bereits geschehen ist) und – das Wichtigste – er ist von nun an angreifbar. Dann heißt es „drauf auf den fiesen Möpp, rettet die Welt“ (vorerst)!
Würfel und Proben – Grundbaustein der Jagd, der Flucht und des Versagens
DMD ist ein klassischer Dungeon Crawler, gepackt in den Ameritrash-Mantel, d.h. wir können uns auf atmosphärische und cineastisch anmutende Momente einstellen und vor allem auf frustrierende emotionalisierende Würfelergebnisse gefasst machen. Im Klartext heißt das, dass ich Proben ablegen muss, wenn ich beispielsweise eine gegnerische Figur angreifen will, ich überprüfen muss, ob ich beim Durchlaufen in Flammen stehender Räume selbst „Feuer gefangen“ habe oder die eine oder andere Episodenaktion auszuführen gedenke. In diesem Kontext hat man im Laufe der Partie die Möglichkeit die Fähigkeiten der Held*innen zu verbessern, sodass man irgendwann z.B. mehr Würfel oder misslungene erneut werfen darf.
Das Finale – oder: wie man dem Großen Alten den Garaus machen kann
Sobald der Große Alte angegriffen werden darf, gilt es, mit allem, was man zur Verfügung hat, diesen zu besiegen. Das Problem dabei ist, dass man hierfür mehrere Stufen, wenn man so will Level, des Fieslings überstehen muss. Das zweite Problem: Der Große Alte speist seine Kraft aus allen bereits besiegten Stufen, sodass wir unserem Ziel zwar mit jeder hinter uns gelassenen Stufe näher kommen, das Ungeheuer jedoch gleichzeitig immer stärker wird. Wir gewinnen als Team, sobald wir die letzte Stufe besiegt haben, wir verlieren gemeinsam, wenn entweder ein Ermittler vor der Beschwörung des Großen Alten getötet wurde, alle Ermittler getötet werden oder aber das letzte Feld der Beschwörungsleiste erreicht wurde.
GALERIE
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CHECKPOINT
STAFFEL 1 - GRUNDSPIEL
PRO
- leichter Einstieg
- Charaktere spielen sich unterschiedlich
- je mehr Ermittler, desto taktischer
- Themen der Missionen liefern Varianz
- als One Shots funktionieren Missionen hervorragend
- tolle Atmosphäre
CONTRA
- Wiederspielreiz hält sich in Grenzen
- die Großen Alten sind auf Dauer berechenbar
- eine Kampagne mit Charakterentwicklung, eine fortlaufende Geschichte wäre wünschenswert gewesen
MEINUNG ZUM GRUNDSPIEL
Der Tod begleitet uns, der Tod verfolgt uns und irgendwann wird er uns unweigerlich erwischen – wenn ihm nicht der Wahnsinn zuvorgekommen sein und uns bereits zugrunde gerichtet haben sollte. Uns hat DMD fast vollumfänglich überzeugt, auch wenn ein paar kleine Wermutstropfen dem Tod letzten Endes seinen absoluten Schrecken nehmen. Aber der Reihe nach …
Dichte Atmosphäre und Geschichten zum Erinnern
Herrje, was haben wir in unseren Partien cineastische Momente erlebt. So ist mir bis heute meine selbstlose Heldentat in Erinnerung geblieben, als ich mit letzter Kraft eine Granate gegen den Großen Alten schmetterte, um ihn zu besiegen. Du fragst, warum selbstlos? Nun ja, ich, also eigentlich mein Held, stand mit im Raum und… nun ja, hat sich halt fürs Team opfern müssen. Wer in derlei Welten abtauchen kann, der wird mit DMD seine helle Freude haben, denn die einzelnen Missionen wissen insgesamt eine fesselnde Atmosphäre zu schaffen, die einen die jeweilige Geschichte aus Sicht der Protagonist*innen immersiv erleben lässt.
Leichter Einstieg und eine enorme Varianz an Charaktereigenschaften
Überhaupt kann man die Varianz der Charaktere herausstellen, spielen diese sich nämlich in der Tat ganz unterschiedlich. Zwar gibt es immer wieder Überschneidungen einzelner Fähigkeiten, aber da jede Figur ihre ganz eigenen Eigenschaften mitbringt, erhält man eine Fülle an Fähigkeiten und Vorgehensweisen, die im Spielverlauf recht unterschiedliche Taktiken verlangen.
Was jetzt möglicherweise nach komplexen Inhalten klingt, ist es in der Praxis nicht wirklich, denn die Regeln sind recht übersichtlich, der eigene Zug dürfte nach wenigen Runden verinnerlicht sein und auch die Fähigkeiten des eigenen Charakters werden erst im Laufe einer Partie mehr, sodass man keine Angst vor Überforderung haben muss – diese bringt der Große Alte schon noch, keine Sorge.
Klasse One Shots, leider keine wirkliche Serie
Während wir es in den einzelnen Missionen final immer mit einem Großen Alten zu tun bekommen, unterscheiden sich die einzelnen Missionsziele in Form von zu erfüllenden Episodenaktionen auf erfrischende Art und Weise: ohne an dieser Stelle allzu groß zu spoilern, sei darauf hingewiesen, dass die einzelnen Episoden hier tatsächlich durch thematische Dichte und mechanisch sinnvolle Verzahnung der erzählten Geschichte punkten.
Was uns leider fehlt, ist eine übergeordnete in sich konsistente Geschichte, die sich zudem spielerisch niederschlägt, etwa in Form einer Kampagne. Denn so bleibt das Gefühl, dass die einzelnen Episoden einen zwar stark in ihren Bann ziehen, man aber keinerlei Entwicklung der Charaktere oder eine übergeordnete Hauptgeschichte erlebt, die einen wie eine gelungene Netflix-Serie nicht mehr loslässt. Hier wäre meines Erachtens noch viel mehr Potenzial gewesen.
Wenn Große Alte ihren Schrecken verlieren und man Staffel 1 einmal gesehen hat
Große Alte sind furchteinflößend, sie jagen uns noch in unseren Träumen Angst ein. Doch wenn wir sie einmal durchschaut haben, verlieren sie viel von ihrem Schrecken und werden zu einem großen, alten und vor allem offenen Buch, das – einmal gelesen – im Regal verstauben darf. Die Tatsache, dass die Großen Alten sich nach dem immer gleichen Muster verhalten, lässt sie in der Tat recht schnell ihren geheimnisvollen Schrecken einbüßen. So ist es uns passiert, dass wir nach einigen Episoden eben nicht mehr die eigentlich so geniale Atmosphäre des Spiels erlebten, sondern vielmehr alle Stufenkarten nacheinander abhandelten (oder eben nicht, wenn es uns vorher erwischt hat), würfelten und dem Großen Alten "Gute Nacht" wünschten.
Und so müssen die eigentlichen Episodeninhalte ihre ganze Stärke aufweisen, um für Langzeitmotivation zu sorgen, was ihnen jedoch auf Dauer auch nicht so recht gelingen mag. Zwar kann man immer wieder verschiedene Kombinationen von Ermittlern ausprobieren (kleine Randnotiz: ich würde immer empfehlen mit vier Ermittlern zu spielen, da sich dadurch die Fähigkeiten der einzelnen Held*innen effektiv verknüpfen lassen), aber auch dieses Vorgehen ermüdet irgendwann vor dem Hintergrund der genannten „Abnutzungserscheinungen“.
Nachdem wir also Staffel 1 abgeschlossen hatten, freuten wir uns auf die zweite Staffel, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, die Missionen der ersten vorerst nochmal zu spielen.
STAFFEL 1 - GRUNDSPIEL
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10
CTHULHU DEATH MAY DIE: STAFFEL 2 - ERWEITERUNG
- Genre: Strategiespiel-Erweiterung
- Jahr: 2020
- Verlag: CMON / im Vertrieb von Asmodee
- Autoren: Rob Daviau, Eric M. Lang
- Grafik: Nicolas Fructus, Karl Kopinski, Edgar Skomorowski, Adrian Smith, Richard Wright
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 90 - 120 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 6/10
Staffel 2: More of the same?
Die zweite Staffel-Erweiterung bietet weitere Held*innen und Monster und ist folglich irgendwie mehr vom Gleichen. Im Hinblick auf die Stärken des Spiels sehe ich diesen Umstand aber tatsächlich als Gewinn an, denn mehr Held*innen bedeuten mehr Varianz und mehr Episoden bedeuten mehr spannende Einzelmissionen. Diesbezüglich sind wir dann auch nicht enttäuscht worden, denn Staffel 2 setzt nahtlos an die positiven Aspekte des Grundspiels an, die einzelnen Missionen verlangen erneut unterschiedliche Herangehensweisen und Taktiken und die Masse an Held*innen verspricht eine gewisse Varianz (zudem ist Staffel 2 komplett mit der Grundbox kompatibel). Leider werden jedoch ebenso die von mir negativ erlebten Punkte des Grundspiels fortgeführt, sodass etwa der Große Alte das bleibt, was er vorher bereits war, nämlich ein unheimlicher Schrecken mit unausweichlichem Verfallsdatum.
CHECKPOINT
STAFFEL 2 - ERWEITERUNG
PRO
- mehr Ermittler
- mehr Missionen
- vollständig mit Grundbox kompatibel
CONTRA
- die Großen Alten bleiben berechenbar
- letztlich mehr vom Gleichen
MEINUNG ZUR ERWEITERUNG
Ein Geräusch. Noch eins. „Elizabeth, bist du das? Hallo, ist da jemand?“, flüsterte ich erneut in die Dunkelheit. Dann wieder ein Geräusch, ein Flüstern. Es sollten die letzten Geräusche gewesen sein, die ich wahrnehmen durfte. Ein letzter, absurder Gedanke durchfuhr mich: Kann der Tod sterben? Dann Stille…
Ich mag DMD sehr gerne, die Atmosphäre, die einzelnen Missionen, die Bandbreite an Fähigkeiten machen es in meinen Augen zu einem gelungenen Vertreter seiner Zunft. Wer auf das Erleben von Geschichten steht, wer auch nach Wochen noch gerne von dieser einen Situation berichtet, in der man der Niederlage so denkbar knapp entronnen ist, und wer bisweilen auf das Schicksal in Würfelform vertraut, dem kann ich DMD nur empfehlen.
Wer DMD allerdings jede Woche auf den Tisch bringen möchte, der könnte eventuell recht zügig ermüdet sein, weil der Wiederspielreiz sich letztlich in Grenzen hält und vor allem die Berechenbarkeit des Großen Alten nicht dazu beiträgt, das Gefühl, das man während der ersten Gehversuche im Besiegen eben jener Kreaturen hatte, dauerhaft und spannend aufrechtzuerhalten. Abwechslung und Motivation bieten hierfür die weiteren Ermittler der zweiten Staffel, neue zu entdeckende Monster und sechs weitere Missionen – leider sind diese aber ebenso irgendwann ausgereizt und zu Ende gespielt.
Aber wer weiß, solange der Tod nicht stirbt, gibt es ja vielleicht Hoffnung auf weitere, (optimierte) Abenteuer von DMD …
STAFFEL 2 - ERWEITERUNG
KULTFAKTOR: 7/10
EUER REZENSENT
DÄN
Gelegentlicher Vielspieler, Sportfan, Straßenphilosoph, Leseratte
Eine Rezension vom 05.05.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: CMON / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten