REZENSION
CAPTAIN FLIP
- Genre: Familienspiel
- Jahr: 2024
- Verlag: PlayPunk, im Vertrieb von Asmodee
- Autoren: Remo Conzadori, Paolo Mori
- Grafik: Jonathan Aucomte
- Spieler: 2 bis 5
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 20 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 6/10
... und es hat Bumm gemacht!
Ahoi, Piraten, euer Schiff ist bereit! Was jedoch fehlt, ist eine Crew! Und die wird im Spiel Plättchen für Plättchen an Bord geholt, allerdings stellt sich die Frage, ob der Ausguck am tiefsten Punkt des Schiffes wirklich seine Zwecke erfüllt?! Dann wären da auch noch die Affen, die die Mannschaft ordentlich durcheinander wirbeln, und wenn wir uns, aus reiner Gold-Gier, zu viele Kanonierinnen an Deck holen, besteht die Gefahr einer unbedachten Havarie ...
REGELN
Nehmt euch jeweils eine eigene identische Abenteuertafel, vier verschiedene (A bis D) stehen da zur Auswahl. Legt die Münzen und die Schatzkarte bereit. Füllt die doppelseitig bedruckten Crew-Plättchen in den Stoffbeutel. Wer die Piratenflagge auf seinem Tableau vorfindet, beginnt.
Bist du am Zug, ziehst du ein zufälliges Plättchen aus dem Beutel und legst es vor dich, ohne die Rückseite anzusehen. Das Plättchen zeigt ein Crew-Mitglied samt individueller Funktion (Soforteffekt in gelb und / oder Spielende-Effekt in blau). Entscheidest du dich dafür, den Charakter in deine Crew zu holen, legst du das Plättchen auf das unterste frei Feld in einer der fünf Spalten des Schiffes auf deinem Tableau.
Bist du vom gezogenen Charakter weniger angetan, kannst du das Plättchen alternativ auf die Rückseite drehen ("flippen"), ohne vorher zu wissen, was auf der Rückseite zu sehen ist. Entscheidest du dich dazu, das Plättchen zu drehen, musst du mit dem nun sichtbaren Charakter leben, heißt, ihn mit seinen Effekten auf deine Tafel (wie oben beschrieben) einbauen, du kannst dich im Nachhinein nicht umentscheiden.
Folgende Charaktere sind auf den Plättchen zu finden:
- Der Kartograf bringt dir die Schatzkarte. Lege sie neben dein Tableau. Solange du die Schatzkarte besitzt, liefert sie dir immer am Ende deines Zuges 1 Münze.
- Die Navigatorin bringt dir sofort 2 Münzen pro bereits vorhandenem Kartografen in deiner Crew.
- Der Smutje liefert dir sofort 1 Münze pro Plättchen in der Reihe, in der er platziert wird (inkl. dem Smutje selbst).
- Die Kanonierin liefert dir sofort 5 Münzen. Aber Achtung: Hast du am Spielende drei oder mehr Kanonierinnen an Bord, macht es Bumm, und dein Schiff ist versenkt. Das bedeutet, dass du das Spiel dann verloren hast.
- Der Affe bringt dir sofort 1 Münze. Legst du ihn waagrecht oder senkrecht angrenzend an mindestens ein anderes Plättchen an, musst du eines der Nachbarplättchen auf die Rückseite drehen, inklusive dem nun sichtbaren Effekt. Der Affe bietet somit die einzige Möglichkeit, doch noch im Nachhinein ein Plättchen zu drehen (bzw. es erneut zu drehen).
- Der Papagei lässt dich sofort ein weiteres Plättchen aus dem Beutel ziehen und es auf deine Tafel legen. Am Spielende musst du pro Papagei 1 Münze abgeben.
- Die Matrosen liefern dir am Spielende 1 / 4 / 9 / 16 / 25 Münzen für Matrosen in 1 / 2 / 3 / 4 / 5 Spalten deines Tableaus.
- Die Zimmerin liefert dir am Spielende 3 Münzen, wenn in derselben Reihe und Spalte keine Kanonierin platziert wurde.
- Der Ausguck bringt dir am Spielende 4 Münzen, wenn in dieser Spalte kein Plättchen darüber platziert wurde, der Ausguck also das oberste Plättchen dieser Spalte darstellt, wobei sich über dem Ausguck durchaus noch freie Felder befinden dürfen.
Wird ein Plättchen auf das oberste Feld einer Spalte gelegt, liefert dir die Spalte ggf. einen Soforteffekt, den du an einer gelben Markierung erkennst. Das können direkt Münzen sein, teils auch in Abhängigkeit platzierter Plättchenarten; das können auch Wettrennen-Elemente sein, bei denen der Erste (mit einer einzigen Ausnahme) mehr Münzen erhält, als alle folgenden Personen; das kann aber auch die Schatzkarte sein.
Nach dem Ziehen und Platzieren wird der Beutel an die nächste Person weitergegeben. So wird nun reihum gespielt, bis jemand am Ende des Spielzuges mindestens 4 der 5 Spalten auf dem eigenen Tableau komplett mit Plättchen gefüllt hat. Die laufende Runde wird nun noch zu Ende gespielt, dann werden bei der Schlusswertung die blauen Crew-Effekte ausgelöst. Achtung, nochmal zur Erinnerung: Wer jetzt drei oder mehr Kanonierinnen auf seiner Tafel liegen hat, verliert! Wer ansonsten insgesamt die größte Beute gemacht hat, also den höchsten Wert an Münzen vorweisen kann, trägt den Sieg davon.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- superschnell erklärt, ebenso flott gespielt
- schöner Flip-Mechanismus
- beinhaltet auch taktische Entscheidungen
- sorgt für wunderbare Emotionen am Tisch
- verschiedene Abenteuertafeln sorgen für Abwechslung
CONTRA
- manchmal kann einem wiederholtes Pech beim Ziehen einen Strich durch die Rechnung machen
MEINUNG
Wenn ich Geeks frage, welche Bedeutung die Spiel des Jahres-Jury eigentlich für sie hat, dann bekomme ich oft zu hören, dass deren Entscheidungen komplett vom eigenen Geschmack abweichen. Für Familien bzw. Gelegenheitsspieler mit weniger Spielerfahrung hingegen können die Tipps der Jury Gold wert sein, und bei Captain Flip trifft das sogar auch auf mich als Vielspieler zu, denn das Spiel hatte ich vor der Nominierung zum Spiel des Jahres 2024 noch gar nicht auf meinem Radar.
Also, schnell die Wissenslücke ausgebügelt, indem das Spiel sofort auf dem Tisch landete. Definitiv eine gute Entscheidung. Die Zielgruppe für Captain Flip steht direkt fest: Das ist ein ideales Familienspiel! Die Regeln sind äußerst simpel, die versteht jeder sofort. Plättchen ziehen und legen, die Funktion des Charakters nutzen - das war es dann im Grunde auch schon. Neun verschiedene Charaktere sorgen da für die nötige Abwechslung, und keine Sorge: Niemand muss sich direkt alle Eigenschaften merken, denn dafür gibt es die äußerst praktischen Spielhilfen. Die Illustrationen sind herzig, das Material ist hochwertig, einzig die Tableaus sind aus rechter dünner Pappe, aber damit lässt es sich, bei entsprechender Vorsicht, gut leben.
Auf den ersten Blick mag das Spiel fast schon banal wirken, der Glücksfaktor scheint sehr hoch zu sein, wenn ich ein Plättchen blind aus dem Beutel ziehe. Ja, es gibt Partien in denen ich direkt punkteträchtig ins Spiel starte, und es gibt auch Partien, in denen anfangs zunächst nichts so richtig zusammenpassen will. Der entscheidende Kniff: Ich kann ein gerade gezogenes Plättchen dann auch einfach drehen, wenn ich der Meinung bin, dass mir die ursprüngliche Seite nicht zusagt. Von der Drehung werde ich besonders dann Gebrauch machen, wenn mir die andere Seite keinerlei positiven Effekt beschert. Und da setzt dann schon der Thrill ein. Nicht immer ist es besser, mir statt gar keinem Effekt, den Effekt der Rückseite aufs Tableau zu holen. Klar, im Idealfall sehe ich da ein Crewmitglied, das perfekt in meine Sammlung passt und für das dann auch noch ein Plätzchen frei ist, auf dem es mir besonders viele Münzen beschert. Da sind dann auch taktische Überlegungen beim Platzieren nötig, denn manche Plättchenarten beziehen sich auf benachbarte Plättchen oder andere Plättchen in derselben Reihe und / oder Spalte.
So richtig fies können die Kanonierinnen sein. Die bringen mir beim Legen fette Beute, eigentlich möchte ich sie also in meine Crew holen. Und doch ist das immer auch ein Spiel mit dem Feuer, denn wenn die dritte Kanonierin an Bord gelangt, droht mir am Spielende ein lauter Knall. Ja, wer hätte denn ernsthaft gedacht, dass die Kanonierinnen einfach die Kanonen abfeuern und dann das eigene Schiff treffen? Oh, so ein Untergang ist kein schönes Ende ... doch glücklicherweise ist das Schicksal während des Spiels noch nicht besiegelt, denn mit den Affen kann ich auch bereits gelegte angrenzende Plättchen nochmal umdrehen, natürlich auch wieder mit dem Risiko verbunden, mir etwas anderes Schlechtes einzufangen. Aber vielleicht ist ja auch das Glück auf meiner Seite? Vielleicht kenne ich sogar die Unterseite eines Plättchens aus einer früheren Drehung? Da kommt dann ab und zu sogar ein kleiner Memo-Aspekt mit ins Spiel. Und überhaupt habe ich durch die Affen die Möglichkeit, an manchen Stellen doppelt abzukassieren, denn beim Flippen wird ja auch der Effekt des gedrehten Plättchens ausgeführt.
Direkte Interaktion zwischen den Beteiligten ist dagegen nicht vorhanden. Ja, es gibt da das Gerangel um die Schatzkarte, es gibt, je nach Tafel, auch Wettrennen-Elemente; irgendwie ist ja sogar das ganze Spiel ein Wettrennen, denn wer die vier Spalten gefüllt hat, beendet die Partie, und das kann mit Papageien und den damit verbundenen Extra-Plättchen schneller gehen, als es sich die Konkurrenz manchmal wünschen würde. Eine zusätzliche konfrontative Interaktion benötige ich da bei diesem Spiel auch gar nicht.
Captain Flip erzeugt am Tisch ganz wunderbare Emotionen, wenn sich alle beteiligten Personen auf das Spielkonzept einlassen und es so richtig ausleben. Da sind Glücks- und Ärgermomente immer ganz nah beisammen. Mal feiert man den eigenen Triumph, mal wird man das Opfer gellender Schadenfreude der Kontrahenten, wenn sich die eigene Crew in ungewollter Sabotage übt ... Das alles passiert hier auf eine super-sympathische Art und Weise, schnelle Wiederholungspartien bieten sich bei einer Niederlage auf jeden Fall an.
So weiß Captain Flip in der richtigen Spielgruppe wirklich Jung und Alt zu begeistern, und damit empfiehlt sich das Spiel dann tatsächlich als perfekter Spiel des Jahres-Kandidat, gegebenenfalls direkt mit der Option verbunden, im Erfolgsfall vielleicht neue Crewmitglieder oder Abenteuertafeln als Erweiterung anbieten zu können. Einzig Personen, die eher emotionslos ans Spiel gehen und es einfach nur wortlos durchziehen, werden den Spielspaß der anderen nicht nachvollziehen können. Schade, aber das sind dann auch nicht die Personen, mit denen ihr Captain Flip häufiger spielen werdet.
Mir jedenfalls gefällt es in seiner fast schon minimalistischen Art richtig gut für das, was es sein möchte: ein witziges Spiel mit kleinen taktischen Elementen, aber so mancher überraschender Wendung! Und dafür gibt es von mir richtig starke 9 Kultpunkte! Arrr!
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/nQbSMaE1ekE
KULTFAKTOR: 9/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 23.06.2024
Bildnachweis:
Coverfoto: PlayPunk / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten