REZENSION
BRÜSSEL 1897
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2020
- Verlag: Kobold Spieleverlag
- Autor: Etienne Espreman
- Grafik: Vincent Joassin
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 40 bis 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Initiativlevel: 8/10
Brüssel und die Art Nouveau
Oder anders: Ein Spiel im Jugendstil. Ihr seid Architekten und wollt den meisten Ruhm (Siegpunkte) erlangen. Das könnt ihr, indem ihr Kunstwerke erwerbt und mit Baustoffen Gebäude erbaut. Wem dies am besten gelingt, gewinnt.
REGELN
Der Übersichtsspielplan beinhaltet die Siegpunkteleiste, die Einfluss-, die Prestige- und die Architekturleiste. Die Rundenanzeige umfasst vier Felder.
Jeder Spieler nimmt sich ein farbiges Karten-Set und eine Mäzen-Karte. Alle Karten werden als offene Auslage vor jedem Spieler platziert. Außerdem nimmt sich jeder Spieler seine vier Holzmarker und platziert sie auf das jeweils erste Feld aller Leisten. Die drei Brüssel-Karten und die Karten „Gefängnis“ werden offen unterhalb des Spielplans platziert. Die Startspieler-Karte „Manneken Pis“ wird dem Startspieler überreicht. Jeder Spieler erhält in Abhängigkeit seiner Spielerposition Geld (4-7 belgische Franken). Jeder Spieler muss, je nach Spieleranzahl, zwei seiner Karten aus der Auslage unter die Karte „Justiz“ legen.
Die Jugendstil-Auslage wird entsprechend der Spielerzahl vorbereitet. Dazu werden alle Karten nach ihrer Rückseite sortiert und als gemischte verdeckte Stapel in einer Reihe unterhalb des Spielplanes bereit gelegt. Je nach Spielzahl werden von jedem Stapel drei oder vier Karten gezogen und diese zusammen mit der Ausstellungskarte gemischt und zu einem offenen Spielfeld (z.B. 3x4 oder 4x4 Raster) ausgelegt. Als letzte Reihe werden die vier gemischten Bonuskarten platziert. Achtung: Ausliegende Geld-Karten liegen immer mit der sichtbaren Summe „3“ aus. Oder Spieler nimmt sich ein Spieltableau, die sieben Assistenten und die Gebäudeplättchen seiner Farbe.
Das Spiel wird in drei Phasen insgesamt vier Runden lang gespielt.
Phase 1: Vorbereitung
Entfällt in der ersten Runde. Ab der zweiten Runde beinhaltet sie die Anpassung der Leisten und die Neubestückung der Jugendstil-Auslage. Alle vorher genutzten Mäzene werden aktiviert. Genutzte Set-Karten gehen an ihre Besitzer zurück.
Phase 2: Aktionsphase
Nun können die Spieler, beginnend beim Startspieler, reihum eine Aktion ausführen. Das können die Spieler in Brüssel (die Reihe mit den drei Brüssel-Karten und der Justizkarte) oder auf dem Jugendstiltableau (dem Jugendstil-Karten-Raster). Für die Aktionen werden die eigenen Architekten und eigenes Geld verwendet. Die Architekten haben dabei eine Vorder- und Rückseite, die unterschiedliche Zahlen aufweisen.
Brüssel: Hier kann sich ein Spieler mittels Architekten (ein Spieler muss immer mind. einen Wert mehr auslegen als der Vorgänger am gleichen Ort) unterschiedliche Vorteile sichern: Geld, Aktivierung von Mäzenen, Verkauf von Kunstgegenständen oder Ziehen von Karten.
Jugendstiltableau: Hier muss mehreres bedacht werden. Ein Spieler kann sich z.B. eine Karte aus dem Jugendstil-Raster nehmen und muss dafür eine eigene Architektenkarte an die nun leere Stelle legen. Dabei kann der Spieler den Wert der Karte (die offene Seite) frei wählen. Die Karten besitzen bunte Ecken, die jeweils ein Teil eines Wappens darstellen. Vier an der Ecke zusammenliegende Karten bilden ein fertiges Wappen. Wer innerhalb des Wappens den höchsten Wert an Architekten generiert hat, gewinnt die Mehrheit im Wappen und somit auch die meisten Punkte an der Stelle. Allerdings bestimmt der gespielte Wert auch das Geld, das für die Karte gezahlt werden muss. Sobald der Spieler gezahlt hat, darf er die Aktion der Karte auslösen. Er kann ein Kunstwerk sammeln. Er kann eines seiner eigenen Kunstwerke verkaufen. Er kann sich Baustoffe besorgen oder bauen. Auch eine Ausstellung aller Kunstwerke kann organisiert werden. Oder er nutzt den Einfluss eines Mäzens. Mäzene ermöglichen den Erhalt von Geld, Einfluss- oder Prestigesteigerung auf der entsprechenden Leiste, zusätzliche Baustoffe usw. Auch das Bauen von Gebäuden gehört in diese Phase.
Wer nichts machen möchte oder kann, passt. Der erste Spieler erhält für sein Passen 3 Geld. Er steigt damit aus der Runde aus. Jeder weitere Spieler erhält 1 Geld. Sobald der letzte ausgestiegen ist, endet die Aktionsphase.
Alle eigenen Karten werden offen sichtbar für alle Spieler ausgelegt.
Phase 3: Rundenwertung
Jetzt werden die Mehrheiten-Wertungen durchgeführt. Hier werden erst einmal die Spalten gewertet. Sie beziehen sich auf die auf die darunter liegenden Wertungskarten, die in jeder Runde getauscht werden. Es wird also die Spalte betrachtet, dann der Besitzer des Architekten mit dem höchsten Wert gesucht. Er erhält den Motiv-Bonus der darunter liegenden Wertungskarte: Prestige, Geld usw.
Danach werden die Wappen gewertet. Der stärkste Spieler des Wappens erhält so viele Siegpunkte, wie es der Zahl des eigenen Prestiges entspricht.
Als letztes wird dann Brüssel gewertet. Wer dort die meisten Karten unter einer Ortskarte besitzt, muss einen der dort gespielten Architekten ins Gefängnis stecken (Justiz).
Dann wird eine weitere Runde beginnend bei Phase 1 gespielt.
Nach der vierten Runde folgt die Endwertung. Nun muss Geld für jeden Mäzen im eigenen Besitz gezahlt werde. Jedes Gebäude erhält Siegpunkte je nach Stand auf der Architektenleiste. Übrige Baustoffe, Kunstwerke und Geld bringen zusätzliche Siegpunkte. Auch eine Spaltenwertung erfolgt nochmals, die nun allerdings den unteren Bonus für den Sieger der Spalte sicherstellt. Wer nun die meisten Siegpunkte hat, gewinnt.
Es gibt eine 2-Spieler-Anpassung im Regelwerk.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- gut verzahnt
- großes Spiel in kleiner Schachtel
- schönes Thema
CONTRA
- Grafik nicht jedermanns Sache
MEINUNG
Einem Spiel ein Thema zu geben, ist mit Sicherheit nicht immer einfach. Oft stellt man sich die Frage, was denn zuerst da war: Das Regelwerk oder das Thema. Hier hat man tatsächlich das Gefühl, dass das Thema „Kunst“ bei der Entstehung bereits vorhanden war. Alles ist stimmig und passt thematisch zueinander. Dazu gehört auch das nicht mal eben schnell überblickbare Regelwerk, das trotz guter Anleitung doch etliche kleine Details enthält. Generell muss man sich zuerst die beiden Schauplätze vor Augen führen und dann unbedingt die Siegpunkte-Möglichkeiten. Diese wurden stark mit den Schauplätzen verzahnt, was eine unbedingte Kenntnis der Siegpunkte-Generierung erfordert. Als angenehm wurde in unseren Runden die Jugendstil-Thematik empfunden, die zudem mit einigen interessanten Informationen im Regelwerk versehen wurde.
Jugendstil: Dazu gehören die Schnörkel auf den Karten, gedeckte Farben und eben Persönlichkeiten dieser Zeit vor 1900. Den Stil muss man mögen. Er kommt aus heutiger Sicht etwas trocken daher und spricht damit vielleicht nicht jedermann an.
Und das Spiel? Das spielt sich tatsächlich recht schnörkellos. Es wird auf die Mehrheiten Wert gelegt. So sichert man sich Siegpunkte, zumindest wenn man gleichzeitig darauf bedacht ist, die eigene Position in den Leisten immer weiter zu steigern. Das wird erschwert durch die Mitspieler mit den selben Zielen, die man auch immer im Auge behalten sollte. Eine gewisse Knappheit macht sich bemerkbar. Es entwickelt sich ein Gerangel um die nützlicheren Karten.
Interessant und neu sind die doppelseitigen Architekten, die schon in sich Optionen bergen. Es gilt einiges zu bedenken, sowohl bei deren Auswahl, als auch bei der Positionierung. Da alle offen spielen, bleiben wenig Fragezeichen. Alles erscheint planbar. Nur die Knappheit macht oft Züge langfristig zunichte. Immer auf das große Ziel hinarbeiten, die Möglichkeiten zum Generieren von Siegpunkten optimal wählen, das ist die Devise. Und das ist wirklich gut gelungen. Das mögen die Strategen unter den Spielern. Die kleine Verpackung beinhaltet damit ein fast schon großes Spiel, das vor allem für drei Spieler attraktiv ist, da die Entscheidungszeiten überschaubar bleiben. Trotzdem blieb die ganz große Begeisterung für das Spiel bei der Mehrheit unserer Spieler eher verhalten, das Spiel wurde als grundsolide empfunden.
Fazit: "Brüssel 1897" ist für Planer und Optimierer optimal, die sich vor allem für das Zusammenspiel von Mechanismen begeistern.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EURE REZENSENTIN
GABI
(ehemaliges Team-Mitglied)
Immer-und-Überall-Spielerin, Spieleberaterin, Krankenschwester
Eine Rezension vom 16.02.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Kobold Spieleverlag
Weitere Fotos: Spielkultisten