REZENSION
BIATHLON CRYSTAL GLOBE
- Genre: Familien-/ Taktikspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Multivers / Sweet Games
- Autor: Christophe Leclercq
- Grafik: Cyrille Berger, Amandine Dugon
- Spieler: 2 bis 12
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
- Taktiklevel: variabel, je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad
Fünfmal ins Schwarze
Die Wintersportart Biathlon erfreut sich bei TV-Übertragungen großem Zuschauer-Interesse, denn die Mischung aus Ski-Langlauf und Schießen ist stets spannend. Mit diesem Brettspiel wurde versucht, das sportliche Geschehen spielerisch einzufangen. Anders als beim Vorbild, zählt hier weniger Ausdauer und Präzision, sondern vor allem spielerische Taktik – oder auch einfach Glück.
REGELN
Als erstes wird der Spielplan errichtet (für weitere Runden kann man als Erweiterung einen zusätzlichen Spielplan erwerben). Der Spielplan zeigt
- das Startfeld für bis zu 12 Figuren
- eine Laufstrecke mit Steigungen, Abfahrten und vereisten Flächen
- einen Schießstand mit Windanzeige (verändert mittels Würfelwurf vor einem Spielzug und gelegentlich während des Spiels) und Schieß-Würfeln
- eine Straf-Runde
- das Ziel
Im Vorrat bleiben die Schießscheiben (schwarz = Fehlschuss, weiß = Treffer), der Tagesform-Kartenstapel (der nur am Anfang gebraucht wird) sowie die drei Bewegungswürfel in weiß, grau und schwarz.
Jeder Spieler erhält Biathleten, entweder drei Läufer als Team inklusive der entsprechenden Bewegungsstapel oder einen Einzelläufer mit entsprechendem Kartenstapel. Der gewählte Biathlet hat dabei eine von drei Eigenschaften, die über den Standfuß des Aufstellers definiert ist:
- schwarzer Fuß: guter Läufer, schlechter Schütze
- weißer Fuß: schlechter Läufer, guter Schütze
- grau: mittelmäßiger Läufer, mittelmäßiger Schütze
Jeder Spieler erhält den bereits erwähnten zugehörigen Bewegungskartenstapel und legt ihn als gut gemischten Stapel verdeckt vor sich ab. Dann zieht er eine Karte vom Tagesform-Stapel und schiebt diese unter das Kartendeck. Nun gibt es drei Modi:
- Leicht: keine Handkarten, der Spieler zieht, wenn er das möchte, genau eine Karte vom Stapel und löst diese sofort aus.
- Mittel: Der Spieler zieht fünf Karten auf die Hand. Er kann max. zwei davon im eigenen Zug beliebig in der Bewegung einsetzen.
- Schwer: Der Spieler zieht fünf Karten auf die Hand. Er kann max. zwei davon im eigenen Zug beliebig in der Bewegung einsetzen. Die Karten haben allerdings veränderte Kartenwerte. Es gilt nun der rote untere Kartenrand.
Jetzt muss noch, je nach Schwierigkeitsgrad, das Wetter mit dem hellblauen Würfel erwürfelt werden. Der Wetterwürfel wird nur einmal am Anfang des gesamten Spiels für alle Läufer bindend gewürfelt. Danach kann sich das Wetter nur noch über den Schießwürfel mit dem entsprechenden Symbol ändern. Im Falle einer Änderung wird das Feld „Wind“ mit entsprechend markiert. Das Wetter gilt dann für alle Spieler.
- Ein Windsack bedeutet: Wind beim Schießen und damit andere Schießwürfel mit geringeren Trefferquoten.
- Eine Schneeflocke führt ggf. zu einem Sturz beim Eisfeld. Immer, wenn der Spieler bei seiner Bewegung sieben oder acht Schritte nutzt und dabei ein Eisfeld betritt oder überquert, stürzt er. Die Spielfigur wird auf die Seite gelegt. In der nächsten Runde entfällt die Bewegung. Die Figur wird lediglich aufgestellt.
- Ein Wirbel tritt nur im höhchsten Schwierigkeitsgrad in Kraft und löst einen Schwächeanfall des jeweiligen Läufers aus. Dabei wird die oberste Karte des eigenen Nachziehstapels auf den Ablagestapel gelegt.
Die drei Schwierigkeitsgrade teilen sich hier wie folgt auf:
- Einfach: Gilt als Spiel mit genau einem Läufer pro Spieler, ohne Eisfeld.
- Mittel: Ein bis drei Läufer pro Team, pro Spieler jedoch gleiche Läuferanzahl, mit Eisfeld und Karten-Regeneration bei verfallener Bewegung.
- Schwer: Bewegung wird nur noch über eine feste Zugzahl plus Kartendeck gesteuert, inkl. Eis, Blockade, Schwächeanfall.
Das Spiel beginnt immer mit einem Massenstart. Hier würfelt jeder Spieler reihum mit seinem Laufwürfel und zieht den Läufer um die entsprechende Zahl nach vorn. Ab diesem Zeitpunkt gilt immer der vorderste Läufer als Startspieler der neuen Runde.
Die Bewegung erfolgt immer Feld für Feld, geradeaus oder diagonal nach vorn, generell max. 8 Felder weit in der Vorwärtsbewegung. Auf grauen Bewegungsfeldern gibt es keinen Windschatten, keine Erholung und keine Blockade. Bewegungskarten dürfen nur gespielt werden, wenn die Grundbewegung voll ausgenutzt wurde.
Es gibt unterschiedliche Streckenabschnitte, erkennbar an einer roten oder blauen Bande.
- Rot (Steigung): Für einen Start auf einem solchen Feld werden zwei Bewegungspunkte subtrahiert. Außerdem darf nur eine Bewegungskarte ausgespielt werden.
- Blau (Gefälle): Für einen Start auf einem solchen Feld erhält der Spieler +1 auf die Bewegung.
Der Ablauf der Bewegung ist erneut abhängig von Schwierigkeitsgrad:
Einfach:
- Der Spieler würfelt mit dem Würfel seiner Figur (schwarz, grau oder weiß).
- Dazu darf er die oberste Karte seines Nachziehstapel ausspielen und sofort nutzen.
- Windschatten: Auf grauen Feldern gibt keinen Windschatten. Beendet ein Läufer die Bewegung direkt hinter einem eigenen oder fremden Läufer, erhält er in der nächsten Runde +1 auf seine Bewegung, dafür gibt es keine Anzeige. Besser ist es, es gleich in der Gruppe zu kommunizieren.
Mittel:
- Der Spieler würfelt mit dem Würfel seiner Figur (schwarz, grau oder weiß).
- Dazu darf er bis zu zwei Karten von der Hand ausspielen.
- Erholung: Hat der Spieler freiwillig (oder unfreiwillig) auf Bewegungspunkte verzichtet, darf er genau eine Karte +1 aus dem Ablagestapel auf die Hand nehmen.
- Windschatten: siehe oben.
Schwer:
- Jeder Spieler besitzt grundlegend genau vier Bewegungspunkte, die er ziehen darf.
- Dazu kann er bis zu zwei Karten von seiner Hand ausspielen. Es werden die Werte vom roten unteren Rand verwendet.
- Hat der Spieler vier oder mehr Bewegungspunkte durch Karten generiert, muss der Spieler den Wetterwürfel werfen. Darüber wird entschieden, ob er einen Schwächeanfall erleidet. Die anderen Symbole spielen keine Rolle.
- Erholung: Hat der Spieler auf Bewegungspunkte freiwillig oder unfreiwillig verzichtet, darf er genau eine Karte +1 aus dem Ablagestapel auf die Hand nehmen.
- Blockade: Stehen vor dem Läufer eines Spielers in allen vor ihm liegenden Feldern andere Läuferr, muss der Spieler sich durch diese Reihe hindurch kämpfen. Das kostet einen zusätzlichen Bewegungspunkt je zu überwindendem Feld.
- Windschatten: siehe oben, mit der Einschränkung: Hat der Spieler Karten ausgespielt und mindestens 4 Bewegungspunkte generiert, darf er keinen Windschatten nutzen.
Es werden so viele Runden gespielt wie vereinbart, meist 3 Runden (einmal liegend schießen, einmal stehend schießen, dann vor dem Schießstand abbiegen, um ins Ziel zu laufen). Wenn ein Spieler mit seiner Figur in den Schießstand einläuft (erstes graues Feld), wird er auf den ersten freien Schießplatz gestellt. In der nächsten Runde darf der Spieler das Schießen beginnen. So reihen sich die Läufer anhand ihrer Ankunftszeiten in die Schießstände von 1 bis 12 ein.
Das Schießen funktioniert wie folgt:
- Zum Schießen werden die weißen W12 verwendet.
- Der Schießplatz zeigt eine dunkelblaue und eine hellblaue Markierung, wobei die ersten beiden dunkelblauen Markierungen einmal für „Stehend-“ und einmal für „Liegend“-Schießen gelten. Die hellblauen Felder gelten als schwerer, da unter Beeinflussung durch Wind geschossen wird.
- Hinter den Markierungen sind drei Spalten sichtbar, die jeweils die Würfel für den entsprechenden Läufer aufzeigen (weiß, grau, schwarz). So benötigt liegend, weiß, ohne Wind die Würfel 3x orange, 1x grün, 1x blau. Der Spieler selbst entscheidet, wie viele Schüsse er in seiner Aktion abgibt. So haben orangefarbene Würfel eine geringe Fehlerquote. Der Spieler kann sich also für drei orangefarbene Würfel in dieser Runde entscheiden.
- Die Würfel werden geworfen und jede weiße Seite gilt als Treffer. Der Spieler erhält für jeden Treffer eine weiße Lochscheibe.
- Für jeden Fehlschuss (Farbpunkt sichtbar) erhält der Spieler eine schwarze Lochscheibe.
- Sollte ein Spieler mit dem blauen Würfel einen Windsack würfeln, zählt das als Treffer. Die nachfolgenden Schüsse aller Läufer laufen ab jetzt unter geänderten Wetterbedingungen.
- Nach dem fünften Schuss wird der Läufer auf das graue Feld unter seinen Schießplatz gestellt. Dann darf der Spieler seine Figur einmal anhand seiner Möglichkeiten bewegen.
- Für jede schwarze Lochscheibe im eigenen Besitz muss der Läufer eine Strafrunde laufen. Auf dem Feld 8 der Strafrunde wird eine schwarze Scheibe abgegeben. Bei mehreren Scheiben müssen entsprechend viele Strafrunden gedreht werden.
Es gewinnt der Spieler, der zuerst im Ziel angekommen ist.
Die Wettkampfregelung ändert den Ablauf:
- Es gibt 5 Laufrunden (2x liegend, 2x stehend, einmal Zieleinlauf)
- Wenn der Stapel einmal aufgebraucht ist, kommen folgende Karten in den neuen Nachziehstapel: 3x +3, 3x +2, 5x +1. Diese Karten müssen bis zum Ende des Spiels ausreichen.
Als weitere Varianten werden eine Sprint-Runde, eine Staffel-Runde, eine Weltcup-Saison oder Olympische Spiele in der Anleitung beschrieben.
ACHTUNG! Das Spiel gibt es bislang (Stand: Februar 2023) nur in einer französischen Version! Wurden die Regeln einmal verstanden, spielt sich das Spiel aber sprachneutral.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- authentisches Spielgefühl bei anfänglich eigentlich leichtem Regelwerk
- passendes und gut durchdachtes Material
CONTRA
- bislang nur auf französisch erhältlich
- Regelwerk wird im Nachhinein durch viele Einzelregeln verkompliziert
MEINUNG
Ui, Biathlon als Brettspiel! Das macht neugierig, stellt sich doch die Frage, wie die Anforderungen an die Sportler in einem Spiel umgesetzt werden konnten. Als Ehefrau eines Biathlon-Fans komme ich nicht umhin, zumindest die Grundregeln zu kennen, sodass ich schnell ins Spiel finde.
Der Spielplan macht klar: Es ist ein Laufspiel, was bei dieser Sportart ja thematisch absolut Sinn macht. Die Läufer bewegen sich vom Start zum Ziel, schießen unterwegs und drehen ggf. Strafrunden, wenn sie die Scheiben nicht getroffen haben. Dabei gibt es unterschiedliche Spiel-Modi, in denen nach und nach immer mehr Taktik ins Spiel einfließen kann. In der Familienvariante laufen die Läufer erst einmal per Würfelglück und können zusätzlich eine Karte einsetzen. In der schwierigsten Variante wird nur noch gezielt über Karten gespielt. Dabei wurden Steigungen und Gefälle mit eingerechnet, vereiste Stellen, Windschatten, Blockaden, liegend und stehend schießen, Wind – kurz, viele der Begrifflichkeiten des Biathlons finden sich in den Regeln wieder.
Und das Spiel? Trotz aller zusätzlichen Regeln bleibt es am Ende ein mehr oder weniger taktisches Laufspiel. Das Spiel lebt von den Spielmodi. Je nach Lust und Teilnehmerzahl kann das Spiel an die Spielrunde angepasst werden. Die Teilnehmerzahl von 2 bis 12 ist weit umfassend. Ja, es stehen 12 Läufer bereit, die allerdings eben solo oder als Teams gemeinsam gespielt werden können. Dabei besitzen die Läufer noch persönliche Stärken und Schwächen in der Würfelwahl und im Kartendeck, die es in die Planung eines Teams mit einzuberechnen gilt. Schließlich kann einen auch ein gut genutzter Windschatten vorwärts bringen.
Am besten fühlt sich das Spiel nach unseren Erfahrungen zu viert mit Läuferteams an, von denen wenigsten einer auch im echten Leben ein Biathlon-Fan sein sollte. Dabei ist die Qualität des Materials gut, das Design gefällt, das (französische) Regelwerk ist durchdacht. Die Läufer in Form der Papp-Aufsteller sind zweckmäßig. Ein weiterer Streckenplan kann hinzu gekauft werden.
Fazit: Crystal Globe ist, kurz gesagt, ein familienfreundliches, erweitertes Laufspiel, das, trotz Würfeleinsatz, dem Thema Biathlon wirklich nahe kommt. Wer mit der Sportart bislang noch so gar nicht in Kontakt gekommen ist, der wird sich erst einmal durch die Regeln kämpfen müssen, die teilweise zunehmend kleinteilig in ihren Details werden und auch bislang nicht in deutscher Sprache erhältlich sind. So richtet sich Crystal Globe dann vor allem an die Zielgruppe der Biathlon-Fans. Mit dem nötigen Hintergrundwissen lassen sich Regeln auch logisch erschließen. Für Fans ist es dann eine wirklich unterhaltsame und im Schwierigkeitsgrad anpassungsfähige Umsetzung dieser Sportart, und für diese Zielgruppe gilt auch der Kultfaktor.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10
EURE REZENSENTIN
GABI
Immer-und-Überall-Spielerin, Spieleberaterin, Krankenschwester
Eine Rezension vom 01.03.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Multivers / Sweet Games
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