REZENSION
BARCELONA
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2023
- Verlag: Giant Roc (deutsche Version) / Board & Dice
- Autor: Dani Garcia
- Grafik: Aleksander Zawada
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: ca. 60 bis 90 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 8/10
Stadtplanung in Katalonien
Barcelona, die Hauptstadt der spanischen Region Katalonien, platzt Mitte des 19. Jahrhunderts aus allen Nähten. Dementsprechend sinkt die Lebensqualität zunehmend. Ildefons Cerdà, Begründer des Urbanismus', hat da seine eigene Idee für eine Erweiterung der Stadt, und die ist geprägt von möglichst breiten Straßen und Bebauungen mit viel grüner Fläche. Schauen wir doch mal, ob wir das umsetzen können.
REGELN
Bestückt den großen Stadtplan mit drei zufälligen Cerdà-Wertungsplättchen. Legt, je nach Spielerzahl, erste Einwohner auf die Einwohnerleisten, legt in jeder Straßenreihe ein 5-Punkte-Bonus-Plättchen aus, legt eure Spielermarker auf das Startfeld der Punkte- und der Cerdà-Leiste. Mischt die Modernisme-Projekte (sortiert zuvor die drei Projekte aus, die den zufälligen Cerdà-Wertungen entsprechen) und deckt vier auf. Sucht euch fünf der sieben öffentlichen Gebäude aus und bildet für jede Gebäudeart einen Stapel aus drei Plättchen in absteigender Wertigkeit.
Nehmt euch ein Spielertableau („Büro“) in eurer Spielerfarbe und belegt die entsprechenden Felder mit Modernisme- und Fahrgast-Markern, mit Besitzscheiben, Straßen- und Kreuzungsplättchen. Ins Lager kommen sechs Pflastersteine sowie jeweils eine Münze und ein Tuch. Jeder zieht zwei zufällige Einwohner-Plättchen aus dem Stoffbeutel und hält sie vor den Blicken der Mitspieler geheim. Die Einwohner gibt es in drei Farben (grün: Arbeiterklasse, rot: Mittelstand sowie blau: Oberschicht).
Gespielt wird reihum. Dein Spielzug besteht immer aus 4 Schritten:
Bist du an der Reihe, formst du in Schritt 1 aus deinen beiden Einwohner-Plättchen einen Stapel und legst diesen auf eine Kreuzung des Spielplans, auf der sich noch keine Einwohner befinden. Das Belegen einer Kreuzung verursacht teilweise Kosten, die dann auf der Kreuzung aufgedruckt sind. Mit dem Platzieren der Einwohner löst du die Aktionen aus, die an die Kreuzung geknüpft sind, und zwar in der entsprechenden Reihe und in der Spalte, ggf. auch noch in der Diagonalen.
Folgende Aktionen werden durch die Symbole am Rand des Stadtplans dargestellt:
- Erhalte die angegebene Menge an Münzen / Tuch / Punkten.
- Baue zwei schmale Straßen: Entferne die beiden Straßen von deinem Tableau und lege sie auf beliebige Felder des Spielplans. Die Straßen müssen nicht aneinander angrenzend gelegt werden, allerdings bringen mehrere verbundene Straßen, egal von welchem Spieler vorherige gelegt wurden, beim Legen einer angrenzenden Straße zusätzliche Punkte. Überdeckst du ein Bonus-Symbol, erhältst du diesen Bonus (Münze, Tuch, Punkte). Eine einzelne schmale Straße bringt dir 1 Punkt, jedes verbundene Plättchen in der selben Straßenzeile (also in gerader Linie) einen weiteren Punkt.
- Baue eine breite Straße: Funktioniert genau wie die schmalen Straßen, allerdings baust du diesmal auf einer breiteren Straßenzeile und erhältst für eine einzelne breite Straße direkt 2 Punkte (plus je 2 weitere Punkte für verbundene breite Straßen in gerader Linie, egal wer diese gebaut hat).
- Baue eine Kreuzung: Lege ein Kreuzungsplättchen auf ein noch unbebautes Kreuzungsfeld und bezahle die Kosten, die auf deinem Spielertableau angezeigt werden. Werden auf dem gewählten Kreuzungsfeld ebenfalls Kosten angezeigt, müssen diese zusätzlich entrichtet werden. Für das Platzieren einer Kreuzung erhältst du die an die Kreuzung angrenzenden, noch sichtbaren Boni. Überbaute Boni liefern die keine Erträge mehr. Belegt nun in weiteren Spielzügen jemand deine Kreuzung mit Einwohnern (auch du selbst), erhältst du den freigeschalteten Bonus auf deinem Tableau. Anzahl und Auswahl der Boni erhöhen sich mit jeder gebauten Kreuzung.
- Baue ein öffentliches Gebäude: Bezahle die Kosten des oberen Plättchens einer ausliegenden Gebäudeart. Nimm das Plättchen an dich und führe die damit verbundene Aktion aus. Erhalte zudem Siegpunkte und Schritte auf der Cerdà-Leiste. In jedem Stapel werden die Gebäude mit jedem entfernten Plättchen günstiger, liefern dann aber auch weniger Punkte. Du darfst von jedem öffentlichen Gebäude nur eins besitzen.
- Platziere einen Pflasterstein: Nimm den am weitesten links liegenden Pflasterstein von deinem Tableau und platziere ihn angrenzend zum Start-Pflasterstein oder einen bereits gelegten Stein auf dem Marktplatz. Erhalte sofort den entsprechenden Bonus des Marktplatz-Feldes (Münzen, Tuch, Schritte auf der Cerdà- oder Sagrada-Leiste, Zusatzaktion).
- Nimm ein Modernisme-Projekt aus der Auswahl und belege damit ein freies Wertungsfeld auf deinem Tableau. Bezahle die ggf. dort angegebenen Kosten. So ein Projekt bringt am Spielende individuelle Punkte für die auf dem Plättchen angegebene Voraussetzung, z.B. 2 Punkte pro gebauter eigener breiter Straße etc.
- Verbessere ein Modernisme-Projekt: Schiebe den Marker neben einem Wertungsfeld auf die obere Position, um den Multiplikator dieses Wertungsfeldes zu erhöhen. Zahle die ggf. angegebenen Kosten.
- Bewege deine Straßenbahn: Beim ersten Auswählen dieser Aktion stellst du deine Straßenbahn auf ein beliebiges Straßenfeld, bebaut oder unbebaut. In zukünftigen Spielzügen bewegst du die Tram 1 oder 2 Straßenfelder weit, wobei Felder mit von dir selbst ausgebauten Straßenplättchen nicht mitzählen. Du darfst andere Straßenbahnen passieren, musst deine Bewegung aber auf einem Feld beenden, auf dem sich keine Straßenbahn befindet. Befindet sich auf diesem Feld zudem auch noch kein Fahrgast, kannst du einen deiner Fahrgäste gegen Bezahlung auf dem Feld absetzen, um die Aktion dieser Straßenzeile ausführen zu dürfen. Zudem gibt es Punkte für den eventuellen Straßenbesitzer an dieser Stelle, nämlich so viele, als wäre diese Straße genau in diesem Moment gebaut worden.
Nach dem Ausführen der Aktionen musst du, falls irgendwo auf dem Spielplan möglich, in Schritt 2 einen Häuserblock bauen. Dazu müssen sich um einen Bauplatz herum mindestens so viele Einwohner auf Kreuzungen befinden, wie es der Häuserblock vorgibt: Ein grüner Block (Stufe 1) benötigt zwei beliebige Einwohner, ein roter Block (Stufe 2) benötigt zwei Einwohner, von denen einer rot sein muss, ein blauer Block (Stufe 3) benötigt drei Einwohner, von denen einer blau sein muss. Lege das entsprechende Haus auf das Baufeld und markiere es mit einer deiner Scheiben. Erhalte die Belohnung des Hauses, ab Stufe 2 auch einen Malus auf der Cerdà-Leiste, denn Cerdà wünschte sich ja keine zu enge Bebauung. Gebaute Gebäude können von einer höheren Gebäude-Stufe überbaut werden, wobei die Besitzscheiben dann auf vorhandene gestapelt werden. Eckhäuser verlangen zwei beliebige Einwohner, können nicht überbaut werden, bringen aber auch keine zusätzlichen Effekte.
Zu den möglichen Belohnungen zählen dann auch Schritte auf der eigenen Sagrada-Leiste. Wann immer du eine Lücke auf dieser Leiste überschreitest, fülle sie mit einem von dir ausgewählten Sagrada-Plättchen der entsprechenden Stufe. Erhalte die darauf angegebenen Boni (Münzen / Tuch / Punkte).
Die für das Bauen verwendeten Einwohner entfernst du von den anliegenden Kreuzungen (bei einem 2er-Stapel immer von oben) und legst sie dann auf ihre entsprechenden Einwohnerleisten. Fülle die Leisten von links nach rechts. Bestimme im Anschluss die Leiste mit dem niedrigsten Punktewert. Diesen erhältst du für das errichtete Haus. Ist es das erste gebaute Haus in einer Zeile, erhältst du zusätzlich den 5-Punkte-Bonus vom Bonusplättchen, das danach umgedreht wird.
In Schritt 3 überprüfst du, ob eine Cerdà-Wertung ausgelöst wird. Dies ist der Fall, wenn eine der drei Einwohnerleisten im aktuellen Abschnitt komplett gefüllt wurde. Nun gibt es beispielsweise für alle Spieler jeweils 1 Punkt pro gebauter (eigener) schmaler Straße, immer multipliziert mit dem erreichten Wert auf der Cerdà-Leiste! Alle Cerdà-Marker oberhalb des Startfeldes werden anschließend zurück auf dieses gezogen. Die ausliegenden Modernisme-Projekte im offenen Angebot werden ausgetauscht, das Spiel geht dann wie gewohnt weiter.
In Schritt 4 ziehst du zwei neue Einwohner-Plättchen aus dem Beutel. Dann ist die nächste Person dran.
Spielende: Nach der dritten Cerdà-Wertung wird die laufende Runde noch zu Ende gespielt. Bei der Schlusswertung gibt es dann den Punktewert vom zuletzt entfernten Pflasterstein und Fahrgast auf dem eigenen Tableau, hinzu kommen, sofern vorhanden, die Punkte für die angenommenen individuellen Modernisme-Projekte, jeweils multipliziert mit dem Wert, den der angrenzende Modernisme-Marker vorgibt. Ein aufgewerteter Marker erhöht den Wert eines Projektes entsprechend.
Wer nun die meisten Punkte besitzt, gewinnt.
Das Spiel bietet auch eine Solo-Variante.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- schön verzahntes Eurogame
- raffinierte Aktionsauswahl
- viele Möglichkeiten, um an Punkte zu gelangen
- variabel durch immer neue Kombinationen
CONTRA
- verursacht (besonders mit Grüblern) teils längere Wartezeiten
- kleine Detailregeln müssen erst verinnerlicht werden
MEINUNG
Barcelona, die Hauptstadt Kataloniens, lockt jährlich unzählige Touristen an, die die Architektur und Kunstwerke der Stadt bestaunen. Mitte des 19. Jahrhunderts litt die Stadt jedoch unter Problemen, denn durch die enge Bebauung waren die Lebensumstände schlecht, Krankheiten breiteten sich aus, die Lebenserwartung eines Arbeiters betrug gerade einmal 25 Jahre. Mit Ilfefons Cerdà rückte dann eine moderne Stadtplanung in den Fokus, die wir im Spiel umzusetzen versuchen: Straßen bauen, Häuser errichten. Breite Straßenfluchten werden belohnt, während eine zu enge Bebauung Schritte auf der Cerdà-Leiste kostet.
Das Thema kommt also an verschiedenen Stellen auch spielerisch durch, an anderen Stellen muss man einfach zugeben, dass der Mechanismus an erster Stelle steht. Warum dann zum Beispiel auf manchen Streckenabschnitten Tuch auf den Straßenbauer wartet, an anderen Stellen Punkte, oder zusätzliche Straßen gebaut werden, wenn ich ein bestimmtes Feld des Marktplatzes pflastere, ist thematisch ebenso schwer zu erklären wie die Tatsache, dass ich für Fahrgäste in meiner Straßenbahn beim Aussteigen bezahlen muss ... Nun gut, Eurogame-Fans kennen solche thematischen Brüche ja, und mich persönlich stört das inhaltlich auch nicht wirklich, allerdings braucht es dann schon eine gewisse Zeit, bis die kleinen Detail-Regeln jeder Aktion verinnerlicht wurden. Das ist wichtig, um die Verzahnungen zu verstehen.
Die Aktionsauswahl ist tricky. Scheinbar hat der Startspieler da einen kleinen Vorteil, kann er doch eine beliebige Aktions-Kombination auswählen, die den anderen Spielern dann erst einmal nicht zur Verfügung steht. Durchs Belegen der Kreuzungen mit Einwohnerplättchen werden zunehmend mehr Kombinationen gesperrt, sodass man dann auch mal einen Plan B im Kopf haben bzw. einfach das Beste aus dem Machbaren herausholen sollte. Auch sollte einem bewusst sein, dass man durch eine ungünstige Bebauung bestimmte Kreuzungsfelder für immer mit Einwohnern blockiert, da sie nicht mehr entfernt werden können - einfach weil kein Bauplatz daneben mehr frei ist. Somit sind diese Aktions-Kombinationen dann blockiert.
Dabei ist es aber gar nicht immer unbedingt klug, nur auf die Aktionen zu schauen. Gerade das Errichten der Häuser über die platzierten Einwohnerplättchen ist ein wichtiger Punkte- und Bonus-Lieferant. Mal liefern die Mitspieler da Vorlagen, die man dann ausnutzen kann (oder sogar muss), oft kann man aber auch selbst dafür sorgen, an bestimmten Stellen Voraussetzungen für sich selbst zu schaffen. Natürlich spielt da auch immer ein wenig das Glück mit, die richtigen Einwohnerplättchen zu ziehen, aber das gleicht sich dann doch meistens über eine Partie hinweg aus.
Nun muss also vieles bedacht werden - die Wahl der Kreuzung für die Aktionen, ein möglicher Bauplatz, und auch das Ausführen der an sich jetzt nicht komplizierten Aktionen dauert schon seine Zeit, zumal Aktions- und Bonus-Ketten ausgelöst werden können. Je mehr Personen mitspielen, umso enger wird es auf dem Spielplan, umso mehr Konkurrenz entsteht im Spiel - eigentlich gut, aber ihr müsst dann auch mit mehr Wartezeiten rechnen, insbesondere, wenn Grübler am Tisch sitzen.
Das Spiel ist durch die optionalen Aktionsplättchen, die die Positionen der Aktionen verändern können, durch die wechselnden öffentlichen Gebäude und die immer neu kombinierten Aufträge variabel genug, um in weiteren Partien neue Strategien ausprobieren zu können, wenn der Ablauf im Kern auch gleich bleibt. Vieles führt hier zu Punkten, ja, es gibt regelrechte Punkte-Orgien, wenn Multiplikatoren dafür sorgen, dass ein eh schon perfekt erfülltes Ziel einem noch einmal einen richtigen Schub auf der Punkteleiste einbringt. So sind einerseits Aufholjagden möglich, andererseits können Personen, die das Spiel noch nicht kennen und vielleicht taktisch unkluge Spielzüge machen, dadurch auch abgehängt werden. Das Spiel besitzt da auf jeden Fall eine Lernkurve.
Mir gefällt das Konzept von Barcelona auf jeden Fall gut, ich mag die Aktionsauswahl, ich mag, dass es verschiedene Wege zum Ziel gibt, und ich empfinde das Spiel in den meisten Fällen stets als belohnend. Mit den beschriebenen Abzügen in der B-Note sind das für mich gute 7 Kultpunkte, ja, sogar sehr gute 8 Punkte, wenn alle das Spiel bereits gut kennen und die Spielzüge entsprechend flott ablaufen.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/R_Ltyw6oRAo
KULTFAKTOR: 7-8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7-8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 03.09.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Giant Roc / Board & Dice
Weitere Fotos: Spielkultisten