REZENSION
AEOLOS
- Genre: Familien-/ Taktikspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: SPIEL DAS!
- Autoren: Arve D. Fühler, Guido Eckhof
- Grafik: Marco Armbruster
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 6/10
Wer Wind sät, wird Punkte ernten
Setzt eure Segel und nutzt den Wind, um zu den verschiedenen griechischen Inseln zu reisen, deren Häfen euch Edelsteine und Aktionen liefern. Baut neue Schiffe und errichtet Gebäude, um euch mehr Freiheiten zu verschaffen. Schickt euren Propheten über den heiligen Berg, und sammelt an den Tempeln der Winde mächtige Siegpunkte.
REGELN
Jeder erhält ein eigenes Spieler-Tableau mit drei Siedlungen, die auf die Siedlungsfelder gestellt werden, zudem zwei erste Schiffe (von insgesamt fünf). Der Prophet wird auf den heiligen Berg gestellt. Außerdem bekommt jeder zwei Bonus-Plättchen (Extra-Aktion und Kartentausch). Die Kristalle werden auf dem Spielplan an ihre vorgesehenen Stellen gelegt. Es gibt Kristalle in fünf Farben (einen pro Spieler plus einen weiteren in grün und rot) sowie drei in lila.
Mischt die Segelkarten. Jeder erhält drei Karten auf die Hand. Der Startspieler erhält zwei Wind-Plättchen, ebenso der zweite Spieler. Der dritte Spieler erhält drei, der vierte Spieler vier Wind-Plättchen. Die Wind-Plättchen werden im eigenen Windsack auf der Spielertafel gelagert, am Ende eines Zuges dürfen sich maximal fünf Plättchen dort befinden. Zudem erhält jeder auch eine zufällige Aktionskarte. Aktionskarten sind am Spielende 3 Siegpunkte wert, wenn sie nicht ausgespielt werden. Ansonsten können jederzeit beliebig viele Aktionskarten im eigenen Spielzug ausgespielt werden, um einen besonderen Bonus zu erhalten.
Los geht‘s! Wer an der Reihe ist, spielt eine der eigenen Segelkarten aus. Es gibt graue und lilafarbene Segelkarten. Die Karten werden auf jeweils zwei nebeneinander liegende, farblich getrennte Ablagestapel gelegt. Von jeder Kartenfarbe ist bereits eine Karte auf dem Spielplan vorgedruckt. Die Karten gibt es mit Zahlenwerten von 0 bis 5. Wurde eine Karte gespielt, wird nun die Summe aus beiden oben liegenden Karten gebildet, also stets aus der oberen lilafarbenen und grauen Karte, egal, welche Karte gespielt wurde. Stimmen die Wetter-Symbole beider Karten überein, gibt es ein Wind-Plättchen als Bonus.
Die Summe der beiden Karten kann mit Wind-Plättchen verändert werden. Jedes bezahlte Wind-Plättchen aus dem eigenen Windsack erhöht oder verringert die Summe um 1. Es dürfen mehrere Wind-Plättchen auf einmal ausgespielt werden. Die endgültige Summe bestimmt nun den Aktionsort, den der aktive Spieler aufsuchen darf. Das können Felder auf dem Fluss sein oder ein Hafen mit entsprechender Zahl.
Um die Aktion ausführen zu dürfen, wird ein verfügbares Schiff an den entsprechenden Ort gezogen, wobei es keine Pflicht darstellt, ein Schiff zu bewegen.
Ziehst du ein Schiff in einen Hafen, führst du die Hafen-Aktion aus:
- Hafen 3: Einen blauen Kristall nehmen oder Schiffe flussaufwärts bewegen. Gegen Abgabe von bis zu drei Wind-Plättchen, dürfen eigene Schiffe von einem angrenzenden Hafen oder von einem Flussfeld aus entsprechend voran gezogen werden. Gelangt ein Schiff zu einem Tempel, wird es geopfert, d.h. es verbleibt dort bis zum Spielende, liefert aber eine einmalige größere Belohnung - Punkte, einen Kristall, zwei Aktionskarten etc.)
- Hafen 4: Einen roten Kristall nehmen oder eine Siedlung errichten. Eine Siedlung wird vom eigenen Tableau entfernt und auf einen freien Bauplatz einer Insel gestellt. Dazu muss allerdings ein eigenes Schiff im Hafen dieser Insel verfügbar sein. Hafen-Aktionen an Inseln, die bereits mit einer eigenen Siedlung ausgestattet wurden, benötigen fortan kein Schiff mehr in diesem Hafen. Außerdem erhöht sich die Anzahl der Handkarten pro errichteter Siedlung dauerhaft um eine zusätzliche Karte.
- Hafen 5: Einen grünen Kristall nehmen oder ein neues Schiff bauen. Das Schiff wird aus dem Vorrat genommen und aufs eigene Tableau gestellt. Es ist nun einsatzbereit.
- Hafen 6: Eine Aktionskarte („Gunst der Götter“) nehmen, siehe Beschreibung weiter oben. Bei den Aktionskarten gibt es kein Kartenlimit.
- Hafen 7: Sofort 4 Siegpunkte erhalten.
- Hafen 8: Einen gelben Kristall nehmen oder 3 Wind-Plättchen erhalten.
- Hafen 9: Zwei Wind-Plättchen abgeben, um den eigenen Propheten auf die nächste Stufe des Berges zu ziehen. Auf jeder Stufe gibt es Siegpunkte für die schnellsten Spieler, vor allem aber auch Siegpunkte in Abhängigkeit der bis dahin gebauten eigenen Schiffe, errichteter Siedlungen und für übrigen Wind.
Einmal pro Partie darf jeder seine Bonusplättchen einsetzen. Dann verzichtet der jeweilige Spieler zwar auf die aufgedruckten Siegpunkte, darf aber mit einem Plättchen eine Zusatzaktion ausführen, d.h. eine beliebige Hafen-Aktion, ohne eine Karte spielen oder Präsenz (Schiff oder Siedlung) am entsprechenden Hafen besitzen zu müssen. Mit dem anderen Plättchen dürfen fünf Segelkarten vom Stapel gezogen und fünf Karten zurückgelegt werden. So lassen sich die Handkarten optimieren.
Am Ende eines Zuges wird die eigene Kartenhand wieder auf das Maximum von drei (plus weitere Karten für jede errichtete Siedlung) aufgefüllt.
Das Spielende wird gesteuert über den Nachziehstapel:
- Im Spiel zu zweit endet das Spiel nach der Runde, in der die letzte Karte vom Stapel gezogen wurde.
- Im Spiel zu dritt wird der Ablagestapel noch einmal neu gemischt und geteilt. Das Spiel endet nach der Runde, in der die letzte Karte vom geteilten neuen Nachziehstapel gezogen wurde.
- Im Spiel zu viert wird der Stapel zweimal komplett durchgespielt.
Bei der Schlusswertung gibt es pro übrigem Wind-Plättchen 1 Punkt, pro übriger Aktionskarte 3 Punkte. Außerdem werden nun Sets aus gesammelten Kristallen gewertet. Für 1, 2, 3, 4 oder 5 verschiedene Kristalle gibt es 3, 7, 12, 18 oder 25 Punkte. Jeder darf ggf. auch mehrere Sets bilden, aber jeden Kristall nur einmal werten.
Wer nun die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.
Varianten:
- Spielt ihr mit der anderen Seite der Spieler-Tableaus. Nun besitzt jeder eine Sonderfunktion, die Wind oder einen Punkt für bestimmte Aktionen verschenkt, zudem auch teilweise zusätzlichen Wind vor Spielbeginn liefert.
- In der Poseidon-Erweiterung wird immer, wenn der letzte Bauplatz einer Insel belegt wurde, ein zufälliges Poseidon-Plättchen in den Hafen gelegt. Immer, wenn ein Spieler diesen Hafen mit einem Schiff neu ansteuert (also von einem anderen Ort aus), winkt der Bonus oder Malus des Plättchens.
- In der Fortgeschrittenen-Variante „Die Herausforderung des Aeolos“ ersetzen neue Hafen-Plättchen die bisherigen Hafen-Aktionen der Häfen 6 bis 9. Auf jedem Flussfeld darf nun nur noch ein Schiff stehen!
- Ihr könnte die Hafen-Aktionen auch durch die weiteren Hafen-Plättchen komplett variabel gestalten.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- eingängiges (gehobenes) Familienspiel
- schöner Aktionswahl-Mechanismus
- schnell vorbereitet, schnell zu erlernen, schnell zu spielen
- verschiedene Varianten sorgen für Abwechslung
CONTRA
- das Glück spielt auch gern mal mit
- Spielziel erlaubt keine großen Strategie-Varianz
MEINUNG
Eine farbenfrohe Bucht mit grünen Inseln, bunten Kristallen und ebenso bunten Schiffen - Aeolos zeigt direkt, was es gern sein möchte: Ein freundliches (gehobenes) Familienspiel / einfaches Kennerspiel. Und genau das schafft es auch. Wer hier ein komplexes Vielspieler-Spiel erwartet, mag vielleicht enttäuscht sein, dass die Wege zum Ziel recht eindimensional sind. Schiffe und Siedlungen bauen, vor allem aber Schiff opfern und Kristalle sammeln - das in Kombination bringt die Siegpunkte. Verzichte ich auf eine Option, werde ich nicht gewinnen. Nur mit der Kristall-Wertung allein oder durchs Sammeln von Aktionskarten reichen die Punkte nicht aus, um in den Olymp aufzusteigen. Genau diese Konzentration auf ein eindeutiges Spielziel macht Aeolos aber auch sehr leicht zugänglich, ein Vorteil also, und dennoch gibt es Nebenschauplätze, die taktische Variablen beinhalten.
Zunächst einmal steht in jedem Zug die Aktionsauswahl auf der Agenda. Dass Zahlen-Summen zu Aktionsorten führen, kennen wir aus anderen Spielen, die Art der Umsetzung ist dann aber doch unverbraucht. Hier beeinflussen also zwei Kartenfarben wechselseitig die möglichen Aktionen. Da ist natürlich auch immer etwas Glück im Spiel. Verändert mein Sitznachbar die Summe zu meinen Gunsten, kann ich, mit den richtigen Karten auf der Hand, den gewünschten Zielhafen problemlos ansteuern. Natürlich kann auch das genaue Gegenteil eintreffen. Ich benötige dringend eine niedrige Hafen-Aktion, auf den Stapeln liegen aber gerade zwei 5en, und ich selbst besitze dummerweise gerade auch nur hohe Karten auf der Hand. Ja, dann kann ich mein Kartentausch-Plättchen einsetzen, aber passiert dies in Folgezügen öfter, muss ich halt immer Windplättchen opfern - oder erst einmal etwas anders tun. Was zu tun gibt es eigentlich immer. Man hat während des Spiels so gut wie nie das Gefühl, komplett blank dazustehen.
Die Koordination der Schiffe, der Siedlungen, vor allem auch das Timing beim Bewegen des Propheten oder beim Opfern von Schiffen erfordert kleine taktische Überlegungen, oftmals auch Spielzug-Optimierungen. Weit im Voraus planen kann man eher nicht. Man kann sich Ziele setzen, ja, aber da die Kartenstapel sich halt ständig verändern, kann man erst wirklich zu Beginn des eigenen Spielzuges schauen, was gerade möglich ist. Da alle Aktionen schnell verinnerlicht sind, ist die Bedenkzeit aber angenehm kurz.
Eben durch diese Karten entsteht auch Interaktion. Wenn ich kann, verändere ich vielleicht die Summe absichtlich in eine Richtung, die dem führenden Spieler eher schadet. Meistens spiele ich aber dann doch eher für mich selbst. Damit kein solitäres Spielgefühl aufkommt, gibt es mehrere Wettrennen-Elemente: Auf dem heiligen Berg, bei den Kristallen und auch beim Errichten der Siedlungen.
Aeolos kommt erfrischend leicht daher. So ist es ein Spiel, das Personen mit etwas Spielerfahrung locker zwischendurch spielen können, auch Familien mit Kindern sind hier gut aufgehoben. In diesen Gruppen kommt das Spiel auch sehr gut an, da hier Glücksfaktoren eher als Spannungs-, und nicht als störendes Element angesehen werden. Strategiespieler haderten in unseren Runden öfters mit der nicht vollständig kalkulierbaren Aktionsauswahl. Ja, gerade zum Ende hin kann es passieren, dass man dann tatsächlich mal eine Aktion ausführt, die einen nicht mehr nach vorn bringt. Große Punktesprünge wird es bei der Schlusswertung nicht geben, wenn alle einigermaßen gleich gespielt haben. So sieht man manchmal auch schon eine oder zwei Runden vorher, wer hier gewinnt.
Schön ist, dass man mit den beigefügten Varianten noch für Abwechslung sorgt. So können die Hafenaktionen verändert, und es kann ein klein wenig Asymmetrie ins Spiel gebracht werden. Spielenswert finde ich auf jeden Fall auch die Poseidon-Variante. Wir spielen eigentlich nicht mehr ohne sie, denn sie belohnt den Siedlungsbau noch auf eine andere Art und Weise. Durch die Poseidon-Plättchen werden nämlich plötzlich manche Aktionen wertvoller, andere unattraktiver, wenn man sie aktiv mit Schiffen anfahren muss. Nochmals ein schöner taktischer Kniff, im Worst Case vielleicht ein Schiff absichtlich in einem Hafen zu belassen, um nicht jedes Mal einen Malus fürs Ansteuern zu erhalten.
Mir persönlich gefällt Aeolos gut. Die Verknüpfung der Handkarten an die Aktionsauswahl ist sehr gelungen, das gesamte Spiel ist dann eher ein Wohlfühl-Spiel. Da die Ziele immer klar definiert sind, braucht es keine endlosen Grübeleien, einzig die Karten sind es dann auch, die mit ihrem Glücksanteil eine spontane Anpassung an die Gegebenheiten verlangen. Nur die Hardcore-Strategiespieler unserer Spielgruppen empfanden Aeolos als zu simpel. Natürlich will Aeolos aber auch kein Lacerda-Spiel sein, sondern ein schnelles Taktikspiel, das bekannte Elemente wie Set Collecting, Aktionskarten, Gebäudebau oder den Wettlauf um Punktefelder in einer sympathischen Art und Weise kombiniert. Für mich ist es ein ideales Gateway-Spiel, ein Spiel, bei dem man nicht allzu viel nachdenken muss, aber dennoch taktieren darf. Aeolos bekommt von mir dafür gute 7 Kultpunkte, ja, sogar mit Tendenz zur 8 in der genannten Zielgruppe, die ein schön gestaltetes Spiel mit einer Mischung aus etwas Glück und Taktik sucht.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/wU3RlgzS3Tk
KULTFAKTOR: 7-8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 27.11.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: SPIEL DAS!
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