REZENSION

ABGRUNDTIEF

  • Genre: Strategie, Fantasy
  • Jahr: 2021
  • Verlag: FFG / Asmodee
  • Autor: Tony Fanchi, basierend auf einem Spiel von Corey Konieczka
  • Grafik: Henning Ludvigsen u.a.
  • Spieler: 3 bis 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ab 120 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 5/10

Da kommt was aus der Tiefe ...

Die S.S. Atlantica ist dabei den Atlantik auf dem Weg nach Boston zu überqueren. Auf dem Schiff und um das Schiff herum spielen sich verrückte Szenen ab. Schatten wurden im Wasser gesehen und auch einige Crewmitglieder und Passagiere fangen an, sich seltsam zu verhalten.  Was passiert hier? Wer gehört noch zu den Guten, und wer möchte das Schiff zerstören und den Tiefen Wesen überlassen? 

REGELN

Abgrundtief ist ein semi-kooperatives Spiel. Es gibt ein Spielziel, das tendenziell alle gemeinsam verfolgen. Zusätzlich bekommt jeder Mitspieler am Anfang verdeckt eine Rolle zugelost. Diese Rolle gibt an, ob er ein Mensch ist oder ein Hybrid. Die Menschen wollen, dass das Schiff heil an seinem Ziel ankommt, während die Hybriden die tiefen Wesen unterstützen. Da es mehr Rollenkarten gibt als Mitspieler, ist am Anfang nicht bekannt, ob überhaupt Hybriden auf dem Schiff existieren. Nach etwa der Häflte des Spiels werden die restlichen Karten verteilt – dann gibt es auf jeden Fall Hybriden. Aber wer ist es?

Auf dem Schiff gibt es Anzeiger für vier Ressourcen. Die Menschen müssen verhindern, dass eine dieser Ressourcen ausgeht – denn in dem Fall haben sofort die Hybriden verloren. Ressourcen sind: Geistige Gesundheit, Kraftstoff, Seelen und Nahrung. Diese Ressourcen gehen durch verschiedene Spieleffekte verloren. Eine weitere Gewinnmöglichkeit für die Hybriden besteht darin, dass alle Räume auf dem Schiff beschädigt sind. Die Menschen hingegen können nur gewinnen, wenn das Schiff nach mehreren Etappen das Ziel erreicht, ohne vorher unterzugehen.

Während des Spiels sind alle Mitspieler reihum am Zug. Wer an der Reihe ist, zieht zunächst Fertigkeitskarten. Welche gezogen werden, hängt vom Charakter ab: Es gibt Stärke, Wille, Einfluss, Wahrnehmung und Wissen. Im Anschluss führt der Spieler zwei Aktionen durch. Zur Auswahl stehen folgende Aktionen:

  • Bewegen: Spielfigur auf ein beliebiges Feld auf dem Schiff setzen.
  • Angreifen: Ein tiefes Wesen auf dem selben Feld kann angegriffen werden. Dafür wird ein Würfel geworfen und bei einer Augenzahl von 4 oder höher das Wesen entfernt.
  • Passagier retten: Ein Passagier wird zurück in den Vorrat gelegt, nicht gerettete Passagiere können Ressourcen kosten.
  • Aktionsfähigkeit nutzen: Dies sind Aktionen, die auf bestimmten Fähigkeitenkarten, Charakterbögen oder Gegenständen aufgedruckt sind.
  • Feld-Aktionsfähigkeit nutzen: Jedes Innenfeld auf dem Schiff hat eine eigene Aktion, die dort ausgeführt werden kann.
  • Tauschen: Beliebig viele Charaktere auf dem eigenen Feld dürfen miteinander tauschen.
  • Sich als Verräter enttarnen: Charaktere können sich selber enttarnen, um Zugriff auf andere Aktionen zu bekommen.


In jedem Spielerzug wird nach dem Abhandeln zweier Aktionen eine Mythos-Karte gezogen und durchgeführt. Dies können Karten sein, bei denen entweder eine Entscheidung getroffen oder eine Probe durchgeführt werden muss. Wenn  eine Probe durchgeführt wird, gibt jeder Spieler verdeckt beliebig viele Karten dazu. Dadurch weiß niemand, wer positive Karten beisteuert und wer die Probe manipuliert. Je nach Ergebnis werden dann (meist negative) Effekte durchgeführt.

Das Ziel der Menschen besteht darin, den sicheren Hafen zu erreichen, bevor dem Schiff Ressourcen ausgehen oder zu viele Felder zerstört werden. Dafür gibt es auf dem Spielbrett die Fahrtleiste. Auf jeder Mythos-Karte Gibt es Symbole, entweder für die Fahrtleiste oder die Ritualleiste. Im Falle der Fahrtleiste wird das Schiff ein Feld vorgesetzt. Beim vierten Mal zieht der Kapitän zwei Etappenziele und wählt das für ihn vorteilhaftere. Jedes Etappenziel hat einen Entfernungswert und einen Effekt, der meist Ressourcen verbraucht. Die Menschen gewinnen, sobald die Summe aller Entfernungswerte 12 beträgt und die Fahrtleiste noch einmal gefüllt wird.

Wird anstelle der Fahrtleiste die Ritualleiste voll, werden alle Gegner aus dem Wasser und auf den Deckfeldern entfernt. Außerdem kommen alle Spieler auf Deckfeldern in die Krankenstation. Passagiere, die sich noch auf den Deckfeldern befinden, werden ebenfalls entfernt und verbrauchen dadurch Ressourcen. 

Nach dem Abhandeln jeder Mythos-Karte werden die Gegner aktiviert. Welche aktiviert werden, hängt von der Mythos-Karte ab. Wird Mutter Hydra aktiviert, während sie auf dem Feld ist, beschädigt sie das Schiff. Wird Vater Dagon stattdessen aktiviert, erscheinen neue Tiefe Wesen auf dem Deck. Sobald die Tiefen Wesen selber aktiviert werden, greifen sie an. Was das Tiefe Wesen tut, hängt von seiner Umgebung ab (erstes mögliches wird ausgeführt): 

  • Charakter anwesend: angreifen
  • Passagier anwesend: überwältigen
  • Befindet sich auf einem unbeschädigten Innenfeld: beschädigen
  • Ansonsten: Bewegung in Richtung des nächsten unbeschädigten Innenfeldes


Nach der Gegneraktivierung kommt der nächste Spieler an die Reihe. Das wird fortgeführt, bis entweder die Menschen oder die Hybriden gewonnen haben. Die Menschen gewinnen, sobald insgesamt mindestens 12 Entfernungseinheiten zurückgelegt wurden und die Fahrtleiste erneut gefüllt wurde. Die Hybriden gewinnen, sobald eine Ressource ausgeht, sechs Räume beschädigt wurden oder wenn keine tiefen Wesen mehr im Vorrat sind, aber welche auf das Schiff gesetzt werden müssten.

Hybriden agieren anfangs meist im Hintergrund und versuchen, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Hier und da wird sabotiert, aber niemals so weit, dass sie entdeckt werden. Verhält sich ein Spieler zu auffällig, kann er jederzeit von seinen Mitspielern in die Brig gesteckt werden, wo er nur durch eine Probe rauskommt, an der sich alle beteiligen. Getarnte Hybriden haben allerdings eine zusätzliche Aktionsmöglichkeit: Sie können sich in ihrem Spielzug enttarnen. Dies bringt ihnen neue Aktionsmöglichkeiten: Unter anderem können sich enttarnte Verräter eigenständig aus der Brig bewegen. Außerdem können sie Verratskarten ziehen und die Charaktere und Passagiere auf dem Schiff aktiv angreifen und dadurch stark behindern. Als negative Effekte können sie von den anderen Charakteren angegriffen werden und nur noch eine Karte zu Proben beitragen.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • ständiges Misstrauen am Tisch
  • tolles Thema
  • Rollenwechsel während des Spiels
  • interessanter Verräter Mechanismus


CONTRA

  • lange Downtime
  • für die Menschen-Spieler schwer zu schaffen

MEINUNG

Wer sind meine Mitspieler wirklich? Wem kann ich eigentlich noch trauen? Will mein Gegenüber mir wirklich helfen, oder vertuscht er doch bloß seine eigentlich bösen Absichten? Hatte er eigentlich schon immer Kiemen und Schwimmhäute? Und ist es auch nicht irgendwie auffällig, dass der Kapitän in letzter Zeit alle anderen beschuldigt, um von sich abzulenken? Fragen über Fragen.

Genau diese Überlegungen machen den Reiz bei semi-kooperativen Spielen mit Verräter-Mechanismus aus. Bei Abgrundtief kommt noch hinzu, dass in der ersten Hälfte des Spiels nicht einmal klar ist, ob es überhaupt einen Verräter gibt. Durch das Hinzunehmen von zufälligen Karten bei Proben ist es sowieso immer unklar, ob die falschen Karten von einem Gegenspieler oder durch den Mechanismus kommen. Dabei darf der Verräter nicht so sehr sabotieren, dass er direkt auffliegt.

Ein zusätzlicher Reiz besteht bei Abgrundtief darin, dass der Verräter sich gezielt selber enttarnen darf, um andere Taktiken nutzen zu können. Geht es auf dem Schiff eh gerade drunter und drüber, weil die Tiefen Wesen das Deck überrennen und einige Räume kaputt sind, hat doch eh keiner Zeit, sich um den enttarnten Verräter zu kümmern. So kann er noch um einiges mehr an Unruhe stiften und kommt vermutlich sogar damit davon.

Abgrundtief ist der Nachfolger vom Brettspiel Battlestar Galactica. Wer Battlestar Galactica kennt, wird den Großteil der Mechanismen bereits kennen. Es gab einige Anpassungen, so gab es beim Vorgänger nur eine Fortschrittsleiste, die bei Abgrundtief aufgeteilt wurde in die Fahrtleiste und die Ritualleiste. Dies macht das Spiel noch einmal etwas schwieriger für die Menschen, die bereits bei Battlestar oftmals unterlegen waren.

Bereits auch aus Battlestar bekannt, ist die ideale Besetzung mit fünf Spielern. Bei fünf Spielern gibt es (bis zu) zwei Verräter und drei sichere Menschen. Dabei entsteht das ausgeglichenste Spielgefühl. Allerdings entsteht im Spiel zu fünft bereits eine sehr hohe Downtime, die das Spielgefühl oftmals trübt. Die einzelnen Spielerzüge dauern durch das Ziehen der Mythos-Karte oftmals doch etwas länger. Zwischen zwei Zügen geschieht dann nicht selten so viel, dass wir häufig das Gefühl bekommen haben, mit unseren zwei Aktionen nicht viel ausrichten zu können.

Aber: Abgrundtief ist für fünf geduldige Spieler, die sich auf die Atmosphäre des Spiels einlassen wollen, ein schönes thematisches Spiel. Das ständige Misstrauen zwischen den Spielern trägt viel zum Spielgefühl bei. Als Fan von solchen Spielen gebe ich Abgrundtief insgesamt gute 7 Punkte.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EURE REZENSENTIN

CAROLA

Strategiespielerin, Ork-Flüsterin, Miniaturenbemalerin

Eine Rezension vom 22.05.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: FFG / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten