REZENSION
WINTER KINGDOM
- Genre: Familien-/ Strategiespiel
- Jahr: 2020
- Verlag: Queen Games
- Autor: Donald X. Vaccarino
- Grafik: Markus Erdt
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 45 bis 60 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Mehr Freiheit für das Königreich
"Kingdom Builder" ist zurück - mit einem neuen eigenständigen Spiel, das in einer winterlich angehauchten Landschaft nun diverse Kritikpunkte des Ursprungsspiels eliminiert. Doch steigt dadurch der Spielspaß oder wurde die schlichte Eleganz des Originals im Jahr 2011 einfach verkannt?
REGELN
"Winter Kingdom" basiert auf "Kingdom Builder". Wer das Spiel noch nicht kennt, kann sich meinen > Testbericht aus dem Jahr 2012 durchlesen.
Jeder Spieler erhält 32 Häuser und 4 Festungen in seiner Spielerfarbe, außerdem zieht jeder Spieler 5 zufällige Fähigkeitskarten sowie eine Geländekarte auf die Hand. 3 Aufgabenkarten werden für alle Spieler in die Mitte gelegt. Am Spielende gibt es Punkte für erfüllte Aufgaben.
Wer am Zug ist, spielt seine Geländekarte aus und platziert 3 seiner Häuser auf einem Gelände, das die Karte vorgibt. In späteren Zügen muss, wenn möglich, stets angrenzend an eigene Häuser gebaut werden. Festungen werden genau wie Häuser platziert, zählen bei einer Wertung aber doppelt.
Die Ortsfelder sind vom Spielplan verschwunden. Stattdessen können die Spieler nun individuelle Sonderaktionen nutzen, indem sie eine Fähigkeitskarte von ihrer Hand "kaufen" (den aufgedruckten Geldbetrag bezahlen; jeder Spieler startet mit einem kleinen Grundkapital). In späteren Zügen lassen sich diese Karten auch durch eine weitere Zahlung aufwerten. Einige Karten offerieren aufeinander aufbauende Aktionen, andere getrennte Aktionen. Eine gekaufte Karte wird immer mit einem Fähigkeitsmarker markiert (oben für die erste Zahlung, unten für die aufgewertete Zahlung). Einmal pro Spielzug kann jeder Fähigkeitsmarker auf die Rückseite gedreht und die entsprechende Aktion der Karte ausgeführt werden (z.B. zusätzliche Häuser platzieren, Häuser verschieben etc.). Der Marker wird am Ende des Spielzuges wieder reaktiviert und steht für die nächste(n) Runde(n) stets erneut zur Verfügung. Alternativ kann man für 5 Taler auch eine Fähigkeitskarte dreimal nutzen, anstatt eine neue zu kaufen bzw. aufzuwerten.
Um an neues Geld zu gelangen, wird vor Spielbeginn eine Wirtschaftskarte aufgedeckt. Sie gilt für alle Spieler, und zwar für die ganze Partie. Immer wenn die Voraussetzung der Karte erfüllt wurde, bekommt der Spieler die angegebenen Münzen in seinen Vorrat.
Sonderfelder auf dem aus 7 Einzelteilen bestehenden Spielplan, der in einer Form aussieht wie eine Schneeflocke, gibt es folgende:
- Dörfer: Sie sind für manche Aufgabenkarten wichtig.
- Schlösser: Sie bringen je 3 Punkte am Spielende für den Spieler, der die Mehrheit an Häusern rund um ein Schloss platziert hat.
- Tunnel: Mit der Standard-Fähigkeit des Tunnels, die jeder Spieler schon von Beginn an besitzt, kann ein Haus neben einem anderen Tunnel platziert werden, wenn der Spieler angrenzend an einen Tunnel baut. Dabei muss am neu erreichten Tunnel dann auch nicht mehr zwingend angrenzend an weitere Häuser gebaut werden.
Berge sind grundsätzlich Hindernisse, die nicht bebaut werden dürfen. Zur Geländeart "Eis" gibt es keine Geländekarten. Durch Sonderaktionen von Fähigkeitskarten lassen sich Eisfelder aber dennoch betreten bzw. bebauen.
Sobald ein Spieler keine Häuser und Festungen mehr besitzt, endet das Spiel nach der laufenden Runde. Nun werden die platzierten Häuser mit den drei vor Spielbeginn aufgedeckten Aufgabenkarten verglichen und entsprechend viele Punkte verteilt. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Variante: Mit den neuen Twist-Karten ändert man in jeder Partie eine Grundregel.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- bringt neue Mechanismen ins bekannte "Kingdom Builder"
- mehr Freiheiten bei der Platzierung der Häuser
CONTRA
- wirkt verkopfter und unübersichtlicher
- erhöhter Glücksfaktor
MEINUNG
Ich erinnere mich noch zu gut an den Tag, als "Kingdom Builder" zum Spiel des Jahres (2012) gekürt wurde. Es war damals (und ist auch heute noch) eines der Spiele, die die Spielergemeinschaft in zwei Lager trennt. Die einen finden das abstrakte Platzieren der Häuser nach Vorgabe als zu einschränkend und wenig spannend, die anderen erkennen die tollen taktischen Möglichkeiten bei der Spielzug-Optimierung. Ich selber zähle mich zu den Fans von "Kingdom Builder" und mag das Spiel auch heute noch gern. Natürlich siegt die Mechanik über eine aufgesetzte Spielgeschichte, das steht außer Frage. Wer aber gern seine Spielzüge plant und alle Aktionsmöglichkeiten ausschöpft, der erhält mehr Spieltiefe, als er anfangs denkt. Dabei sind die Regeln wirklich einfach und leicht zugänglich.
Gut 10 Jahre nach der Premiere von "Kingdom Builder" erschien im Jahr 2020 dann keine neue Erweiterung, sondern ein neues eigenständiges Spiel, "Winter Kingdom". Damit man nicht erst auf den Gedanken kommt, hier nur ein Add-On vor sich zu haben, hat man wohl auch gleich das Setting geändert. Herausgekommen ist ein noch flexiblerer Spielplan, der nun aus 7 Sechseck-Teilen besteht; die Grafik wirkt insgesamt etwas dunkler, weniger farbenfroh, gedeckte Farben dominieren die Landschaft, die sich aber - das wäre spieltechnisch auch nicht möglich - nicht komplett als Schneelandschaft präsentiert, sondern auch Geländearten wie Grasland oder eine Blumenwiese bereithält. Die Anzahl der Geländearten wurden gegenüber dem Ursprungsspiel erhöht.
Das Winter-Thema bemerkt man im Spiel nur begrenzt; die Illustrationen der Karten zeigen nur teilweise winterliche Landschaften. Auch wirken die verschiedenen Karten-Typen auf mich leider nicht so ganz harmonisch, was ihr Design betrifft. Gelände-, Kingdom-, Fähigkeits,- Wirtschafts- und Twistkarten haben teils unterschiedliche Grafikstile, was sich in meinen Augen nicht so richtig zu einem stimmigen Ganzen verbinden möchte. Natürlich ist das eine Geschmacksfrage, spielerisch ist das letztlich unbedeutend. Trotzdem hätte ich mir in einem Spiel, das "Winter" im Namen trägt, und das auch ein passend hübsches Cover aufweisen kann, eine durchgängig winterliche Stimmung gewünscht.
Beim eigentlichen Spielgefühl bleibt der Grundgedanke (Karte ziehen, spielen, 3 Häuser auf der Landschaft platzieren) erhalten, allerdings hat man sich wohl die Kritikpunkte, die "Kingdom Builder" damals so einfuhr, zu Herzen genommen und mit neuen Elementen für mehr taktische Flexibilität gesorgt. Da wären zum einen die Fähigkeitskarten, die sich jeder Spieler nun erkaufen muss, um Sonderaktionen machen zu dürfen. Diese wiederum sind gekoppelt an die Wirtschaftskarten, deren Erfüllung erst einmal das nötige Geld liefert. Durch diese Elemente kommt mehr Individualität ins Spiel, gleichzeitig aber auch eine höhere Glücksabhängigkeit. Durch die Asymmetrie kann es passieren, dass so manche Fähigkeit auf der Hand eines Spielers einfach effizienter zur Aufgabenstellung passt, als eine andere es tut; das trifft auch auf die Erfüllung der Wirtschaftskarten zu. Überhaupt: An neues Geld zu gelangen, ist manchmal nicht so einfach, wenn man nicht die passenden Karten besitzt, um solche Wertungen auszulösen ... Eine Wirtschaftskarte, die eine Belohnung in Aussicht stellt, wenn man ein Haus vom Spielplan entfernt, ist halt nur dann hilfreich, wenn man eine entsprechende Fähigkeit besitzt.
Ein schönes neues Element sind aber auf jeden Fall die Tunnelfelder. Mit ihnen kann man nun deutlich schneller Landschaftsgebiete verlassen, ohne immer nur angrenzend weiterbauen zu müssen. So konnte es ja bei "Kingdom Builder" gern passieren, dass man in einem Gelände hängen blieb, ganz einfach, weil man immer wieder Karten zog, die einen weiterhin angrenzend bauen ließen, ohne dass man da etwas entgegensteuern konnte. Bei "Winter Kingdom" kann man leichter aus diesem Käfig ausbrechen.
Insgesamt würde ich "Winter Kingdom" nun all denen empfehlen, die "Kingdom Builder" grundsätzlich mochten, und die neue taktische Herausforderungen suchen. "Winter Kingdom" wirkt ein wenig unübersichtlicher und spielt sich auch etwas verkopfter, heißt, die Wartezeiten sind mit Grüblern entsprechend länger geworden. Trotzdem ist das Spiel mit einer größeren Besetzung immer noch herausfordernder als zu zweit. Zu zweit bleibt viel Freiraum auf dem Spielplan vorhanden, man kann sich aus dem Weg gehen und sich nur bedingt blockieren. Zu zweit ist der solitäre Charakter also höher. Zu viert kommt auch in der neuen Version wieder ein größerer Verdrängungswettbewerb und mehr Enge auf dem Spielplan auf.
Nun hatte auch ich mir bereits im Jahr 2011 Gedanken gemacht, ob man den Spielern nicht mehr Freiheiten in ihren Spielzügen gewähren lassen könnte. So im Nachhinein muss ich dann tatsächlich sagen, dass mir das alte Spiel sogar noch eine Spur besser gefällt als die neue Winter-Version, trotz größerer Freiheiten. Das eigentliche Spielgefühl ändert sich nämlich durch die Neuerungen jetzt gar nicht mal wirklich signifikant, der Zugang wird durch die Asymmetrie und zusätzliche Administration nur komplizierter. Das bedeutet auch: "Winter Kingdom" wird die, die "Kingdom Builder" bisher ablehnten, wahrscheinlich auch nicht vom Gegenteil überzeugen können. Wohl kann es aber die Fans begeistern, etwas Neues auszuprobieren, was mit den Twist-Karten sogar noch einmal getoppt werden kann, da dann jede Partie weitere neue Regeln erhält, auf die man sich einstellen muss.
Fazit: "Winter Kingdom" bleibt spielerisch eng mit "Kingdom Builder" verbunden, bietet jedoch durch neue Elemente mehr Flexibilität - das freut die Taktiker, wenngleich ich der breiten Masse, die das Spiel bisher vielleicht noch gar nicht kennt, zunächst das Ursprungsspiel empfehlen würde, um zu entscheiden, ob einem das Spielkonzept überhaupt gefällt. "Winter Kingdom" wirkt da insgesamt, auch wenn es ein eigenständiges neues Spiel ist, mehr wie ein Upgrade - für mich 7 Kultpunkte (mit Tendenz zur 8 für Fans).
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 10.03.2021
Dieser Testbericht wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Queen Games
Weitere Fotos: Spielkultisten