REZENSION
WILDES WELTALL (WILD SPACE)
- Genre: Kartenspiel
- Jahr: 2020
- Verlag: Catch Up Games / dt. Version: Board Game Circus
- Autor: Joachim Thôme
- Grafik: Amélie Guinet
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 7/10
Headhunter in Raumanzügen
Die gute Nachricht zuerst: Da es die Menschheit immer noch nicht geschafft hat, friedlich zu koexistieren, haben die Tiere endlich das Sagen übernommen. Und wo sie gerade dabei sind, haben sie sich sofort zur Aufgabe gemacht, eine neue Galaxie zu erforschen. Selbstverständlich haben auch wir den Auftrag für eine Mission bekommen, und so ist jetzt unsere Aufgabe, ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen, um dann in unendliche Weiten aufbrechen zu können …
REGELN
Eine neue Galaxie erforschen? Nichts leichter als das! Technisch sind wir top ausgestattet, nur am kompetenten Personal mangelt es uns noch. Zu Beginn einer Partie Wildes Weltall ist unsere Crew noch sehr überschaubar: gerade mal drei zufällig zusammengezogene Mitglieder haben wir auf unseren Handkarten, und unsere rekrutierte Crew besteht aus … uns. Aber egal – mit unseren fünf verfügbaren Raumschiffen werden wir das Wilde Weltall schon rocken!
Denn neben den schon erwähnten Handkarten und unseren fünf Raumschiffen gibt es in der Tischmitte noch fünf fremde Planeten. Diese werden wir in den kommenden gut 30 Minuten besuchen und erforschen, wobei mache von ihnen weiter entfernt sind und nur mit einer bestimmten Mindestanzahl an Crewmitgliedern betreten werden dürfen. Und wie kommt man an diese Crewmitglieder? Eigentlich ganz einfach: zu Beginn eines Zuges benutze ich zunächst einmal ein eigenes Raumschiff. Damit kann ich entweder auf einem Planeten landen, oder – falls ich schon auf diesem Planeten gelandet sein sollte – den Planeten erforschen. Da jeder Planet nur von jeweils einem eigenen Schiff besucht und danach auch nur einmal erforscht werden kann, besteht eine Partie Wildes Weltall aus genau zehn Zügen. Doch ob Landung oder Erforschung – in beiden Fällen darf ich danach den entsprechenden Planeteneffekt ausführen und mich dort nach neuem Personal umsehen. Denn alle Planeteneffekte drehen sich im Grunde darum, die eigene Crew zu erweitern und zu verstärken.
Und was macht jetzt ein gutes Crewmitglied aus? Dazu sollten wir zunächst mal Blick auf den Personalpool werfen. Im Wilden Weltall gibt es drei verschiedene Kategorien von Crew-Karten: die Profis, die Gesandten und die Roboter. Die beiden erstgenannten gehören immer einer der sechs im Spiel vertretenen Tierarten an, wobei die Profis, die die Mehrzahl der Karten ausmachen, dazu noch einer von sechs verschiedenen Berufsgruppen angehören. Die Gesandten haben dagegen keinen Beruf (schließlich sind sie ja Diplomaten) und bieten stattdessen persönliche Missionen an. Roboter sind natürlich keine Tiere, und so werden sie am Ende des Spiels separat ausgewertet. Die meisten Crew-Karten haben einen Effekt, der in dem Moment aktiviert wird, in dem die Karte ausgespielt wird. Manche Effekte sind dabei an Bedingungen wie Kartentyp oder Beruf geknüpft, andere wiederum nicht. Ähnliche Effekte finden sich auch auf den Planeten, und werden ebenfalls aktiviert, sobald wir auf ihnen landen oder sie in einem späteren Zug erforschen.
Im Wilden Weltall geht es also darum, in jedem Zug einen Planeteneffekt auszulösen, der es mir erlaubt, Karten aus der zentralen Auslage auf die Hand zu nehmen oder diese auszuspielen. Ausgespielte Karten ermöglichen es mir dann, erneut Karten zu ziehen oder weitere Karten auszuspielen, deren Effekte mir wiederum die vorgenannten Möglichkeiten bieten. Dabei sind durchaus eindrucksvolle Kaskaden von Effekten möglich. Und so aktiviert jeder Spieler reihum immer eines seiner Raumschiffe, um dann durch das geschickte Nutzen der Karteneffekte möglichst viele Crewmitglieder anzuheuern, bis jeder der fünf Planeten einmal besucht und dann erforscht wurde.
Ziel des Ganzen ist es, am Ende der zehnten Runde eine schlagkräftige Crew in der eigenen Auslage zu haben, denn die bringt die ersehnten Siegpunkte. Und so zählt jedes Set aus drei gleichen Tieren in der Endabrechnung fünf Siegpunkte. Jedes weitere Tier derselben Art bringt für sich weitere fünf Punkte. Ein Set aus sechs unterschiedlichen Tieren schlägt dagegen sogar mit satten 15 Siegpunkten zu Buche. Roboter bringen meist die aufgedruckten Siegpunkte und Gesandte belohnen erfüllte Missionen mit Siegpunkten. So kann es sein, dass ein Gesandter fünf Siegpunkte für je drei Mechaniker in den eigenen Reihen auslobt, oder aber je zwei Punkte für ein Set aus Eulen und IT-Spezialisten. Wer in der Summe die meisten Punkte sammeln konnte, hat am eindrucksvollsten bewiesen wie man als Headhunter ein Wildes Weltall zähmt und gewinnt die Partie!
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- schönes Spiel um Karten-Kombos und Set-Collection
- schnell erlernt, schnell gespielt
MEINUNG
Wildes Weltall fällt für mich ganz klar in die Kategorie „klein, aber fein“. Das Spielprinzip ist schnell erklärt und schnell verinnerlicht: Erst ein Raumschiff nutzen und dann den dazugehörigen Planeteneffekt ausführen. Schlicht und elegant. Es sind die unterschiedlichen Funktionen und deren Kombinationsmöglichkeiten, die den Reiz des Spiel ausmachen, gepaart mit der schönen Regel, dass die Karteneffekte nur in dem Moment aktiviert werden können, in dem sie ausgespielt werden.
Das führt zum einen dazu, dass ich mir gut überlegen muss, in welcher Reihenfolge ich meine Karten spiele, um das Optimum aus meinem Zug zu holen. Schließlich habe ich in einer Partie ja nur zehn Züge. Da ist jede einzelne Aktion kostbar und je besser ich meine Karten auswähle und ausspiele, desto effektiver kann ich in der Regel auch Synergien nutzen und starke Kombis spielen. Auf der anderen Seite ermöglicht es mit der Kniff mit der einmaligen Aktivierung, den Fokus nicht zu verlieren und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. In dem Moment, in dem ich eine Karte gespielt habe, kann ich sie im Grunde auch schon gedanklich vergessen – schließlich kann sie ja nicht mehr aktiv genutzt werden und wartet stattdessen in der Auslage nur noch darauf, gewertet zu werden. Somit muss ich als Spieler immer nur meine Handkarten im Blick behalten, was im Endeffekt auch die Spielzeit angenehm kurz hält. In Grübel-Orgien muss man im Wilden Weltall wirklich nicht verfallen.
Gleiches gilt übrigens auch für die Planeten: von meinen zehn verfügbaren Zügen sind fünf identisch (nämlich die jeweils zweiten Erforschungsschritte): drei Karten ziehen oder eine Handkarte ausspielen. Also bleibt auch hier die Auswahl angenehm übersichtlich – zumal ja manche Planeten erst später im Spielverlauf entdeckt werden können. Das soll aber nicht heißen, dass das Wilde Weltall trivial sei. Ganz im Gegenteil. Es gibt immer etwas zu bedenken und geschickt zu kombinieren. Die kurze Spieldauer gepaart mit dem Fokus auf das Wesentliche sind es, die den Spielreiz ausmachen.
Klar – beim Set Collecting, also dem Sammeln und Ausspielen von punkteträchtigen Sätzen, steht man immer wieder vor dem gleichen Dilemma. Nehme ich eine Karte, die mir sehr gut nützt, oder schnappe ich eher meinen Gegenspielern ihnen genehme Karten vor der Nase weg, die mir eigentlich nicht so recht in den Kram passen? Soll ich auf ähnliche Kombis setzen wie meine Konkurrenten und damit den Kampf um bestimmte Karten anfachen, oder lieber was anderes sammeln und meine Ruhe haben? So oder so: im Wilden Weltall ist für jeden Freund des Set Collectings was dabei, und die angenehm kurze Spieldauer lädt förmlich zu einer umgehenden Revanche ein. Die verwendeten Aktionssymbole sind etwas gewöhnungsbedürftig, sodass man – schon allein aufgrund der Vielzahl der Aktionen – anfangs häufiger mal die Spielregel konsultieren muss. Dank einer guten Übersicht auf der Umschlagrückseite des Regelhefts ist das aber kein Beinbruch. Und spätestens ab der zweiten Partie hat man dann die Symbole auch verinnerlicht, sodass dem kurzweiligen Spiel nichts mehr im Wege steht.
Wildes Weltall bietet frischen, knackigen Spielspaß für Zwischendurch – und mit der schönen Grafik der französischen Künstlerin Amélie Guinet hat man dabei auch noch einen tollen Hingucker auf dem Tisch. Ich für meinen Teil starte gerne immer mal wieder für einen Kurztrip ins Wilde Weltall durch.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
ANDRÉ
Ruhrpottkind, Spielkartensammler, Strategiespiel-Geek und 18xx-er. Power to the Meeple!
Eine Rezension vom 11.03.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Catch Up Games / Board Game Circus
Weitere Fotos: Spielkultisten