REZENSION
THE TWO HEIRS
- Genre: Strategie-/ Taktikspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Albi
- Autoren: Ondra Cigánek, Ivan Dostál, Olda Rejl
- Grafik: Odysseas Stamoglou
- Spieler: 1 bis 2
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: 30 bis 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 8/10
Erarbeitetes Erbe
Der König hinterlässt sein Reich einem seiner beiden Söhne, doch welcher wird den Thron besteigen? In diesem taktischen Legespiel findet ihr es heraus, wenn ihr euren Einfluss geschickt einsetzt.
REGELN
Sortiert die Gebäudeplättchen nach ihren Kategorien (Symbol in der oberen rechten Ecke). Sechs verschiedene Kategorien stehen zur Auswahl, von denen ihr drei beliebige für eine Partie zusammenfügt und die Plättchen mischt.
Legt ein erstes Plättchen mit der Landschaftsseite nach oben in die Tischmitte und platziert eure Gefolgetruppe (goldfarben umrandeter Schild) darauf.
Bildet aus sechs zufällig gezogenen Plättchen (mit der Gebäudeseite nach oben) einen Kreis, legt das Wappenschild-Plättchen in eine Lücke und eure zwei normalen Truppen (in Form von Schilden) in die Mitte des Kreises.
Wer am Zug ist, muss eine Pflichtaktion und darf zudem optionale Aktionen ausführen. Die Reihenfolge ist dabei egal.
Die Pflichtaktion ist es, ein neues Plättchen aus der königlichen Reserve auf die Hand zu nehmen. Maximal drei Plättchen dürfen sich auf der Hand eines Spielers befinden. Dazu wird zunächst die Reichweite, ausgehend vom Wappenschild-Plättchen, bestimmt. Die Reichweite entspricht der Anzahl eigener Truppen im Kreis plus 1. Da jeder am Anfang zwei Truppen im Kreis liegen hat, beträgt die Reichweite also anfangs 3. Somit muss der Spieler eines der drei Plättchen, die im Uhrzeigersinn auf das Wappenschild-Plättchen folgen, auf die Hand nehmen. In diese Lücke wird nun das Wappenschild-Plättchen gelegt. An die Stelle, an der das Wappenschild-Plättchen vorher lag, wird ein neues Gebäudeplättchen vom Stapel ausgelegt.
Als Nebenaktion gilt das Bauen von Gebäuden aus der Hand (vor oder nach der Pflichtaktion). Es dürfen auch gleich mehrere Plättchen auf einmal gebaut werden, sofern alle Kosten gedeckt sind. Die Gebäude verlangen immer eine individuelle Ressourcen-Kombination. Nun gibt es im Spiel aber keine physischen Ressourcen, sondern lediglich einen sogenannten Ressourcen-Zugang. Der wiederum wird erneut im Plättchenkreis bestimmt. Die Hintergrund-Illustrationen der Plättchen in der eigenen Reichweite sowie jedes mit einer eigenen Truppe belegte Plättchen im Königreich liefert die entsprechende Ressource für beliebig viele Plättchen (Holz, Stein, Getreide).
Neue Gebäude von der Hand müssen immer orthogonal oder diagonal an ein Plättchen angelegt werden, auf dem sich eine eigene Truppe befindet. Die Plättchen werden dabei zum jeweiligen Spieler ausgerichtet, sodass sie am Ende eindeutig dem Erbauer zuzordnen sind. Jedes Gebäude liefert dann noch einen eigenen Effekt, z.B. einen stetigen Zugang zu einer Ressource oder aber auch, und das in einer klaren Dominanz, Punkte am Spielende für bestimmte Bedingungen (z.B. bestimmte Nachbarplättchen, verbundene Plättchen einer Sorte etc.).
Eine weitere taktischen Nebenher-Aktion ist das Bewegen bzw. Einsetzen von Truppen. Jederzeit kann eine Truppe aus dem Kreis ins Königreich gesetzt oder im Königreich auf ein neues Plättchen (egal, von wem gebaut) bewegt werden (erneut orthogonal / diagonal angrenzend). Auf diese Weise kann der nötige Ressourcen-Zugang bzw. ein Bauplatz geschaffen werden. Wird eine Truppe aus dem Kreis entfernt, reduziert sie die Reichweite dort. Eine normale Truppe kann dann aber auch wieder zurück in den Kreis bewegt werden, allerdings darf jede Truppe pro Spielzug maximal einmal (!) bewegt werden!
Beide Spieler bauen und bewegen sich im selben Königreich. Auf jedem Plättchen darf allerdings immer nur eine Truppe stehen (Ausnahme ist da nur die Startposition auf dem selben Plättchen).
Anstatt die Kosten eines Gebäudes zu zahlen und es ins Königreich zu legen, kann ein Plättchen von der Hand auch kostenlos ausgelegt werden, dann aber mit der Rückseite nach oben. Dadurch ist dann nur die Landschaft zu sehen, die zwar auch Ressourcen liefern kann, wenn sie mit einer Truppe belegt wird, aber Punkte (oder sonstige Funktionen) liefert sie nicht. Erweitert ein Spieler auf diese Art die Landschaft, erhält er für den Bau eines Gebäudes in diesem Spielzug einen Rabatt von einer beliebigen Ressource.
Wurde das letzte Plättchen im Kreis nachgelegt, endet das Spiel nach einem letzten Spielzug beider Spieler. Bei der Schlusswertung gibt es nun Punkte für jedes errichtete eigene Gebäude entsprechend dessen Punkte-Voraussetzungen. Eine eigene Truppe auf einem eigenen Gebäude verdoppelt die Punkte dieses Plättchens. Zudem wird noch nach Wege-Verbindungen über mindestens zwei Plättchen geschaut. Jede Straße, die eine durchgängige Verbindung über zwei oder mehr Plättchen besitzt, wird kontrolliert. Wer mehr eigene Gebäude an dieser Straße errichtet hat, erhält die Differenz zum Gegenspieler als Punkte ausgezahlt. Bei einem Gleichstand erhält keiner die Punkte für einen Weg.
Wer die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.
Das Spiel bietet zudem einen Solo-Modus, der im Rahmen dieser Rezension jedoch nicht getestet wurde.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- taktisches Optimierungspuzzle
- raffinierter Ressourcen-Mechanismus
- trickreiche Truppen-Bewegungen
- schön illustriert
CONTRA
- teilweise leidet ein wenig die Funktionalität
- es gibt bereits grundlegend ähnliche Spiele
MEINUNG
Nanu, das Königreich, um das sich die zwei Erben in diesem Duellspiel streiten, erinnert optisch an ein auf den ersten Blick ähnliches Spiel: Glasgow. Auch da gab es die Plättchen-Auslage im Kreis, auch da wurden Gebäude jeweils in Spielerrichtung platziert und am Ende gewertet. Überhaupt gibt es viele Spiele, die das Prinzip eines Optimierungspuzzles, also das Erschaffen einer punkteträchtigen Auslage mit verschiedenen Wertungskriterien, die taktisch klug kombiniert werden müssen, als Grundkonzept verwenden. Ja, so wirkt es zunächst einmal so, als beziehe sich das namensgebene Erbe auch auf die Spielidee ...
Und doch bietet The Two Heirs ein erfrischend neues Spielgefühl. Liegt es an der Varianz, die durch die wechselnden Plättchen-Kombinationen entsteht? Liegt es an den verschiedenen Wertungsmöglichkeiten, die auch den Gegenspieler involvieren? Vielleicht. Vor allem aber ist es die neuartige Ressourcen-Generierung, die ich so bislang noch in keinem Spiel gesehen habe. Physische Ressourcen gibt es nicht. Im eigenen Spielzug stehen die verfügbaren Rohstoffe dann sogar für alle Plättchen bereit, die ich ausspielen möchte. Da wird nichts verbraucht. Doch um an die Ressourcen zu gelangen, braucht es taktische Überlegungen, denn ich muss sie mir jedes Mal neu aus der Reichweite in der königlichen Reserve und / oder über platzierte Truppen beschaffen.
Da die einzige Pflichtaktion nur das Aufnehmen eines neuen Plättchen ist, gilt es die restlichen Optionen geschickt zu verwenden. Da ist dann auch Timing im Ablauf gefragt. Wie verändert sich die Reichweite, wenn ich eine Truppe aus dem Kreis entferne, wie verschaffe ich mir Zugang zu punkteträchtigen Bauplätzen, wann lohnt es sich, eine Truppe zurück in den Kreis zu ziehen, wann spiele ich ein Plättchen mit der Rückseite aus? Überhaupt: Welche Plättchen bilden schöne Synergien? Das Spiel entwickelt da tatsächlich eine höhere Spieltiefe, als man anfangs vermuten mag. So bewegt sich das Niveau auf jedem Fall auf Kennerspiel-Ebene, denn es erfordert doch schon eine fortgeschrittene Leistung, alles im Blick zu behalten, und das kann auch mal zu kleinen Wartezeiten führen, wenn mit Grüblern gespielt werden. Da es aber ein reines 2-Personen-Spiel ist, hält sich die Downtime noch im erträglichen Rahmen.
Das Material ist dabei hübsch illustriert, die Ikonografie muss allerdings anfangs erst einmal erlernt werden, und sie ist recht klein geraten, sodass genaues Hinschauen nötig ist. Das bessert sich mit jeder Folgepartie. Wenn man erst einmal alle Plättchenkategorien und ihre Symbole kennt, läuft alles smoother als in Erstpartien. Die Truppenfarben in Schildform hätten aber gern noch eindeutiger sein können. Ja, eigentlich sind alle Schilde erkennbar weiß oder blau, und doch sorgen sie mit ihren wechelseitigen Randbedruckungen öfters mal für unabsichtliche Spielfehler. Das könnte man auf jeden Fall noch verbessern.
Ansonsten aber gefällt mir das taktische Optimierungspuzzle gut. Trotz ähnlicher Spiele auf dem Markt, bietet The Two Heirs einen eigenen Charakter, der Taktiker auf jeden Fall erfreut. Dass da dann auch Glück im Spiel vorhanden ist bei der Frage, wann welches Plättchen in die Auslage kommt, kann man verschmerzen, trifft es ja über die gesamte Partie für beide Spieler zu. Und auch wenn jeder bemüht ist, sein eigenes Puzzle zu knacken, ist auch abseits der Plättchen-Auswahl für Interaktion gesorgt - eben in Form der Truppen und der Wertungskritieren, die sich teilweise auch auf den Kontrahenten beziehen.
Gut gemacht, gute 7 Punkte, sogar mit Tendenz zur 8 als Geheimtipp in diesem Genre, wenn beide das Spiel bereits gut kennen und die Symbolik nicht mehr in jedem zweiten Spielzug in der Anleitung nachschlagen müssen.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/_CNHCI10_5U
KULTFAKTOR: 7-8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 31.01.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Albi
Weitere Fotos: Spielkultisten