REZENSION

THE GANG

  • Genre: Kartenspiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: KOSMOS
  • Autoren: John Cooper, Kory Heath
  • Grafik: Fiore GmbH
  • Spieler: 3 bis 6
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 20 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Initiativlevel: 2/10

No Pokerface!

Kooperativ pokern, kann das funktionieren? Im Kartenspiel The Gang versuchen wir durch geschicktes Einschätzen unserer Kartenkombinationen, Tresore zu knacken und möglichst keinen Alarm auszulösen.

REGELN

Mischt die Karten (gewöhnliche Spielkarten) und teilt je zwei Karten an jede Person aus. Achtet darauf, dass jeder nur die eigenen Karten sieht! Niemals dürft ihr offen über eure Karten sprechen!

Sortiert die Poker-Chips nach ihrer Farbe und nehmt jeweils so viele mit ins Spiel, wie Personen teilnehmen. Im Spiel zu viert legt ihr also in jeder Farbe die Chips im Wert von 1 bis 4 aus, im Spiel zu sechst die Chips im Wert von 1 bis 6.

Schaut euch nun eure beiden Handkarten an und entscheidet, für wie gut ihr sie haltet. Nehmt euch entsprechend jeweils einen Chips der aktuellen Runde aus der Mitte (zunächst einen weißen). Die Werte (Sterne) darauf repräsentieren die Stärke der Karten. Wer ein schwaches Blatt besitzt, sollte also besser den Chip mit nur einem Stern nehmen; wer ein gutes Blatt besitzt, entsprechend mit mehr Sternen. Ihr dürft auch einen Chip von einem Mitspieler an euch nehmen, der sich dann einen neuen suchen muss. Macht dies, bis jeder einen Chip vor sich ausliegen hat.

Als nächstes werden drei zufällige Karten vom Stapel aufgedeckt und als Gemeinschaftskarten in die Mitte gelegt. Schaut nun, ob ihr mit euren Handkarten und den Gemeinschaftskarten Poker-Kombinationen bilden könnt. Die Übersichtskarte zeigt alle möglichen Kombinationen in einem Ranking. Nehmt - entsprechend eurer Einschätzung, wie gut eure Kartenhand jetzt ist - wieder jeweils einen Chip an euch, diesmal einen gelben.

Danach deckt ihr eine weitere Karte als Gemeinschaftskarte auf und teilt die orangefarbenen Chips unter euch auf. Die Zuteilung der Chips dient bislang lediglich der Information über eure möglichen Kombinationen.

Zum Schluss deckt ihr noch eine fünfte Karte als Gemeinschaftskarte auf und teilt nun die roten Chips unter euch auf. 

Die roten Chips sind entscheidend für den Showdown. Zunächst offenbart die Person mit dem niedrigsten roten Chip ihre Handkarten und nennt ihre bestmögliche Kartenkombination (z.B. „höchste Einzelkarte“, „ein Paar“, „zwei Paare“, „Straße“, „Flush“ etc.). Dann folgt die Person mit der nächsthöheren Zahl. Diese muss die zuvor genannte Kombination überbieten. Wiederholt dies bis zur Person mit dem höchsten Pokerchip. 

  • Stimmt eure eingeschätzte Reihenfolge, deckt ihr eine der drei ausliegenden Tresorkarten auf.
  • Ist ein Fehler in eurer eingeschätzten Reihenfolge, deckt ihr hingegen eine der drei ausliegenden Alarmkarten auf.


Spielt nun weitere Runden, bis ihr entweder die dritte Alarmkarte aufdeckt (und gemeinsam verliert) oder bis ihr die dritte Tresorkarte aufdeckt (und gemeinsam gewinnt).

Fortgeschrittenen-Variante: Nehmt die Spezialisten- und Challenge-Karten mit ins Spiel. Wann ihr immer ihr einen Alarm auslöst, hilft euch eine zufällige Spezialisten-Karte im nächsten Durchgang mit ihrer individuellen Fähigkeit, die das Spiel erleichtert. Gelingt es euch hingegen, einen Tresor zu knacken, erschwert eine zufällige Challenge-Karte den nächsten Versuch.

Zwei weitere Varianten, die in der Anleitung beschreiben sind, erhöhen dann noch einmal den Schwierigkeitsgrad.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • ideal für Poker-Einsteiger
  • hochwertiges Material


CONTRA

  • keine aktiven spielerischen Entscheidungen, was die Karten angeht
  • Bluff fehlt als Spannungsfaktor

MEINUNG

Schon einmal veröffentlichte KOSMOS ein Kartenspiel, das ein ganzes Genre auf den Kopf stellte, indem es plötzlich kooperativ statt kompetitiv gespielt wurde. Die Rede ist vom kooperativen Stichspiel Die Crew. Wer vorher dachte, dass ein Stichspiel doch niemals kooperativ Spaß machen könnte, der irrte sich gewaltig. Die Crew ist für mich auch heute noch ein geniales Spiel, bei dem die eigenen Entscheidungen stets taktisch geprägt sind. Wie gelingt es uns gemeinsam, Aufgaben zu lösen? Wie gelangen die vorgegebenen Karten auf die richtigen Hände? Das ist tricky, spannend, und es funktioniert tadellos.

The Gang möchte nun denselben Kniff auf ein Pokerspiel übertragen. Wer Texas Hold‘em kennt, weiß aber bereits, dass es beim Pokern keine aktiven Entscheidungen gibt, welche Karten man ausspielt oder erhält. Da werden einem also zwei zufällige Karten zugelost und dann werden noch Gemeinschaftskarten in der Tischmitte platziert, und letztlich geht es dann nur darum, mit Glück eine gute Kombination zu erzielen. Eigener Einfluss aufs Blatt? Fehlanzeige.

Der eigentliche Spielreiz beim Poker entsteht aus einem völlig anderen Gedanken, denn es geht darum, die Mitspieler zu überzeugen, vorzeitig aus einer Runde auszusteigen, da man vermeintlich das beste Blatt besitzt. Ob das nun stimmt oder gänzlich gelogen ist, weiß niemand. Ein gutes Pokerface kann einen zum Sieger einer Runde machen, obwohl man in Wahrheit nur Müll auf der Hand hält. Genau diese Psycho-Spielchen sind es, die beim Poker für Spannung sorgen - jetzt mal die Tatsache ausgeblendet, dass hier natürlich sogar meistens um Geld gespielt wird.

Kein Geldgewinn, kein Pokerface, kein Bluff - was bleibt in der kooperativen Version von Poker, eben bei The Gang, dann eigentlich noch vom Spielkonzept übrig? Letztlich geht es jetzt nur noch ums banale Einschätzen der eigenen Kartenkombinationen, ums Festlegen einer Rangfolge, die man am ehesten noch im Spiel zu dritt ganz gut meistern kann. Mit 5 oder 6 Personen wird es schwierig, feine Nuancen zu unterscheiden. Wie soll man ein Ranking erstellen, wenn man selbst vielleicht eine 6 auf der Hand hält, der Nachbar eine 7, aber niemand vom anderen weiß, welche Werte er besitzt? Wer greift da zu mehr Sternen? Das Spiel erinnert da am ehesten an The Mind, bei dem es ebenfalls um solche Abschätzungen ging.

The Gang ist ein Spiel, das man mögen kann, wenn man Poker mag, vielleicht auch, wenn man Einsteiger ins Spiel holen möchte. Ich habe Runden erlebt, die das Konzept mochten und die The Gang auch sicher gute 7 Kultpunkte attestiert hätten. Dann wiederum habe ich Runden erlebt, in denen das Spiel rein gar nicht zündete, und ich selber gehöre diesmal leider auch zu der Gruppe, die dieses Kartenspiel bestenfalls als durchschnittlich ansieht, 5 Kultpunkte. Das ganze Spiel besteht halt nur aus dem Aufnehmen der Pokerchips, also dem Einschätzen der Wertigkeit eigener Karten, sodass es eher schon zur Beschäftigung wird. Da gibt es ansonsten kein aktives Spielgeschehen, keine taktische Stellschraube, die mir das Gefühl gibt, ich erbringe hier irgendeine spielerische Leistung. Vieles ist dem Zufall unterworfen, und mir persönlich fehlt es vor allem echt an dem so reizvollen Bluff-Charakter, den Poker ja sonst besitzt. Da brachte vor einigen Jahren das kompetitive Würfelspiel Zock‘n‘Roll noch mehr Poker-Feeling aufs Spielbrett. The Gang würde ich als lockeren Absacker wohl hin und wieder mitspielen, aber begeistern konnte mich das Konzept nicht.

Nun spalten sich bei diesem Spiel aber offenbar die Meinungen. Da gibt es wirklich Fans des Spiels, die die neuartige Art und Weise, Poker zu spielen, abfeiern. Also solltet ihr nicht blind meiner 5-Punkte-Bewertung folgen, sondern kurz in euch gehen und euch fragen, ob so ein Konzept etwas für euch sein könnte. Wenn ja, dann schaut euch das Spiel auf jeden Fall einmal an. Wenn ihr aber, wie ich, wesentliche Bestandteile des Poker-Spiels vermisst oder allgemein Poker nichts abgewinnen könnt, dann bleibt lieber bei Die Crew, wenn ihr eine raffinierte Neuinterpretation einer bekannten Kartenspiel-Idee sucht. 


VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/X9FVMxc91Ss

KULTFAKTOR: 5-?/10

Spielidee: 5/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 4/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 28.10.2024

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar. 

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten