REZENSION

REDCLIFF BAY MYSTERIES

  • Genre: Denkspiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: KOSMOS
  • Autoren: Martin Kallenborn, Matthias Prinz
  • Grafik: Martin Hoffmann, Claus Stephan
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 60 Min. pro Fall
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Initiativlevel: 6/10

Ich lös' den Fall auf jeden Fall!

Wir schreiben das Jahr 1888. Wir befinden uns in Redcliff Bay, einem beschaulichen Küstenstädtchen im Süden Englands. Dort gehen buchstäblich mysteriöse Dinge vor sich. Seit geraumer Zeit versucht der Geheimdienst Scotland Yard, die Fährte nach dem Meisterdieb „Viper“ aufzunehmen – doch bislang ist noch niemand den finsteren Machenschaften auf die Schliche gekommen. Doch das soll sich jetzt ändern. Jüngst hat Tom Frenchman die Ermittlungen aufgenommen, ein exzentrischer Inspektor, der einem Gläschen Gin selten abgeneigt ist. Wird es ihm gelingen, das vermeintlich friedvolle Städtchen erfolgreich zu durchkämmen, um dem berüchtigten Halunken das Handwerk zu legen und das Geheimnis von Redcliff Bay endgültig zu lüften?

REGELN

Die Spielschachtel beherbergt vier Fächer, die jeweils einen Fall repräsentieren. Dadurch ist gewährleistet, dass man nur das Material zu Gesicht bekommen, das gerade benötigt wird. In jedem Fach finden sich eine Intro-Tafel sowie zwei Kartenstapel mit einer unterschiedlichen Zahl an großen und kleinen Karten. Hinzu kommen 12 Aktionsscheiben, von denen pro Fall eine bestimmte Anzahl benötigt wird. Diese Aktionsscheiben geben im weiteren Spielverlauf an, wie viele Schauplätze ihr noch besuchen dürft. Doch alles schön der Reihe nach.

Auf dem Spielplan sind verschiedene Bezirke von Redcliff Bay zu sehen, beispielweise West Lane, wo sich die berüchtigte Kneipe „The Smelly Cat“ befindet, oder North Pile mit dem Anwesen der Pricetts, die im Mittelpunkt der vielschichtigen Geschichte stehen. Jeder Fall beginnt damit, dass ihr die großen Karten gemäß der vorsortierten Reihenfolge auf dem Plan auslegt. Das können Personenkarten sein, die euch Hinweise über die beteiligten Protagonisten geben oder auch Newskarten, die Stunde für Stunde die aktuelle Handlung wiedergeben. Ebenso verfahrt ihr mit den kleinen Karten. Dabei handelt es sich um Objekte, Verhöre, Ereignisse oder Orte. Diese Karten werden zunächst verdeckt ausgelegt und immer dann umgedreht, wenn es die bestimmte Situation erfordert. 

Zunächst lest ihr die Intro-Karte möglichst aufmerksam. Sie führt euch in die Handlung des aktuellen Falls ein. Mitunter erhaltet ihr dabei gleich die ersten Objektkarten oder dürft bestimmte Ortskarten aufdecken. In jedem Spielzug deckt ihr nun die oberste Newskarte auf und erfahrt, was sich in Redcliff Bay Mysteriöses ereignet. Das kann so aussehen, dass ihr euch um Punkt 8 Uhr in der Pricett-Villa wiederfindet, ohne an dieser Stelle nähere Details zum vorliegenden Fall zu nennen. 

Nach dem Aufdecken der Newskarte dürft ihr einen beliebigen Ort besuchen, also eine zugehörige Ortskarte aufdecken, die gerade auf dem Spielplan ausliegt. Die Texte können dann dazu führen, dass ihr Personen verhört, Objekte erhaltet oder weitere Ereignisse auslöst – kurzum: Ihr deckt weitere Karten auf, deren Aufrufen ihr dann wiederum folgt. Habt ihr alle Anweisungen befolgt, dürft ihr durch Abgabe einer begrenzt verfügbaren Aktionsscheibe einen weiteren Ort besuchen. Entscheidet ihr euch dagegen, deckt ihr sofort die nächste Newskarte auf, deren Handlung eine Stunde später stattfindet. Abermals folgt ihr deren Anweisungen, so lange, bis ihr bei der letzten Stunde angekommen seid und euch auf das packende Finale eines jeweiligen Falls stürzt. Dieses verlangt von euch eine gute Kombinationsfähigkeit, schließlich führen alle Handlungsstränge zu einer gemeinsamen Auflösung, in der Regel zur Frage nach dem Täter. Doch selbst wenn ihr euch am Ende eines Falls nicht ganz sicher seid, halten die Finalkarten mehrere Hilfestellungen bereit, die euch die Auflösung erleichtern. 

 GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • spannende Erzählweise
  • exzellente Schachteleinteilung
  • ausgewogene Spieldauer pro Fall


CONTRA

  • jeder Fall ist nur einmal spielbar
  • die Geschichte ist bis auf Weiteres auserzählt

MEINUNG

Was haben wir in den zurückliegenden Monaten in Micro Macro Crime City nicht alles für wahnwitzige Kriminalfälle gelöst! Der Kontrast zu Redcliff Bay Mysteries könnte nun nicht größer sein. Zwar haben beide Titel gemein, dass detektivischer Spürsinn und eine exzellente Auffassungsgabe gefragt sind, doch während bei Micro Macro in erster Linie visuelle Fähigkeiten gefragt sind, geht es bei Redcliff Bay Mysteries deutlich textlastiger zu. So gilt es im Spielverlauf, den ihr entweder alleine oder kooperativ mit weiteren Mitspielern absolviert, sorgfältig abzuwägen, welche Orte ihr besuchen wollt, um den Geheimnissen der britischen Küstenstadt mit ihren schrulligen Bewohnern auf den Grund zu gehen. Mir hat die Spielweise gut gefallen, bei der man Stunde für Stunde der Handlung folgt, an bestimmten Punkten eigene Entscheidungen trifft und somit das weitere gedankliche Vorwärtskommen beeinflusst.

Eines ist sicher: Von alleine spielt sich Redcliff Bay Mysteries definitiv nicht, auch wenn man das bei einem Spiel dieser Art meinen könnte. Bei jedem Spielzug schwingt die Frage mit, was als Nächstes zu tun ist: Besuchen wir noch schnell den Pub „The Smelly Cat“ oder sparen wir uns die hier zusätzlich erforderliche Aktionsscheibe, um gleich mit dem Aufdecken der nächsten Newskarte die Handlung der darauffolgenden Stunde einzuleiten? Verhören wir die Person XY oder verzichten wir zugunsten einer Objektkarte darauf? Oftmals ist nicht ganz klar, welche Entscheidung den größeren Teil zur Aufklärung eines Falls beiträgt. Doch gerade das Gefühl, nie zu wissen, welche Aktion an der nächste Ecke lauert, trägt maßgeblich zur Spannung bei. Eine Spielzeit von rund 60 Minuten pro Fall sind auf der Schachtel angegeben – was aber nach unserer Erfahrung ausschließlich auf den ersten Fall zutrifft, der als Tutorial dient. Bei den Fällen Nr. 2 bis 4 kann man getrost von über 90 Minuten Spielzeit ausgehen, wenn man einigermaßen überlegt vorgeht. An dieser Stelle möchte ich nichts über den Inhalt preisgeben, doch es sei gesagt, dass sich Redcliff Bay Mysteries aufgrund der erzählerischen Details an erwachsene oder zumindest jugendliche Spieler richtet, da es hier und da durchaus ernsthaft zugeht.

Übrigens: Während der Spielplan auf der Vorderseite die verschiedenen Stadtteile von Redcliff Bay zeigt, sind auf der Rückseite verschiedene Schauplätze im Umland der britischen Küstenstadt abgebildet. Die Spielanleitung verrät, dass die Rückseite vorerst keine Verwendung findet, sondern für etwaige künftige Erweiterungen genutzt werden kann. Leider wurde mittlerweile bekanntgegeben, dass keine weiteren Fälle mehr dazukommen. Das ist schade, denn die Autoren hatten bereits angekündigt, in einer ursprünglich geplanten Fortsetzung das Innenleben der beteiligten Protagonisten tiefer zu beleuchten und neue Geheimnisse zu erzählen. So bleibt es bei den hier geschilderten vier Fällen, die dank einer gelungenen Erzählweise zu einem spannenden Spielerlebnis beitragen. 

Seine 7 Kultpunkte hat sich der „Krimi zum Spielen“ für mich redlich verdient. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe mich um 5 Uhr im „Smelly Cat“ verabredet und muss bis dahin noch dringend in West Lane etwas besorgen ...  

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 11.10.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten