REZENSION

PARIS

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Game Brewer
  • Autoren: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
  • Grafik: Andreas Resch
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 90 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Gibt es hier keine Leerverkäufe?

 

Paris, die Stadt des Immobilienhandels! Zumindest zur Zeit der Belle Époque, 1889, denn die aufblühende Metropole wird gerade zu einer der schönsten Städte umgebaut. Da wollen wir in diesem Mehrheitenspiel unsere Scheibe vom Immobilienmarkt abhaben! 

REGELN

In Paris platzieren wir Schlüssel, um Geld zu sammeln und Gebäude zu erwerben. Diese Gebäude verkaufen wir für bessere Gebäude und sammeln Siegpunkte für Gebäude in beliebten Vierteln oder durch Bonusplättchen.

Jeder Spieler startet mit ein paar Schlüsseln und etwas Geld. Der Spielplan zeigt am Anfang nur die sechs Stadtviertel und den Arc de Triomphe. 

In seinem Zug muss ein Spieler zunächst das oberste Gebäudeplättchen von einem der drei verdeckten Stapel wählen und in der Stadt platzieren. Auf der Rückseite ist zu erkennen, zu welchem Stadtviertel dieses Gebäude gehört und auf der Vorderseite zeigt sich der Wert. Das Gebäude wird auf dem zugehörigen Feld platziert. 

Jetzt kann der Spieler eine Aktion ausführen. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten:

Es kann ein Schlüssel auf den Arc de Triomphe oder eine Bank gelegt werden. Der Triumphbogen befindet sich in der Mitte des Spielplans. Der Spieler kann einfach einen Schlüssel hinter seinem Sichtschirm hervorholen und dort drauf legen. Jedes Viertel hat zudem eine Bank, und legt der Spieler einen Schlüssel darauf, so gibt es etwas Geld. Wie viel es gibt, hängt vom Stadtteil ab.

Hat ein Spieler schon mindestens einen Schlüssel im Spiel, so kann er diesen von einer Bank auf ein freies Gebäude innerhalb des selben Viertels bewegen oder vom Triumphbogen zu einem beliebigen Gebäude. Dies kostet allerdings die auf dem Gebäude angegeben Zahl an Franc, z.B. 3 Franc für ein Gebäude mit einer 3. Alternativ kann auch ein Schlüssel von einem Gebäude zu einem anderen, dann aber höherwertigen Gebäude im Viertel bewegt werden; dann muss nur die Differenz bezahlt werden, z.B. von 3 nach 5 sind es nur 2 Franc. Voilà! 

Wer als erster einen Schlüssel auf ein Gebäude platziert, darf sich den dort liegenden Prestigemarker in Bronze, Silber oder Gold bzw. das Holz, Marmor oder Gold nehmen. Diese Marker werden hinter dem eigenen Sichtschirm versteckt. Die Gebäude haben dann noch einen Sondereffekt. Wer Gebäude 8 betritt, muss ein Holz bezahlen, aber bekommt 2 Punkte. Gebäude 4 und 5 machen nichts. Gebäude 3 bringt ein Bonusplättchen gegen 2 Franc und Gebäude 1 und 2 bringen 1 Bonusplättchen gratis.

Bonusplättchen gibt es auf einer Leiste um den Spielplan herum. Dort bewegt der Spieler seine Spielfigur soweit vorwärts wie er möchte und nimmt sich das Bonusplättchen, auf dem er landet. Hierbei ist Vorsicht geboten, denn zurück geht es auf dieser Leiste nicht mehr. Die meisten Plättchen gibt es nur einmal im Spiel. Bonusplättchen geben extra Rohstoffe, Prestigemarker, Franc, bieten Möglichkeiten, Siegpunkte zu sammeln oder die Regeln zu brechen. Ein Bonusplättchen darf ein Spieler behalten, bis er es einsetzt.

Statt seinen Schlüssel zu einem bereits ausgelegten Gebäude zu legen, kann der Spieler dem Stadtviertel auch ein Monument hinzufügen. Dies kostet entsprechend seines Wertes Franc, ggf. minus dem Gebäudewert, von dem der Schlüssel kommt, und die darauf gezeigte Mengen an Gold und Marmor. Wer sich auf ein Denkmal setzt, darf die dort gezeigten Prestigemarker in Siegpunkte umtauschen.

Liegen in einem Viertel auf vier Gebäuden Schlüssel (ein evtl. vorhandenes Monument zählt dazu), so platziert der aktive Spieler sofort ein Siegpunkteplättchen in das Viertel. Auf diesem Plättchen sind drei Punktewerte zu sehen. Am Ende des Spiels bekommt der Spieler, dessen von ihm besetzte Gebäudewerte addiert die höchste Summe im Viertel ergeben, den höchsten Punktewert, der Zweitplatzierte erhält den zweithöchsten, der Dritte bekommt den kleinsten Wert, und der Viertplatzierte im Viertel geht leer aus. 

Das Ende des Spiels wird durch die dritte Aktionsoption ausgelöst. Sobald die Gebäudestapel leer sind, dürfen die Spieler als Aktion ein Spielende-Plättchen nehmen. Der jeweils aktive Spieler sucht sich einfach ein Spielende-Plättchen aus dem Stapel aus. Dieses kann in folgenden Zügen für den darauf abgebildeten Bonus (Franc, Baumaterial, Prestige, Punkte) eingetauscht werden. Sind die Spielende-Plättchen verteilt, so wird die Runde beendet und dann noch eine Runde gespielt. Danach kommt die Wertung.

Wer das Bonusplättchen 27 besitzt, bekommt 1 Punkt pro Franc, den er übrig hat. Ansonsten ist Geld nichts mehr wert. Nun erhält jeder Spieler die Punkte entsprechend der Mehrheiten in den Vierteln und auf den Siegpunkte-Plättchen. Dann gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.

In vorgeschlagenen Varianten kann auch mit wechselnden Belohnungen auf den Gebäuden gespielt oder es können beim Belegen der Felder die Stadtviertel -Vorgaben ignoriert werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • schönes Material
  • geschickte Einkommensregelung
  • verschiedene Strategien


CONTRA

  • zieht sich zum Ende 

MEINUNG

Voilà, wir sind wieder in Paris, aber diesmal zu einer Zeit, in der die Stadt gerade erblüht, und die neuesten und prächtigsten Gebäude in den verschiedenen Vierteln der französischen Hauptstadt entstehen. In der Belle Époque lohnt es sich richtig in Immobilien zu investieren. Obwohl … so richtig finanziellen Gewinn scheinen wir gar nicht zu machen. Aber für den Spieler ist ja der schnöde Mammon nur das Mittel, um an den wahren Reichtum zu gelangen: Siegpunkte! 

Paris ist im Kern ein Mehrheitenspiel bei dem die Werte unserer gekauften Gebäude bestimmen, wie stark wir in einem der Viertel vertreten sind. Hierbei gibt es mehrere interessante Kniffe. 

Zum einen beschaffen wir uns Geld, indem wir auf eines der Viertel einen Schlüssel legen. Die verschiedenen Viertel geben verschiedene Mengen Geld von 2 bis zu 7 Franc. Warum gehen wir nicht einfach immer zum wohlhabenden Montmartre? Zum einen, weil wir unsere Schlüssel wieder erst von der Bank bewegen müssen und zum anderen kann ein einmal gelegter Schlüssel das Stadtviertel nie wieder verlassen. Montmartre wird also vermutlich von vielen Spielern umkämpft werden. Wer hierbei flexibel bleiben will, muss auch mal einen Schlüssel auf den Arc de Triomphe legen, was aber kein Geld bringt. 

Ob das reichste Viertel allerdings auch die meisten Punkte liefert, steht noch gar nicht fest. Erst wenn im Laufe des Spiels genügend Schlüssel in einem Viertel vertreten sind, werden dort die Punkte, welche am Spielende ausgeschüttet werden, festgelegt. Mit gutem Timing können so anderen Spielern zumindest Punkte verwehrt werden. 

Finanziell gesehen lohnt es sich von Gebäude zu Gebäude zu springen, denn für ein neues Gebäude wird nur die Differenz zum alten berechnet. Wer also immer einen Schritt macht, kann den Vorteil von sechs Gebäuden nutzen und bezahlt so viel, als wäre der Schlüssel direkt zum höchsten Gebäude gesprungen. Dieses Vorgehen wird aber erschwert durch die zufällige Reihenfolge, in welcher Gebäude ins Spiel kommen. Hinzu kommt noch, dass alle Spieler den Bonus für den ersten Besitzer eines Gebäudes haben wollen. 

Dies sind gut konstruierte Konflikte, aber sie wären noch nicht sonderlich interessant ohne die Bonusplättchen. Die Bonusplättchen bieten verschiedene Vorteile, welche nicht nur eine bestehende Strategie unterstützen können, sondern einige attraktive Punktequellen abseits der Mehrheiten-Wertung bieten. Wenn ein Spieler Punkte für gerade besetzte Gebäude mit dem Wert 1 bekommt, so wird er sich auf den 1er Gebäuden länger aufhalten und muss das richtige Timing finden, das Bonusplättchen einzulösen. Dies gilt für weitere Bonusplättchen. Wer darauf verzichtet, Monumente zu bauen, kann Marmor, Gold und Holz mit Hilfe eines anderen Plättchens in Punkte umwandeln. Die Bonusplättchen können auch ganz profane Franc, Prestigemarker oder Baustoffe liefern. 

Bisher konnte ich beobachten, dass Spieler sich oft auf eine der beiden Punktequellen (Mehrheiten oder Bonusplättchen) konzentrierten und bei der anderen dann noch so mitnahmen, was sich anbot. 

Gegen Ende des Spiels stellen die Spieler oft fest, dass das Spiel noch gar nicht das Ende ist. Meist wird erwartet, dass das Ende des Gebäudestapels das Ende des Spiels anzeigt. Weit gefehlt, denn bei Paris geht dann noch einiges. Selbst wenn die Spieler keine Schlüssel mehr neu platzieren können, stellen die meisten überrascht fest, dass doch noch einiges aus den eigenen Rücklagen gewonnen werden kann. Und lange Zeit ist nichts wirklich sicher, da einem Viertel spontan ein Monument hinzugefügt werden kann. Dies kann gegen Ende nochmal die Machtverhältnisse in einem Viertel verschieben. Trotzdem, so zeigte es sich in meinen Testrunden, haben die Spieler irgendwie das Gefühl, dass das Spiel schon vorbei sein sollte, denn meist beginnen die Spieler Spielende-Plättchen zu nehmen, wenn sie sonst nichts mehr machen können. Genauso häufig ändern die Plättchen an dieser Situation auch nichts mehr. So haben wir in unseren letzten Zügen manchmal gepasst, obwohl die Regel dies gar nicht vorsieht. 

Handwerklich ist Paris solide, wie es vom Autorenduo Kramer und Kiesling zu erwarten war. Ich denke besonders Fans von Mehrheitenspielen, wie z.B. El Grande, werden Spaß an Paris haben. Ich empfand das Spiel gegen Ende etwas zu zäh, weil auch alle Spieler noch durchrechnen müssen, wofür ihr Vermögen reicht und ob die errungene Mehrheit auch gesichert ist. Wir hatten mit drei Spielern schon Probleme, die angegebenen 90 Minuten einzuhalten, obwohl wir die meisten Züge flott gespielt haben. 

Das Material von Paris ist wirklich toll. Die kleinen Schlüssel sehen schön aus, die Spielerfarben sind die Farben der französischen Flagge (plus schwarz) und es gibt wirklich viel stabile Pappe in der Schachtel. Für jene, die es nicht schaffen, über den imposanten Triumphbogen zu schauen, ist auf dem Spielplan das entsprechende Feld aufgedruckt und das 3D-Modell kann einfach weggelassen werden. Hier wurde viel richtig gemacht. Die Symbole auf den Bonusplättchen sind, nach ein oder zwei Spielen, ausreichend als Erinnerungsstütze für deren Funktionen. 

Mein Fazit: Solides Material und solides Spiel für die Fans von Mehrheitenspielen. Leider zieht sich das Ende von Paris etwas heraus. 

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 20.06.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Game Brewer
Weitere Fotos: Spielkultisten