REZENSION
OROS
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2021 / 2022
- Verlag: AESC Games / Board Game Circus
- Autor: Brandt Brinkerhoff
- Grafik: Brandt Brinkerhoff
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min. pro Spieler
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 8/10
Die Weisheit in Stein gemeißelt
Der alte Weise möchte sein Wissen über die Kraft der Berge weiter verbreiten. Dazu wählt er euch aus, um als Halbgötter Landschaften zu verändern, zu verschieben, kollidieren und Gebirge entstehen zu lassen sowie heilige Ort zu errichten.
KICKSTARTER PREVIEW
Wichtige Info vorab: Uns wurde zum Test ein englischsprachiger Prototyp zur Verfügung gestellt. Sowohl Regeln als auch die Gestaltung können sich bis zur Produktion des Spiels (dann optional auch in deutscher Sprache) noch ändern! Kleine Änderungen sind bereits bekannt, auf unseren Fotos aber noch nicht sichtbar. Zudem verwenden wir in unserer Rezension und im Video teils eigene Begriffe, die in der deutschen Übersetzung des Spiels offiziell anders lauten können.
REGELN
Legt zunächst den Spielplan mit der kleineren Spielfläche in die Mitte. Dieser Plan ist für jede Spielerzahl geeignet. Im Spiel zu dritt oder viert könnt ihr, wenn ihr schon etwas mehr Spielerfahrung besitzt, auch mit der größeren Rückseite spielen. Spielt ihr zu zweit, benötigt ihr einen Automa-Charakter mit eigenem Kartenset, im Solospiel tretet ihr gegen zwei Automa-Spieler an.
Belegt den Spielplan mit ersten Plättchen, so wie es die Anleitung vorgibt. In den vier Ecken des Spielplans befinden sich rot umrandete „Hotspots“. Wann immer so ein Feld frei ist, wird es mit einer Insel belegt. Zu Beginn des Spiels wird auch ein 2er-Vulkan auf jede Insel gestellt. Vulkane gibt es, ebenso wie Landschaftsteile, in den Werten 1 bis 4. Bei den Landschaften gibt die Zahl an, wie viel Fläche aus einem Landgebiet (grün) besteht. Ein 4er-Plättchen ist also komplett grün.
Jeder Spieler erhält eine Spielertafel mit 5 Aktions-Slots sowie einer 6. Aktion, die jedoch farblich getrennt ist von den anderen, und noch einmal aus 3 unterteilten Spalten besteht. Die insgesamt 8 Slots werden zunächst mit jeweils einer Barrikade über dem untersten Aktionsfeld blockiert. In jeder Aktionsspalte kann diese Barrikade im Verlauf des Spiels weiter nach oben verschoben werden, um mehr Freiheiten bei der Aktionsauswahl zu besitzen. Auch werden auf diese Weise Boni oder Punkte freigespielt.
Jeder Spieler besitzt sogenannte Anhänger in seiner Farbe. Das sind quasi die „Worker“ des Spiels. Zwei davon blockieren zu Beginn direkt die Aktionen 5 und 6. Drei erhält jeder Spieler zum Einsetzen in der ersten Runde. Zudem warten noch weitere Anhänger an den Horizont-Linien. Mehr dazu später.
Ist ein Spieler am Zug, hat er 3 Aktionen. In der ersten Runde nutzt er eine Aktion, um einen seiner drei Anhänger auf ein freies Inselfeld des Spielplans zu stellen. Seine beiden weiteren Anhänger setzt er auf leere Aktionsfelder seines Tableaus und führt die Aktion auch immer direkt aus. Danach ist der nächste Spieler dran. Im weiteren Spielverlauf müssen die Anhänger dann immer zwischen den Aktionsfeldern des eigenen Tableaus versetzt werden, um eine neue Aktion auslösen zu können. Nur freie Felder dürfen belegt werden. Da jeder Spieler in jedem Zug immer 3 Aktionen nutzen kann, sollte er sich überlegen, in welcher Reihenfolge er Felder blockiert und wieder freigibt.
Die Aktionen:
Eine Plättchen-Reihe schieben: Alle Plättchen einer Reihe werden um 1 Feld verschoben; dabei kommen Plättchen, die an einer Seite aus dem Plan geschoben werden, exakt an der gegenüberliegenden Seite wieder ins Spiel. Stellt euch den Spielplan wie eine Kugel vor. Alle Randfelder sind quasi verbunden, darauf weisen auch die Pfeile an den Ecken hin.
Eine Plättchen-Gruppe bewegen: Zunächst werden 3 zusammenhängende Plättchen (später auch weniger, wenn entsprechende Features freigeschaltet wurden) in eine Richtung bewegt. Trifft dabei ein Plättchen auf ein anderes, verschmelzen die beiden Landschaften. Aus einer 1 und einer 3 wird so ein 4er-Plättchen. Da die 4 der höchste Wert auf einem Plättchen ist, werden evtl. überzählige Punkte (z.B. bei einer 3 und 4 = 7) mit einem Vulkan in der Stärke der Differenz auf dem 4er-Plättchen markiert (im Beispiel also mit einem 3er-Vulkan).
Treffen zwei 4er-Plättchen aufeinander, entsteht ein Gebirge (graues Plättchen). Gebirge können nicht mehr bewegt werden.
Vulkanausbruch / Stärkerer Vulkan: Auf diesem Aktionsfeld kann ein vorhandener Vulkan einen höheren Wert erhalten oder aber ausbrechen. Entscheidet sich der Spieler für den Ausbruch, wird der Vulkan-Wert mit dem des Plättchens addiert. Die Lava fügt dem Plättchen dann neue Landmasse hinzu. Das Plättchen wird entsprechend ausgetauscht, z.B. 1er-Vulkan auf 2er-Plättchen ergibt 3er-Plättchen. Ist der Wert höher als 4, fließt die restliche Lava auch noch auf das nächste Plättchen u.s.w. Sollte sich kein Plättchen mehr im Anschluss befinden, wird ein neues in der Stärke der Differenz erzeugt.
Anhänger zum Studieren schicken bzw. zurückholen: Wird dieses Feld belegt, stellt der Spieler einen anderen (!) Anhänger auf ein Studierfeld der Spielertafel bzw. auf einen heiligen Ort der eigenen Farbe auf dem Spielplan (mehr dazu gleich). Holt der Spieler hingegen studierende Figuren zurück, erhält er dafür Weisheit. Pro Weisheit kann der Spieler eine Barriere auf seinem Aktionstableau weiter nach oben schieben, um, wie gesagt, mehr Freiheiten zu erlangen.
Anhänger bewegen: Der Spieler, der diese Aktion wählt, bewegt seinen Anhänger auf dem Spielplan um 1 Feld (oder später mehrere Felder), immer nur über das Festland.
Gelangt ein Spieler auf ein Gebirge, so kann er die letzte Aktion auslösen: Einen heiligen Ort errichten. Dazu besitzt jeder Spieler je drei 3er-, 2er- und 1er-Plättchen. Ist es der erste Spieler, der einen heiligen Ort auf einem Berg errichtet, legt er ein 3er-Plättchen seiner Farbe ab und stellt seine Figur zum Studieren auf die neu geschaffene Ebene. Jeder Spieler darf an jedem Ort nur einmal (!) vertreten sind. Andere Spieler können auf einen 3er- einen 2er- und auf einen 2er- auch noch einen 1er-Ort errichten. Bereits dort vorhandene Spieler erhalten dann, genau wie der jeweilige Erbauer eines solchen Ortes, stets 1 Weisheit (Barrikade verschieben) sowie 2 Schritte auf dem Fortschritts-Tempel. Besetzte Felder werden dort übersprungen. Achtung: Figuren auf heiligen Orten können mit einer Aktion vom Studieren zurückgeholt werden oder alternativ auch bewegt werden, allerdings zählt jede Ebene beim Abstieg als 1 Schritt.
Sollten alle 5 vorderen Spalten auf dem Aktionstableau des Spielers eine vorgegebene Grenze überschritten haben, wird diese Horizont-Reihe aktiviert. Das bedeutet: Der Spieler erhält nun am Spielende Punkte für Studierende sowie, sofort, einen zusätzlichen Anhänger. Im Prototyp gab es zwei solcher Reihen, in der finalen Version sollen es drei Reihen sein.
Das Spiel endet nach der Runde, in der ein Spieler die Spitze des Tempels erreicht hat. Nun gibt es eine Schlusswertung. Es gibt Punkte
- für das Feld auf der Aufstiegsleiste, auf dem sich der Spieler befindet.
- für jeden erbauten heiligen Ort, multipliziert mit der freigespielten Punktezahl dieser Aktionsspalte.
- für freigespielte Punkte auf den Aktionsleisten.
- für studierende Anhänger, multipliziert mit der Punktezahl der freigespielten obersten Horizont-Reihe.
Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- interessanter Mix aus Worker-Placement und Lege-/ Verschiebe-Puzzle
- trickreicher Arbeitereinsatz
- bessere Aktionen bzw. Boni müssen freigeschaltet werden
- schöne Optik
- gut strukturierte Anleitung
CONTRA
- zu viert etwas chaotisch, allein und zu zweit dagegen nur mit Automa spielbar
- Schiebe-Mechanismus ist teilweise nicht auf den ersten Blick intuitiv
- Langzeitspielreiz muss sich noch beweisen
MEINUNG
Terraforming Oros - oder was? Ja, man könnte die Spielstory so zusammenfassen, denn letztlich gestalten wir als Halbgötter die Landschaft neu. Wir verschieben Landmassen, lassen sie kollidieren und zu Gebirgen anwachsen, um heilige Orte zu errichten. Man muss sagen: Die Hintergrundgeschichte ist definitiv interessant, und das Spiel besitzt schon nach dem Aufbau eine schöne Tischpräsenz. Es sieht gut aus, die Materialien sind - soweit es sich nach dem Prototypen beurteilen lässt - sehr gelungen.
Was auf den ersten Blick vielleicht aussieht wie der x-te Carcassonne-Klon, entpuppt sich schnell als strategisches Kennerspiel, definitiv kein Spiel für Spielanfänger! Ein Glücksfaktor ist im Spiel zu dritt oder viert quasi nicht vorhanden, der Aufbau ist stets gleich, die Möglichkeiten, wie sich das Spiel entwickelt, bestimmen die Spieler selbst. Zu zweit bzw. allein muss mit einem oder zwei Automa-Spielern gespielt werden - das bringt Varianz, aber eben auch eine gewisse Zufälligkeit mit ins Spiel. Zu viert hingegen kann das Spiel dann schon leicht chaotisch werden, da sich vieles ändert, bis man wieder am Zug ist. Die ideale Spielerzahl sehe ich nach meinem ersten Eindruck tatsächlich bei 3, auch wenn das Spiel mit jeder Spielerzahl funktioniert.
Die Anleitung ist gut geschrieben, mit praktischen Beispielen zum leichteren Verständnis einzelner Situationen. Dennoch: Das Herzstück des Spiels, das große Schiebe-Puzzle auf dem Spielplan, muss erst einmal komplett verstanden werden. Was bedeutet "zusammenhängend"? Was bedeutet "in gleicher Richtung"? Durch seine Darstellung erweckt das Feld den Anschein einer ebenen Fläche, aber in Wahrheit soll das alles eine Art Kugel darstellen, Pfeile helfen auf dem Plan, das leichter zu verstehen. Trotzdem zeigt sich: Nicht jeder versteht das sofort, das ist nicht immer auf den ersten Blick intuitiv. Hat man es dann einmal verstanden, gibt es viele taktische Bewegungsmöglichkeiten, um Gelände zu verändern - durch Kollision oder durch Vulkane z.B.
Das Spiel wird gesteuert über einen klassischen Worker-Placement-Mechanismus, bei dem sich die Spieler allerdings nicht ums Belegen freier Plätze streiten. Das macht jeder Spieler mit sich selbst aus, denn ich darf mich nur auf freie eigene Aktionsfelder stellen, und möchte ich dringend eine bestimmte Aktion ausführen, so muss ich das Feld dann dafür vorher frei räumen. So entsteht ein Arbeiter-Management, der eine Planung voraussetzt, denn die Aktionsabfolge ist schon wichtig, um nicht unnötig Zeit in den eigenen Spielzügen zu verschenken. Effizientes Spielen ist angesagt, denn Oros ist auch ein Wettrennen.
Sehr gelungen ist dann auch die Art, wie man an bessere Aktionen gelangt. Durchs Studieren kann ich mir mehr Weisheit aneignen und die Barrikaden meines Wissenshorizonts verschieben. So erhalte ich im Laufe des Spiels immer mehr Auswahl, wenn ich eine bestimmte Aktion wähle - oder auch einen dauerhaften Vorteil. Oder halt Punkte.
Punkte sammele ich dann im Spiel z.B. durch den Tempel-Aufstieg, doch dafür muss ich heilige Orte errichten. Ihren Wert am Spielende bestimme ich erneut durch Aufwertungen, genau wie die Punkte in den Aktionsspalten oder eben freigespielte Horizont-Grenzen. Alles ist gut verwoben, die Spielerzüge sind interessant.
Nun stellt sich die Frage nach dem Langzeit-Spielreiz. Der fließt ja normalerweise immer in unsere Kultnoten ein. Da ich diesmal nur ein Prototyp-Einzelstück für eine kurze Zeit ausleihen konnte, kann ich noch nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob das Spiel über eine lange Zeit genauso interessant bleibt wie in den ersten Partien. Meine Kultnote spiegelt meinen Ersteindruck nach drei Partien mit jeweils unterschiedlicher Spielerzahl wieder. Wie schon erwähnt: Das beste Spielgefühl hatte ich zu dritt, aber auch sonst ist Oros auf jeden Fall mehr als einen Blick wert, wenn man solche taktischen Legepuzzle / Verschieberätsel mag. Meinen Spielgeschmack hat das Spiel in seiner Kombination der Mechanismen auf jeden Fall sehr gut getroffen - und so vergebe ich, eben für den ersten Eindruck, sehr gute 8 Kultpunkte.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/TPXnpZ5y1R4
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 25.07.2021
Für diesen Spieletest wurde uns leihweise ein Prototyp zur Verfügung gestellt.
Bildnachweis:
Coverfoto: AESC Games / Board Game Circus
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