REZENSION

OLD LONDON BRIDGE

  • Genre: Familien-/ Taktikspiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Queen Games
  • Autoren: Gabriele Bubola, Leo Colovini
  • Grafik: Markus Erdt, Patricia Limberger
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht 
  • Taktiklevel: 4/10

Mittelalterliche Hausnummern-Logistik

Die alte Holzbrücke über die Themse fiel einer Feuersbrunst zum Opfer. Nun seid ihr die Baumeister des späten 12. Jahrhunderts, die damit beauftragt sind, einen Brücken-Neubau aus Stein zu fertigen, der ganze Gebäude beherbergen kann.

REGELN

Belegt den Spielplan mit dem Spielmaterial (Karten, Münzen, optionale Wertungstafeln, Spielermarker, gemischte Gebäudeplättchen - sortiert nach Gebäudeart -, Rundenplättchen und Drehscheibe.

Jeder erhält vor Spielbeginn eine Brücke in der eigenen Farbe (mit Schlitzen für 12 Gebäude) sowie 5 Geld Startkapital und die "Peter de Colechurch"-Karte im Wert von 0. Je nach Spielerreihenfolge bekommt jeder noch eine vorgegebene Kombination aus 5 weiteren Handkarten mit dem Wert von 1 bis 4. 

Gespielt werden 12 Runden. Zu Beginn jeder Runde wird das nächste Rundenplättchen aufgedeckt und die Drehscheibe in der Mitte entsprechend viele Sektoren weitergedreht. 

Nun bieten alle Spielenden um eine Aktion, indem sie eine ihrer Handkarten zunächst verdeckt vor sich auslegen. Dann werden alle Karten aufgedeckt. Wer die höchste Zahl gespielt hat, beginnt die Runde, alle anderen folgen absteigend, wobei die Kapellen-Leiste Gleichstände auflöst (wer weiter vorn steht, darf zuerst spielen). Ausgespielte Karten werden zurück auf den Spielplan gelegt, die Kartenhand wird also kleiner. Einzig die 0-Karte wird immer wieder zurück auf die Hand genommen.

Wer nun - der Karten-Rangfolge entsprechend - an der Reihe ist, setzt seine Spielfigur auf ein freies Einsetzfeld der Drehscheibe. Jedes Feld ist mit einem Gebäude-Stapel verbunden und liefert Einkommen in der angegebenen Höhe. Der Sektor mit dem X ist in dieser Runde gesperrt. Das Feld in der Mitte hingegen liefert Zugang zu allen sechs ausliegenden Gebäuden, kostet aber 2 Münzen beim Belegen! Jedes Feld darf nur einmal belegt werden. 

Das erstandene Gebäude wird dann in den ersten freien Schlitz der eigenen Brücke von links eingesteckt. Achtung! Achtet auf die Hausnummern! Jedes folgende Gebäude muss eine niedrigere Hausnummer zeigen als das Nachbargebäude. Passt die Reihenfolge nicht, muss ein Gebäude abgerissen und das neue Gebäude an eine passende Position eingefügt werden. Alternativ kann ein Park gebaut werden. Der zeigt keine Hausnummer. Nach einem Park darf wieder mit einer beliebigen Hausnummer begonnen werden.

Sobald das Gebäude auf der Brücke platziert wurde, bringt es in den meisten Fällen eine Aktion:

  • Ein Park ermöglicht, wie gesagt, den Neuanfang der Sortierung.
  • Eine Kapelle bringt Schritte auf der Kapellen-Leiste. Dazu wird das Wappen betrachtet, das auf dem Kapellen-Plättchen zu sehen ist. Nun werden alle Wappen dieser Farbe auf der eigenen Brücke addiert - entsprechend viele Felder geht‘s dann auf der Leiste nach vorn. Die Kapellen-Leiste liefert Münzen und den Gleichstands-Vorteil.
  • Genauso funktionieren auch die Brückentore. Auf der Brückentor-Leiste gibt es am Ende Münzen, unterwegs markierte Felder, auf denen man sich ein Bonus-Plättchen (mit Vorteilen wie z.B. dem kostenlosen Belegen des Mittelfeldes der Drehscheibe, einer zusätzlichen Karte vor dem Bieten oder das Besetzen eines belegten Feldes)  aussuchen darf, das dann ab der nächsten Runde eingesetzt werden kann. Nicht verwendete Plättchen sind am Spielende auch 1 Punkt wert.
  • Beim Krämerladen gibt es Geld in Höhe der gleichfarbigen Wappen.
  • Bei der Herberge dürfen - entsprechend der Wappen-Anzahl - neue Karten aus der Auslage auf die Hand genommen werden - für 3 identische Wappen z.B. eine 3er-Karte oder eine 2er- und 1er-Karte.
  • Die Gildenhäuser haben keine eigene Funktion, liefern aber gleich Wappen jeder Farbe, verstärken somit künftige Aktionen von allen später gebauten Gebäuden.


Das Spiel endet nach Runde 12. Leere Schlitze auf der eigenen Brücke (jeweils entstanden durch einen Gebäude-Abriss) verursachen Minuspunkte. Zu den im Spiel verdienten Münzen und ggf. noch übrigen Bonus-Plättchen kommen nun die Punkte der Wertungsvorgaben (aufgedruckt auf dem Spielplan oder über optionale Wertungstafeln). Da gibt es Mehrheiten-Wertungen, Rankings, Fortschrittswertungen oder auch Wertungen, die jeweils am Rundenende ausgeführt werden.

Wer die meisten Münzen sammeln konnte, gewinnt.

Im Spiel zu zweit werden nur 6 Runden gespielt, dafür spielt jeder Spieler in jeder Runde gleich 2 Karten. Auch dann wird wieder ein Ranking erstellt und die Aktionen in der Reihenfolge der Karten ausgeführt. Für die zweite Aktion muss ein anderes Einsetzfeld als für die erste Aktion gewählt werden, ansonsten folgt das Spiel den o.g. Regeln.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • historisches Thema
  • gutes Spielmaterial
  • einfacher Zugang, schnell gespielt
  • in Vollbesetzung interessantes Biet-Element


CONTRA 

  • eher geringe Spieltiefe
  • recht hoher Glücksfaktor
  • Aktionen sind eher nüchtern, kein echtes Engine Buildung möglich
  • zu zweit haben die Biet-Karten nur geringe Auswirkungen

MEINUNG

Wie so oft bei Spielen von Queen Games, hat auch Old London Bridge wieder eine hohe Produktionsqualität. Das Spiel macht - trotz eher funktional illustriertem Spielplan - auf dem Tisch was her, insbesondere die 3D-Brücken aus fester Pappe sorgen für Atmosphäre. Dabei ist der Spielplan aber eigentlich nur Ablagefläche. Spielerich wichtig sind einzig die zwei Leisten - ansonsten hätte man das Material auch auf dem Tisch verteilen können, aber nun gut, das Auge spielt mit.

Allerdings weckt ein Spiel mit entsprechender Ausstattung, in einer großen Schachtel, auch Erwartungen. Da gab es im Portfolio von Queen Games ja schon echte Highlights - das Strategiespiel Fresco z.B. oder die gehobenen Familienspiele Luxor oder Rune Stones. Mit entsprechender Erwartungshaltung bin ich auch bei Old London Bridge in meine erste Testpartie gegangen.

Zunächst einmal positiv anzumerken: Die Anleitung ist übersichtlich und leicht verständlich, der Spielablauf sehr simpel, und die Aufgabe, die Häuser geschickt auf die eigene Brücke zu bringen, Aktionen zu verstärken und die Nummerierung zu beachten, ohne das etwas abgerissen werden muss, klingt ja auch durchaus interessant.

Erster Fehler in der Erstpartie: Nur 2 Spieler am Tisch! Das bemerkt man natürlich erst im Nachhinein. Da gibt es zwar eine angepasste Variante, aber ganz ehrlich - da fehlt es echt an Konkurrenz auf der Aktionsscheibe. Da ist eigentlich immer so viel möglich, dass es sich kaum lohnt, ernsthaft auf hohe Karten beim Bieten zu zocken. Selbst durch das ständige Ausspielen von 0er-Karten lässt sich tatsächlich eine Partie gewinnen. Da ist dieser Mechanismus leider gefühlt überflüssig.

Das sieht dann im Spiel zu viert schon ganz anders aus. Da ist es häufig extrem wichtig, vor der Konkurrenz an der Reihe zu sein, denn die Gebäude-Auslage in der Spielplan-Mitte ist halt zufällig, und wenn ich eine kluge Sortierung der Hausnummern vornehmen möchte, dann sollte ich vielleicht besser nicht mit der 17 starten, wenn die Häuser von 1 bis 60 nummeriert sind. Ein Park kann einen retten, wenn man Zugriff auf ihn bekommt, aber er liefert, außer einem Wappen, halt auch keine weitere Funktion. Das machen die Gildenhäuser auch nicht, aber die bringen einem wenigstens gleich vier verschiedene Wappen, um zukünftige Aktionen stärker zu machen.

So möchte das Spiel also einen kleinen Engine-Builder-Effekt integrieren. Sammele ich mehrere gleichfarbige Wappen, dann kann eine Aktion schon deutlich besser für mich ausfallen. Das Voranschreiten auf den zwei Leisten ist ansonsten eher etwas mühsam, in allen Fällen aber auch nicht besonders spannend. Ja, mal geht es ums Auflösen von Gleichständen, mal um Bonus-Plättchen, aber so richtig faszinierend ist es dann auch nicht, wenn ich auf so einer Leiste mal 3 Schritte vorwärts wandere. Die Karten-Aktion auf den Herbergen ist zudem, wie gesagt, nur im voll besetzten Spiel wirklich wichtig, es sei denn, eine der austauschbaren Wertungskarten liefert einem noch einmal wichtige Punkte am Spielende für bestimmte Handkarten. Naja, und mit den Krämerläden mache ich halt schnelles Geld (= Punkte).

Schnell ist dann hier auch das Stichwort. Schnell gespielte Spiele haben ja so ihre Vorzüge gegenüber 3-Stunden-Spielen. Bei Old London Bridge gibt es da jedoch für mich ein Dilemma. Die Spielzüge sind kurz, die Wartezeiten gering, das Spiel ist meistens nach 30 bis 45 Minuten vorbei. Dem entgegen steht aber das Konzept, eigentlich eine Engine aufbauen zu wollen, die einem immer bessere Erträge liefert. Nur ist das in 12 Runden kaum möglich, da auch einfach viel Glück im Spiel vorhanden ist. Mir bringen 5 gelbe Wappen nichts, wenn kein für mich wichtiges Gebäude in der Auslage ein gelbes Wappen zeigt ... Da hätte ich mir tatsächlich von allem „Mehr" gewünscht - hier ausnahmsweise ein bewusst längeres Spiel, um Synergien erfolgreicher nutzen zu können, für erfahrene Spieler auch gern abwechslungsreichere Aktionen, die einem noch eine zweite Ebene eröffnen.

So bleibt Old London Bridge rein spielerisch auf einem eher niedrigen Niveau. Ja, man kann versuchen, gezielt auf die Wertungen zu spielen, aber wenn ein Gebäude nicht passt, dann passt es einfach nicht. Und liegen gleich zu Beginn nur niedrige Hausnummern im Angebot, dann weiß ich im Grunde schon, dass ich einfach auch Minuspunkte machen werde.

So empfehle ich das Spiel dann vor allem der Zielgruppe der Gelegenheitsspieler, die eine gute Mischung aus Taktik und Glück mag und nicht mit Regeln überhäuft werden möchte.  Dennoch gibt es in diesem gehobenen Familienspiel-Sektor noch kurzweiligere Spiele wie z.B. Welcome to..., das ebenfalls auf die Hausnummern-Sortierung setzt, aber noch mehr spielerische Entscheidungen einfordert. Vielspielern fehlt es da auf der London Bridge dann doch an Herausforderung, denn viele Spielzüge werden einem indirekt als offensichtlich beste Alternative vorgegeben.

So manchen Spielen kann die Präsentation dann tatsächlich auch zum Verhängnis werden. Old London Bridge wäre auch ohne den großen Spielplan und die 3D-Brücken ausgekommen. In einer kleineren Schachtel hätte ich das Spiel sicher als neckisches Zwischendurch-(Karten-)Spiel angesehen, das man gern für eine schnelle Partie auf den Tisch bringt. Die Schachtel, der Spielplan - das alles suggeriert hier jedoch mehr Anspruch, als der rein spielerische Gehalt dann wirklich bietet. Kein schlechtes Spiel, nein, aber für mich auch kein Spiel, das ich immer wieder und wieder spielen muss, um noch irgendetwas Neues entdecken zu können. Auch wenn es diverse Wertungskombinationen gibt, so fühlt sich jede Partie doch sehr ähnlich an. Und die Partien sind nach meinem Geschmack auch einfach zu kurz, um befriedigende aufeinander aufbauende Erfolge zu erspielen.

Das funktioniert rein technisch alles sauber, aber ein Rune Stones, ein Luxor, ja, selbst ein (im Vergleich) ähnlich einfaches Copenhagen liefert mir da mehr Möglichkeiten zur Eigeninitiative. Bei Old London Bridge werden, wenn es sie gibt, spannende Momente eher durch den Glücksfaktor generiert, was manche von euch sicher mögen werden - ich persönlich empfinde das Konzept jedoch schon als zu reduziert. Es passiert selten, dass ich mal sage: „Mehr“ wäre hier für mich „Mehr“ gewesen. So vergebe ich diesmal durchaus solide 6 Punkte - das kann man spielen, das werde ich auch wieder mitspielen, aber man sollte wissen, dass man hier mehr einen flotten „Füller“ geliefert bekommt als ein „großes“ Spiel, wenngleich die Schachtel etwas anderes vermuten lässt. Wer so ein Zwischendurch-Spiel sucht bzw. ein Spiel, das auch mit sonst eher wenig spielenden Leuten funktioniert, der kann sich die Old London Bridge aber gern einmal näher ansehen.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/O-WXMfOf83U

KULTFAKTOR: 6/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 5/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 26.06.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Queen Games
Weitere Fotos: Spielkultisten