REZENSION

NEOVILLE

  • Genre: Familien- / Legespiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: HCM Kinzel
  • Autor: Phil Walker-Harding
  • Grafik: Ingenious Studio
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 7/10

Die Zukunft ist genau jetzt!

In Neoville errichten wir eine futuristische Stadt. Dazu werden Landschaftsplättchen aneinander gelegt, sodass Bezirke entstehen, die Wolkenkratzer und Bioprojekt aufnehmen, welche bei guter Planung Harmoniepunkte liefern. Da jedoch alle um die beste Stadt konkurrieren, muss man bei so manchem Bauprojekt schnell zugreifen und die Realisierung erst im Anschluss in den Angriff nehmen ...

REGELN

Lost einen Startspieler aus und gebt ihm das Startplättchen mit der 1, die weiteren Mitspielenden erhalten reihum das nächsthöhere Startplättchen (in der Anleitung als „Ausgleichsplättchen“ bezeichnet). Das erhaltene Plättchen nimmt jeder auf die Hand.

Mischt die Stadtplättchen und legt sie als verdeckten Stapel bereit, legt 4 davon als offenes Angebot aus. Aus den Plättchen baut gleich jeder seine eigene Auslage, die am Ende des Spiels eine eigene Stadt aus 4x4 Plättchen enthalten wird. Stellt die Wolkenkratzer (in den Höhen 4, 5, 6, 7, 8, 10 und 12 in vier Ausführungen - Lehm, Wald, Stein, Wasserfall) bereit; spielt ihr mit weniger als 4 Spielern, werden einige Gebäude aussortiert. Sucht euch aus den drei verschiedenen Bioprojekt-Arten zwei aus und stellt die entsprechenden Aufsteller ebenfalls bereit.

Jeder zieht nun noch 2 Stadtplättchen auf die Hand; dann kann das Spiel beginnen.

Bist du am Zug, spiele ein Plättchen von deiner Hand aus. Das neue Plättchen muss (außer im ersten Zug) immer angrenzend zu bereits liegenden Plättchen gebaut werden. Nach dem Platzieren darf (optional!) genau ein Feld des gerade gelegten Plättchens bebaut werden (jedes Plättchen ist unterteilt in 4 Felder, teils mit unterschiedlichen Landschaften), entweder mit einem zur Landschaft passenden Wolkenkratzer oder mit einem Bioprojekt. Hier gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Verbaue ich z.B. direkt den 12er-Wald-Wolkenkratzer auf einem Wald-Feld, kann niemand anderes mehr dieses Gebäude errichten, denn es ist nur einmal vorhanden. Sportanlagen und Parks dürfen nie bebaut werden!

Nachdem du ein neues Plättchen nachgezogen und das Angebot wieder um ein neues Plättchen vom Stapel ergänzt hast, ist der nächste Mitspielende dran. Das wiederholt sich, bis jeder eine Stadt aus 4x4 Plättchen errichtet hat.

Die Wertung erklärt, wie ich Wolkenkratzer und Bioprojekte verbauen bzw. die Landschaftsfelder darum puzzeln muss:

  • Jeder Wolkenkratzer bringt die aufgedruckten Punkte (= Höhe), wenn er in einem landschaftlich passenden Bezirk liegt, der aus mindestens so vielen orthogonal zusammenhängenden Feldern besteht, wie die Zahl auf dem Gebäude vorgibt. Ein 12er-Wolkenkratzer muss also in einem zusammenhängenden 12er-Gebiet der passenden Landschaft stehen.


Die Bioprojekte funktionieren unterschiedlich. Auch hier gilt, dass sie die aufgedruckten Punkte bringen, wenn die Bedingung am Spielende erfüllt ist:

  • Eco Mobile kontrollieren am Spielende die Reihe und Spalte ihres Standortes. Befindet sich in der zugehörigen Reihe und der zugehörigen Spalte insgesamt die geforderte Anzahl an auf dem Aufsteller vorgegebenen Strukturen (Wolkenkratzer, Sportplätze, Parks), gibt es dafür die aufgedruckten Punkte.
  • Windräder müssen am Ende auf einem auf dem Aufsteller vorgegebenen Standort stehen (z.B. in einer Ecke der eigenen Stadt, in der linken Spalte etc.).
  • Biodome müssen sich in einem Bezirk befinden, der exakt (!) die vorgegebene Form hat, die auf dem Aufsteller vorgeschrieben wird.


Vorsicht! Alle in der eigenen Auslage platzierte Wolkenkratzer und Bioprojekte, die am Spielende NICHT ihren jeweils geforderten Anforderungen entsprechen, bringen die aufgedruckten Punkte als Minuspunkte!

Dann werden noch jeweils 5 Punkte an denjenigen vergeben, der die meisten Parks und der die meisten Sportplätze gebaut hat. Bei einem Gleichstand erhalten alle Beteiligten jeweils die volle Punktezahl.

Wer nun insgesamt die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • trickreiches Legespiel, bei dem der Blick in die Zukunft auch spielerisch verlangt wird
  • nette Optik


CONTRA 

  • es gibt bereits viele Legespiele
  • zum Ende hin kann das Spiel ein wenig zufällig oder gar belanglos werden

MEINUNG

Neoville, was so viel wie Neustadt bedeutet, lässt uns eine Stadt in der Zukunft bauen. Das Spielmaterial besteht aus fester Pappe, Gebäude und Bioprojekte sind einfache zusammengesteckte Aufsteller, aber nett bedruckt, sodass den verschiedenen Gebäudearten ein Gesicht verliehen wird. Dass sich die Anzahl der Punkte bei den Wolkenkratzern auch in deren Höhe wiederfindet, ist ein nettes Gimmick, das am Spielende für einen schönen Anblick der eigenen Auslage sorgt.

Nicht nur thematisch zieht es uns in die Zukunft, nein auch spielerisch ist der Blick auf das, was noch kommt, von zentraler Bedeutung. Die Wolkenkratzer und Bioprojekte befinden sich für alle offen im Angebot - und was weg ist, ist weg. Während ich meine Puzzle-Aufgabe solitär löse, darf ich die Mitspielenden nie aus Blick verlieren. So muss ich mich rechtzeitig entscheiden, einen bestimmten Aufsteller zu verbauen, bevor es vielleicht jemand anderes macht, auch habe ich im gesamten Spiel halt maximal 16 Mal die Chance, zuzugreifen.

Jede Runde, in der ich auf die Bau-Option verzichte, kostet mich potenzielle Punkte, wobei ich nicht übermütig werden darf. Erreiche ich ein Ziel nicht, werden mir die Punkte abgezogen. So zocke ich also ein wenig im Voraus auf das, was ich entstehen lasse, bzw. versuche, die Plättchen so zu legen, dass ich alle Voraussetzungen für meine angenommenen Projekte schaffe. Klar ist da auch immer ein wenig Glück im Spiel, welche Plättchen ins Angebot kommen, aber meistens kann ich dann doch etwas Sinnvolles tun ... zumindest bis ca. 3 Spielzüge vor Spielende. Später mehr dazu.

Das Puzzeln ist weniger futuristisch als es thematisch anmutet, ähnliche Spiele gibt es bekanntlich zuhauf. Da braucht es schon ein eigenständiges Merkmal, das hier wieder, passend zum Thema, „in der Zukunft“ liegt. Die Idee, einen Wettlauf um erst später zu vollendende Realisierungen zu starten, bringt einen schönen Aspekt in ausgetretene Pfade - auch nicht grundlegend neu, aber zumindest recht erfrischend. Leider zündet dieser Gedanke nicht immer so gut, wie er sich theoretisch anhört. Nehme ich recht schnell „hohe“ Bauprojekte an, so sind diese (ich möchte schon „leider“ sagen) doch über 16 Runden recht simpel zu erfüllen. Wir hatten in unseren Runden selten Probleme, dass Wolkenkratzer-Bezirke am Ende zu klein waren, es sei denn, jemand verliert im Spiel kurzfristig den Überblick und verbaut einen wichtigen Anschluss.

Die Bioprojekte sind schwieriger zu erfüllen. Bei den Eco Mobilen muss ich schauen, ob ich eine entsprechende Anzahl an Strukturen in entsprechenden Reihen und Spalten versammelt bekomme. Das klappt eigentlich nur sicher, wenn ich von Beginn an gezielt darauf spiele. Die Windräder nimmt man bevorzugt kurz vor Spielende mit, da sie bestimmte passende Positionen belohnen - recht einfach, sofern dort noch Platz für ein neues Plättchen ist. Dagegen wieder recht schwer zu erfüllen sind die Biodome. Bezirke exakt in eine vorgegebene kleine Form zu bringen, kann mitunter größere Projekte behindern. Gerade Biodome sollte ich nie so platzieren, dass es bei ihrer Erfüllung auf das letzte angrenzende Plättchen ankommt, das die Form vervollständigen muss oder sie eventuell doch noch wieder zerstört ...

Neoville lässt dadurch eine clevere Puzzleaufgabe entstehen, die einer gewissen Lernkurve unterworfen ist. Wer das Spiel zum ersten Mal spielt, wird gewisse Dinge nicht gleich so beachten, wie jemand, der bereits weiß, worauf es im Spiel alles ankommt. Ab der zweiten, dritten Partie wird einem klar, dass man meist nicht gewinnt, wenn man einfach nur die 12er-Wolkenkratzer baut; es wird einem klar, wie wichtig der optionale Baufortschritt ist, aber auch, dass es hier Grenzen gibt und man vielleicht dann einfach besser verzichtet, bevor man am Ende einer Partie Minuspunkte macht.

Bis dahin ist Neoville ein guter Vertreter seines Genres, keine Frage. Leider trübt für mich eine zuvor bereits erwähnte Tatsache diesen guten Gesamteindruck dann auf den letzten Metern doch noch etwas. So passierte es in fast jeder Partie, dass man ab einem gewissen Punkt keine neuen Projekte mehr annehmen mochte oder konnte, einfach, weil die Voraussetzung nicht mehr zu erfüllen war oder sich ein Mitspielender bereits den passenden Aufsteller gekrallt hatte. Okay, dann beende ich also das, was ich begonnen habe. Aber auch hier passiert es nicht selten, dass ich alle Aufgaben, die ich zuvor angenommen habe, bereits  erfolgreich konnte. In unseren Spielrunden geschah das meistens so zwei, drei Spielzüge vor Spielende. Da waren sich fast alle einig, jetzt nur noch Plättchen zu ziehen und zu legen, um eben das Spielende auszulösen. Ja, wer ungeschickt gebaut hat, kann sich dadurch eventuell noch ein Biodom-Projekt vermasseln, ansonsten aber passiert dann in den letzten Spielzügen einfach nichts relevantes mehr, außer, vielleicht mit Sportplätzen und Parks noch eine Mehrheit erzielen zu können, aber diese Wertung ist auch oftmals schon vorher entschieden - oder sie wird rein glücksabhängig über das aktuelle Plättchen-Angebot geregelt.

Diese letzten Spielzüge fühlten sich, bei guter Planung, dann irgendwie langweiliger an als die Spielzüge zuvor, und beendeten das Spiel ohne Spannungskurve. Schade. Ich möchte Neoville den schönen Puzzle-Aspekt aber nicht absprechen, der ist mir gute 7 Punkte wert. Wer sich in das Spiel reinfuchst und es nur zu zweit spielt, kann hier, bei zwar weniger Aufsteller-Auswahl, mehr Planbarkeit erwarten als in einer 4-Spieler-Partie, bei der man nie genau weiß, was einem für Projekte und Gebäude weggeschnappt werden und was einem so für Plättchen angeboten werden. Gerade im 4er-Spiel wurden unsere Partien am Ende nicht selten recht beliebig, dafür gibt es dann einen Punkt Abzug, sodass die Wertung (6 oder 7 Kultpunkte) also sowohl von der Spielerzahl als auch von den eigenen Planungsfähigkeiten abhängt.

Wer Lege-Puzzle dieser Art generell mag, kann sich Neoville auf jeden Fall einmal anschauen.

KULTFAKTOR: 6-7/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 6-7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 11.05.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: HCM Kinzel / Blue Orange Games
Weitere Fotos: Spielkultisten