REZENSION

NEOM

  • Genre: Taktik / Legespiel
  • Jahr: 2018
  • Verlag: Lookout Spiele
  • Autor: Paul Sottosanti
  • Grafik: Klemens Franz, Christian Opperer
  • Spieler: 1 bis 5 
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Reihenhaus in sauberer Nachbarschaft gesucht

 In NEOM erbauen wir unsere eigene Stadt mit Hilfe eines Drafting-Mechanismus'. Wir suchen uns aus den Stadtplättchen auf der Hand eines aus, die anderen bekommt der Nachbar. Doch wo ist die Idylle hin – schon erschüttern Katastrophen unsere kleine Welt. Nur wer klug und punkteträchtig gebaut hat, ist nach drei Generationen der Sieger.

SPIELKULT CLASSICS

In dieser Rubrik findet ihr ab sofort Rezensionen früherer SPIELKULT-Jahre, die es bislang nicht auf unsere 2021 neu gestaltete Webseite geschafft haben, die wir euch aber nun nach und nach, so wie ihr es euch gewünscht habt, noch einmal vorstellen möchten.


REGELN

Jeder Spieler bekommt einen Stadtplan. Dann nimmt sich jeder von den Rohstoffmarken das, welches dem Rohstoff des Ursprungs auf dem mittleren Feld des eigenen Spielplans entspricht. Ebenso erhält jeder Spieler Münzen im Wert von 6. Restliche Warenmarker und Geldmünzen werden als Vorrat bereit gelegt. 

Die Generationsplättchen werden nach dem römischen Ziffern sortiert und gemischt. Spielen weniger als fünf Personen, müssen dabei vorher Plättchen aussortiert werden. Anschließend werden die Ankergebäude gemischt und jedem Spieler vier Stück gegeben. Vor Spielbeginn sucht sich jeder Spieler solange Ankerplättchen mittels Draften (eines verdeckt vor sich ablegen, den Rest an den linken Nachbarn weitergeben) aus, bis er drei Stück hat. Diese werden dann aufgedeckt, die restlichen werden auf einem gemeinsamen Abwurfstapel gesammelt.

Das Spiel geht über drei Durchgänge (Generationen), die jeweils sieben Runden beinhalten. Zu Beginn eines Durchgangs erhält jeder Spieler verdeckt acht Generationsplättchen mit der entsprechenden Zahl (I, II oder III). Die Spieler suchen gleichzeitig aus ihren Plättchens eines aus, dass sie spielen möchten und geben die restlichen verdeckt an ihren linken Nachbarn. Anschließend decken alle Spieler gleichzeitig ihr Plättchen auf und entscheiden sich für eine der drei Aktionsmöglichkeiten. Danach nimmt jeder Spieler die Plättchen auf, die er vom rechten Nachbarn bekommen hat, und eine neue Runde beginnt. Dies wiederholt sich so lange, bis jeder Spieler sieben Plättchen gespielt hat. Die verbliebenen Plättchen werden auf einen gemeinsamen Ablagestapel gelegt. Zum Schluss eines Durchgangs erhält jeder Spieler Einkommen.

Es stehen drei Aktionen zur Wahl:

  • Plättchen bauen
  • Ankergebäude bauen
  • ein Plättchen verkaufen


Plättchen bauen:
Mit dieser Aktion baut man das gewählte Plättchen auf seinem Spielplan. In der linken oberen Ecke des Plättchen können Voraussetzungen für den Bau stehen: ein Kaufpreis, den man zahlen muss, Waren, die man besitzen muss oder bestimmte bereits gebaute Plättchen in der eigenen Stadt. Einen Kaufpreis muss man einfach mit Münzen bezahlen, Waren muss man entweder selbst besitzen oder bei einem Mitspieler kaufen. Diese kosten je Warenart einen festgelegten Preis (2, 4 oder 10). Diesen kann man um 1 reduzieren, wenn man bereits eine Verbindung zu der Straße am rechten oder linken Rand des Plans besitzt und der Nachbar in dieser Richtung sitzt. Der Preis erhöht sich um 1, wenn der Mitspieler kein direkter Nachbar ist. Das Geld erhält der jeweilige Spieler, von dem die Ware gekauft wird.

Hat der Spieler die Voraussetzung erfüllt und gegebenenfalls Kaufpreis und Waren bezahlt, darf er das Plättchen auf ein Feld seines Spielplans legen. Dabei muss es so gelegt werden, dass es über Straßen mit dem Ursprung in der Mitte verbunden ist. Das Plättchen darf nicht gedreht werden, d.h. der Text muss stets in der richtigen Ausrichtung lesbar sein. Es ist auch möglich, das neue Plättchen auf ein bereits vorhandenes oder den Ursprung zu legen. Dazu wirft man das Plättchen ab und platziert das neue auf das entsprechende Feld. Es muss aber die selbe Farbe wie das vorherige Plättchen haben. Graue Plättchen dürfen mit allen Farben überbaut werden.

Die Auswirkungen der Plättchen hängen von ihrer Farbe ab. Grüne Wohngebäude geben häufig Siegpunkte am Spielende. Außerdem ist es lohnenswert, sie aneinanderzubauen, da es am Spielende weitere Siegpunkte für zusammenhängende Wohngebiete gibt. Blaue Wirtschaftsgebäude geben einem direkt Geld und/oder ein Einkommen am Ende des Durchgangs. Graue Abbaugebiete produzieren Waren, und zwar Rohstoffe (fünfeckige Plättchen). Bekommt man dadurch eine Ware, die man noch nicht hatte, nimmt man sich den entsprechenden Warenmarker und legt ihn oberhalb des Spielplans ab, sodass ihn jeder sehen kann. Auch gelbe Industriegebäude produzieren Waren, entweder Handelsgüter (sechseckige Plättchen) oder später auch Luxusgüter (achteckige Plättchen). Dafür erzeugen sie auch immer Umweltbelastung. Die orangefarbenen öffentlichen Gebäude haben sehr unterschiedliche Auswirkungen. Sie geben häufig variable Siegpunkte und besondere Vorteile wie z. B. Strom.

Eine Ausnahme bilden die Katastrophenplättchen. In jedem Durchgang gibt es ein Plättchen, das man nicht bauen kann: Überschwemmung, Großbrand und Gewaltwelle. Der Spieler, der das Plättchen spielt, spürt keine Auswirkung. Alle anderen Spieler müssen, nachdem sie ihre Aktion gemacht haben, Geld für gewisse Gebäude zahlen. Diese Sonderausgaben kann man mit bestimmten öffentlichen Gebäuden (Feuerwehr, Polizeirevier) reduzieren. Kann oder möchte man nicht zahlen, verliert man 1 bis 3 Plättchen. Diese werden vom Spielplan entfernt. Dadurch kann man z.B. auch Warenmarker wieder verlieren. Katastrophenplättchen dürfen nicht verkauft oder zum Bauen von Ankergebäuden benutzt werden.

Ankergebäude bauen:
Hier baut man, statt dem gewählten Plättchen, eines seiner drei Ankergebäude. Wie beim normalen Bauen müssen alle Voraussetzungen erfüllt werden. Außerdem darf man nie mehr Ankergebäude gebaut haben, als es die aktuelle Generationszahl anzeigt. Ankergebäude bieten einem meist variable Siegpunkte.

Plättchen verkaufen:
Man wirft das Plättchen auf den Ablagestapel und erhält dafür 5 Geld.

Ende eines Durchgangs:
Nach der siebten Runde endet ein Durchgang. Nun erhält jeder Spieler noch Einkommen (Münzen) abhängig von seinen Gebäuden auf dem Spielplan. Dann wird ein weiterer Durchgang gespielt, insgesamt drei.

Ende des Spiels:
Am Ende des dritten Durchgangs endet das Spiel. Nun werden mit Hilfe eines Punkteblocks die Siegpunkte jedes Spielers ermittelt. Dabei addiert man:

  • Siegpunkte auf Plättchen (fest und variabel).
  • Wohngebiete sind Wohngebäude, die direkt über Straßen miteinander verbunden sind. Je größer ein Wohngebiet ist, desto mehr Punkte erhält man.
  • Waren: Warenmarker haben je nach Kategorie (Rohstoff, Handelsgüter, Luxusgüter) einen festen Punktewert (1, 2 oder 10).
  • Geld: Die Summe der Münzwerte wird halbiert und abgerundet.
  • Für Wohngebäude, die orthogonal oder diagonal benachbart zu belasteten Plättchen liegen, verliert man Siegpunkte, nämlich jeweils 2 bzw. 1 Punkt pro belastetem Plättchen.
  • Geisterstadt: Man verliert auch noch Punkte, wenn man nur ein Wohngebäude (minus 4) oder gar keines gebaut hat (minus 10).
  • Strom: Wer keinen Strom in seiner Stadt hat, verliert 5 Punkte.


Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt, bei einem Unentschieden wird der Sieg geteilt.

Änderungen im Spiel zu zweit:
Beim Spiel zu zweit wird nicht mehr gedraftet, sondern die Spieler spielen nacheinander, und sie wählen Plättchen aus einer offenen Auslage. Dies beginnt bei den Ankerplättchen. Dazu werden 3 Stapel mit je 3 Plättchen verdeckt bereit gelegt. Ein Stapel wird aufgedeckt. Der Startspieler sucht sich ein Plättchen aus, danach der andere Spieler, das verbliebene wird abgeworfen. Dann wechselt der Startspieler und ein neuer Stapel wird aufgedeckt. Auch die Durchgänge werden ähnlich durchgeführt. Es werden 7 Stapel mit 3 oder 4 Plättchen gebildet. Dann wird ein Stapel aufgedeckt (zunächst die mit 4 Plättchen), jeder Spieler sucht sich nacheinander eines aus und macht seine Aktion. Mit dem neuen Stapel wechselt der Startspieler. Zudem kann man Waren jetzt auch aus dem Vorrat kaufen, falls sie der Mitspieler nicht besitzt. Man bezahlt dann den normalen Preis an die Bank.

Änderungen im Solospiel:
Das Solospiel ähnelt dem Spiel zu zweit. Die Ankerplättchen sucht man sich aus drei Stapeln aus (je ein Stapel mit 4, 3 und 2 Plättchen). Bei den Generationsplättchen hat man die Wahl, ob man nur die Plättchen mit "1+" nimmt, ob man die Plättchen "4+" dazu nimmt, oder ob man mit allen spielt. Anschließend werden die Plättchen verdeckt gemischt und insgesamt 7 Stapel mit unterschiedlicher Anzahl gebildet (von 7 absteigend bis 4, wenn man alle Plättchen gemischt hat). Die übrigen Plättchen sind nicht im Spiel. Zu Anfang jeder Runde deckt man einen Stapel auf und wählt ein Plättchen aus, das man spielen möchte. Alle anderen werden abgeworfen. Dann geht es in der nächsten Runde mit einem neuen Stapel weiter. Auch hier darf man Waren von der Bank kaufen. Allerdings darf man Luxusgüter erst in der dritten Generation und Handelsgüter erst ab der zweiten Generation erwerben. Außerdem kann man Katastrophen nur verhindern, indem man sie in den ersten drei Runden eines Durchgangs selbst auswählt. Später darf man sie nicht auswählen, und sie treten am Ende des Durchgangs in Kraft, wenn sie gar nicht aufgedeckt wurden. Die erreichte Punktzahl am Spielende kann man mit einer Tabelle bewerten.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • variabler Spielverlauf
  • alle spielen gleichzeitig
  • verschiedene Siegstrategien möglich


CONTRA

  • nicht jedes Plättchen erklärt sich von selbst 

MEINUNG

Als ich das erste Mal NEOM spielte, hatte ich ein Déjà-Vu. Die Spieler sind Herrscher über eine eigene Zivilisation, äh, Stadt, die sie über drei Zeitalter ausbauen. Dabei erhalten sie jedes Zeitalter acht Karten, äh, Plättchen, suchen sich durch Draften ein Plättchen aus, das sie spielen möchten und bauen dann ihre Stadt aus. Dazu benötigen sie häufig Ressourcen, die sie entweder selbst besitzen oder beim Nachbarn kaufen müssen. So entwickeln sich in jeder Zivilisation, äh, Stadt dann Handel, Prestigegebäude, Wissenschaft und Militär, äh, Wohngebiete, Industrien, Wirtschafts- und öffentliche Gebäude. Wer am Ende des dritten Zeitalters die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.

Woran erinnert das? Richtig: Etliche Mechanismen von NEOM enthielt vor einigen Jahren auch schon 7 Wonders. Eine wirklich große spielerische Innovationen bietet NEOM also nicht. Das ist allerdings gar nicht schlecht, sondern erleichtert vielen Spielern den Einstieg. Trotzdem ist NEOM keine Kopie, sondern verknüpft die Mechanismen zu einem stimmigen neuen Ganzen.

Im Zentrum steht der geschickte Bau auf dem Städteplan. Straßen müssen passend angebaut werden, ich möchte Handelsrouten zu meinen Nachbarn herstellen. Gerne würde ich große Wohngebiete bauen, die mir nicht durch Industrie und Umweltbelastung verpestet werden. Aber ich möchte auch ausreichend Einkommen und Rohstoffe und Waren generieren, denn diese sind für den Bau anderer Plättchen notwendig. Punkteträchtige Ankerplättchen und mit ihnen korrelierende Punktebringer möchte ich auch bauen. Sprich: eigentlich möchte ich viel, die Anzahl der Spielzüge ist bedauerlicherweise beschränkt. Am Ende sieht man häufig Städte, die jeweils ein oder zwei größere Wohn- und Industriegebiete besitzen, die durch öffentliche oder Wirtschaftsgebäude getrennt werden. Dadurch wirkt das Spiel durchaus thematisch.

Es gibt nicht die EINE Siegstrategie, sondern sehr viele verschiedene Möglichkeiten und Kombinationen, um zu punkten. Oft geben die Ankerplättchen eine Richtung vor. Ob ich diese verfolgen kann, ist auch davon abhängig, ob passende Stadtplättchen in meine Hände wandern. Da ist der Zufall im Spiel, und ich sollte darauf achten, was der Spieler rechts von mir (der vor mir am Zug ist) interessant finden könnte. Wenn er sich auf Wohngebiete versteift, bleiben für mich vielleicht attraktive Wirtschaftsgebäude übrig. Hat er z.B. ein Ankergebäude gewählt, das Punkte für Gebäude mit Strom bringt, sollte ich darauf achten, möglichst schnell selbst eines zu bauen. Ansonsten riskiere ich Minuspunkte, da in diesem Spiel die Richtung des Drafts in jeder Generation gleich bleibt.

Das Spiel verzeiht einiges. Fehlen mir Waren, kann ich diese bei meinen Mitspielern kaufen. Die Katastrophen sind vorher bekannt. Man kann sich wappnen, oder sich darauf einstellen, eine bestimmte Summe zahlen zu müssen. Schlimmstenfalls verliert man Plättchen. Dieses wirft einen Spieler aber nicht zwingend unaufholbar zurück.

Schön ist, dass alle gleichzeitig spielen. Man hat kaum Wartezeiten. Naja, fast. Leider ist nicht jedes Plättchen selbsterklärend. Daher wird insbesondere in den ersten Partien häufiger der Plättchen-Index zu Rate gezogen, um die Wirkung des jeweiligen Plättchens nachzulesen. Besonders auffällig ist dieses beim Draft der Ankerplättchen, da hier besonders viele öffentliche Gebäude mit Sonderfunktionen vorkommen. Hier kann man daher den Plättchenindex mehrfach zwischen den Spielern wandern sehen. Es kann daher einige Zeit dauern, bis das Spiel "richtig" losgeht. Hier wären ein oder mehrere separate Blätter in größerer Schrift mit den häufig verwendeten Symbolen hilfreich gewesen.

Insgesamt aber ist NEOM ein wirklich schönes, flüssiges Städtebauspiel, das bei jeder Partie etwas anders verläuft. Dafür gibt es sehr gute 8 Kultpunkte! Allerdings war bei unserem Exemplar der ersten Auflage "Falschgeld" im Umlauf (in Form eines fehlerhaft bedruckten Geldplättchens) - nun ja, wie uns auch die "Gewaltwelle" in Epoche 3 lehrt: Kriminalität kommt offenbar auch in einer Stadt der Zukunft vor.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/da-EE2dSS3s

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10

EURE REZENSENTIN

BIRGIT

Uwe-Rosenberg-Anhängerin, Puzzlespiel-Queen, Freundin der Wollverarbeitung

Eine Rezension vom 18.06.2019,
erneut veröffentlicht am 15.06.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Lookout Spiele
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