REZENSION

LINKS-RECHTS-DILEMMA

  • Genre: Partyspiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Cojones / im Vertrieb von Asmodee
  • Autoren: Ken Gruhl, Jeremy Posner
  • Spieler: 3 bis 6
  • Alter: Erwachsene
  • Dauer: ca. 30 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Initiativlevel: 5/10

Entscheidungen des Lebens

Geradezu harmlos geht es für dich als Skifahrer den Berg hinab, doch dreimal musst du dich entscheiden, welche Piste du wählst, um schließlich am Fuße des Berges eine Hütte zu erreichen. An jeder Abzweigung wirst du vor ein Dilemma gestellt, und diese Dilemmas sind dann teilweise alles andere als harmlos. Können deine Freunde erraten, für welche Optionen du dich entscheidest?

REGELN

Dem Spiel liegen 200 doppelseitig bedruckte Karten bei. Puzzelt den Spielplan-Streifen mit seinen sechs Hütten zusammen und legt nun in jeder Runde sechs zufällige Karten aus. Drei kommen in die unterste Ebene, zwei pyramidenartig darüber, eine einzelne Karte stellt die Bergspitze in Ebene 3 da. 

Bist du der aktive Spieler, liest du dir zunächst die Frage der einzelnen Karte (ganz oben auf dem Berg) durch. Entscheide dich für eine der beiden Antwortvorgaben und „fahre“ in Gedanken weiter zur verbundenen Karte in Ebene 2. Entscheide dich dort wieder für eine Antwort und folge der Piste zur Karte in Ebene 1. Noch einmal wirst du vor die Wahl aus zwei Antwort-Optionen gestellt. Wähle die letzte Abzweigung und stelle nun auf deiner Antwortscheibe die Zahl der Hütte ein, die du am Fuß des Berges erreicht hast. Das alles machst du geheim; du sprichst auch nicht über deine Entscheidungen.

Nun sind deine Mitspieler gefragt. Sie fahren die Strecke genauso ab, allerdings entscheiden sie sich immer für deine vermeintlich gegebene Antwort. So stellt auch jeder Mitspieler eine Zahl auf der eigenen Antwortscheibe ein. Die Tipps der Mitspieler werden nun aufgedeckt. Das Spiel wird kooperativ gespielt, und das bedeutet jetzt: Deine Mitspieler müssen sich auf eine Hütte einigen, die sie als gemeinsame Antwort geben wollen. Sie können ganz einfach die Mehrheit entscheiden lassen, sie können, und das ist witziger, auch diskutieren; notfalls entscheidet der Spieler links vom Skifahrer, welche Hütte gewählt wird. 

Jetzt deckst auch du deine Entscheidung auf. Stimmen die Hütten überein, erhält das Team einen Punkt - andernfalls logischerweise nicht. Der nächste Spieler wird zum Skifahrer. nach 6 Runden wird in der Tabelle nachgeschaut, wie gut euer erzieltes Ergebnis (0 bis 6 Punkte) ist.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • kann in Freundesrunden witzig sein
  • lebt von der Kommunikation
  • 400 Dilemmas sorgen für viel Varianz


CONTRA

  • stark gruppenabhängig
  • Dilemma-Qualität schwankt
  • manche Vorschläge sind arg derb geraten

MEINUNG

Wer schon immer mehr über die Vorlieben seiner Freunde herausbekommen wollte, der konnte bislang beispielsweise auf das Partyspiel Privacy setzen. Da wurden teils intime Fragen gestellt, doch durch die geheime Abstimmung blieben die Antworten einzelner Personen meist geschützt, sodass man sich zwar über so manches Abstimmungsergebnis wundern durfte, letztlich aber nicht zwingend erfuhr, wer da wohl "das schwarze Schaf" am Tisch ist.

Links-Rechts-Dilemma setzt auf ähnliche Entscheidungen. Das Spielprinzip ist wirklich simpel. Als aktiver Spieler durchlaufe ich die zufällige Kartenauslage und die Antwort-Optionen. Das erinnert an typische Persönlichkeistests, wie es sie schon vor vielen Jahren, noch lange vor der Internet-Zeit, in diversen Zeitschriften gab. Der feine Unterschied: Solche Tests machte man alleine und schaute dann hinterher in einer Auswertungstabelle nach, was mit einem offenbar nicht so ganz stimmt ...

Hier kommt nun die spielerische Komponente ins Spiel, die Meinung der Mitspieler. Die raten, wie sich ihr Freund (ja, bitte spielt dieses Spiel besser nicht in der Familie, sondern unter Freunden!) wohl entschieden hat und können ihre Tipps anschließend auch ausdiskutieren. Das sollten sie sogar, damit Stimmung am Tisch aufkommt. Das Spiel lebt definitiv von der Kommunikation. Eine schweigende Gruppe, die einfach nur Zahlen auf ihren Antwortscheiben einstellt, wird jetzt nicht den großen Spielspaß erleben.

Das Spielprinzip offenbart dabei kleine Schwächen. Wer sich den Berg genauer anschaut, wird merken, dass die Hütten 1 und 2 sowie 5 und 6 immer nur über einen eindeutigen Weg erreicht, während die Hütten 3 und 4 aus verschiedenen Richtungen angesteuert werden können. Fakt ist: Die Antwort der letzten Karte wird dem aktiven Spieler in allen Fällen klar zugeordnet, bei den Hütten 1 und 2 sowie 5 und 6 auch die restlichen. Bei den Hütten 3 und 4 können auch falsch getroffene Vermutungen (weiter oben) trotzdem zum richtigen Ziel führen.

Nun stellt sich bei solchen Spielen immer die Frage nach der Zielgruppe, und die ist beim Links-Rechts-Dilemma extrem wichtig. Nicht jeder gibt gern Persönliches preis. Wer Probleme damit hat, das andere Personen am Tisch etwas über das eigene Privatleben erfahren, der sollte das Spiel besser nicht spielen bzw. wenn, vielleicht lieber Mitspieler die Rolle des Skifahrers doppelt ausführen lassen.

Da sind wir nämlich auch schon bei der wichtigsten Komponente des Spiels, den Dilemma-Karten. 200 doppelseitig bedruckte Karten sorgen für genügend Abwechslung, zumal sie ja auch in immer neuen Kombinationen ausliegen. Die Qualität der Dilemmas schwankt jedoch. Da gibt es Fragen, auf die man keine klare Antwort geben kann, einfach, weil einem beide Optionen egal sind. Dann gibt es recht banale Fragen. Ob ich nun lieber Duftkerzen oder Socken an Weihnachten verschenke oder meine E-Mail immer eher kurz oder lang sind, das sind so Dinge, die meine Freunde sicher noch einigermaßen gut einschätzen können; manchmal lassen sich Antworten auch abstrahieren oder auf andere Lebensbereiche transferieren.

Tja, und dann gibt es da die echt derben Karten, die ohne Vorwarnung, also ohne eine besondere Kennzeichnung, mit im Stapel liegen. Da werden auf einmal Fragen nach sexuellen Vorlieben gestellt, nach der Lautstärke beim Akt, nach peinlichen Erlebnissen. Da zeigt sich dann auch, warum das Spiel nur Erwachsenen empfohlen wird. Ja, bei manchen Dilemmas komme ich gar ins Grübeln, was die Autoren so einer Frage bei der Ideenfindung gerade geraucht haben. Da driftet das Spiel teilweise ins Zotige, bei einer Frage, ob ich lieber ein Glas einer, ich umschreibe es hier mal, roten oder weißen Körperflüssigkeit trinke, gar (ich denke, für die große Mehrheit) ins Eklige. Und wer ernsthaft die Option wählt, dass er gern - Originalzitat - „an den Achseln eines Teenagers nach dem Sport schnuppert“ (Warum in aller Welt wird diese Option angeboten?!), der dürfte in der Zukunft von seinen Mitspielern auch mehr als komisch angeguckt werden ... Das zuletzt zitierte Dilemma würde ich da schon in die Kategorie „Totalausfall“ einordnen, wovon die große Mehrheit der Karten glücklicherweise nicht betroffen ist - aber es gibt sie; das sollte man einfach wissen.

Zurück bleiben gemischte Gefühle. Links-Rechts-Dilemma ist ein eigentlich simples Kommunikationsspiel, das als Partyspiel unter guten Freunden (je mehr, desto besser) auch für erhellende Aha-Momente sorgen kann. Die meisten Fragen sind dabei auch recht gut zu beantworten, zumindest für offenherzige Menschen. Genau diese Zielgruppe ist hier eine Grundvoraussetzung. Gäbe es die Sex- und Ekelfragen nicht, hätte das Spiel auch schon gut mit jüngeren Personen funktionieren können, so aber kann man es wirklich nur Erwachsenen empfehlen, was der Verlag auch ehrlicherweise auf der Schachtel tut (oder tun muss ...). 

Eine Kultwertung stellt dann wiederum mich vor ein Dilemma. Rein spielerisch ist es halt die x-te Variante eines Übereinstimmungssspiels. Durch die knackigen Entscheidungen kann es dennoch kurzweilig sein, aber der Spielspaß hängt hier wirklich ausschließlich von der Gruppe ab, also konkret davon, wie manche Fragen aufgenommen werden. Wer da den „easy way of life“ bevorzugt, wird mit dem Spiel definitiv besser klarkommen, als Mitmenschen, denen es bereits peinlich ist, wenn sie zur Toilette gehen ... Sortiert euch da bitte selber ein. Die 6 Kultpunkte beziehen sich daher auf den spielerischen Durchschnitt mit dem Plus für so manchen Lacher in der richtigen kommunikativen Gruppe. Euer eigener Kultfaktor kann weit darunter liegen oder meinen auch locker toppen - je nachdem, wie ihr selbst so drauf seid - und wie eure Mitspieler es sind.

KULTFAKTOR: 6/10*

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 6/10

* kann stark schwanken, siehe Fazit oben

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 14.11.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Cojones / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten