REZENSION

LIGRETTO - DAS BRETTSPIEL

  • Genre: Familienspiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Schmidt Spiele
  • Autor: Rudi Biber
  • Grafik: designstudio1.de
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Dauer: ca. 20 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Initiativlevel: 5/10

Geliebt oder gehasst

Wenn ein Kartenspiel das Prädikat „Klassiker“ verdient, dann wohl eindeutig "Ligretto"! Seit über 30 Jahren sorgt die wilde Kartenabwurf-Sause für gepflegtes Chaos — und für ein lautes Ächzen unter Grobmotorikern bzw. Hektik-Feinden. Wie schlägt sich das schnelle Kartenspiel in der neuen Brettspiel-Version?

REGELN

Vor Spielbeginn wird der Spielplan je nach Spielerzahl aus sechs bzw. neun einzelnen Teilen zusammengesetzt. Jeder Spieler erhält ein kleines Ablagetableau sowie zwei Joker-Plättchen und nimmt die 15 rechteckigen Plättchen mit gleichem Rahmen auf die Hand. Diese rechteckigen Plättchen zeigen Domino-artig jeweils zwei unterschiedliche Farben, eine auf jeder Seite.


Bevor das hektische Treiben beginnt, werden die vier Ligretto-Holzsteine auf beliebige quadratische Felder des Spielplans gesetzt. Sie gelten für alle Teilnehmer und zeigen den Spielern ab sofort an, auf welche Felder Ligretto-Karten gelegt werden können. Auf das Kommando „Ligretto Start“ versuchen nun alle Spieler gleichzeitig, ihre Karten loszuwerden und an farblich passende Felder anzulegen. Passt eine Karte, wird sie gemäß des Aufdrucks auf den Spielplan gelegt und der Ligretto-Stein auf das letzte Feld der soeben gelegten Karte platziert. Das klingt nach einer lebhaften Partie und genau das ist es auch.


Joker können immer dann eingesetzt werden, um ein Feld nach dem Libretto-Stein zu überbrücken, ehe man ein farblich passendes Kärtchen anlegen kann. Die Sonderregel „Sackgasse“ sieht auch eine Lösung für den Fall vor, dass keine Möglichkeit besteht, von der Position des Ligretto-Steins eine neue Karte anzulegen. Der Spieler legt dann seine nächste Karte auf eine beliebige freie Stelle auf dem Spielplan, die den Farben der aktuellen Karte entspricht. Ab sofort geht es von dort regulär weiter. 


Wer alle Karten losgeworden ist, was in der Regel kaum drei Minuten dauert, ruft „Ligretto Stopp“ und verkündet so das Ende der laufenden Runde. Derjenige belegt somit Platz 1 und erhält zwei Siegpunkte. Die nachfolgenden Spieler erhalten je nach Spielerzahl zwischen einem und null Punkten. Wer langsamer war als seine Mitspieler, darf einen oder zwei Karten auf dem Tableau ablegen und startet somit mit einem leichten Vorteil in die nächste Runde. Nach einer vorher festgelegten Anzahl an Runden wird der Sieger nach Punkten ermittelt. 

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • bleibt dem Original treu, bietet dennoch einen eigenen Spielreiz 
  • alternative Spielfeld-Aufteilungen möglich


CONTRA

  • recht kleine Plättchen, nichts für Grobmotoriker
  • wie immer auch nichts für Spieler, die es ruhiger mögen

MEINUNG

Ich bekenne mich als Spieler, der in "Ligretto" in nahezu jeder Konstellation stets den Kürzeren zieht, weil mir meine Mitspieler in puncto Schnelligkeit mindestens eine Nasenlänge voraus sind. Dennoch kommt das wilde Kartenabwurf-Duell immer noch häufig auf den Tisch, um einen langen grübelintensiven Spieleabend stimmig ausklingen zu lassen. 


Vorweg: Im Gegensatz zu so manch anderer Brettspielanpassung eines Kartenspiels hat das "Ligretto-Brettspiel" tatsächlich eine Daseinsberechtigung. Das Spielgefühl des kleinen Bruders bleibt erhalten, während es einige Dinge ganz anders macht. Da wäre zum einen das Ablegen kleiner Plättchen (in der Spielregel schlicht „Karten“ genannt) anstelle der typischen Spielkarten. Die sind auf den ersten Blick ganz schön winzig geraten und für große Hände entsprechend schwer zu greifen. Beim Sortieren dauert es ein bisschen, die einzelnen Karten für jeden Spieler auseinanderzuhalten, da man zwischen einem dicken durchgezogenen Rand, zwei dünneren Linien sowie einem gestrichelten und einem etwas anders gestrichelten Rand unterscheiden muss. Doch gute Augen sollten bei dieser Art von Spiel ohnehin vorausgesetzt werden, insofern fällt dieser Makel nicht allzu schwer ins Gewicht. Dass der Spielplan weder gefaltet noch geklappt, sondern zusammengepurzelt wird, hat den praktischen Vorteil, dass er je nach Spielerzahl modular aufgebaut werden kann. So sind auch alternative Spielfeldaufteilungen möglich.


Im "Ligretto"-Kartenspiel kann man sich, zwei Boxen vorausgesetzt, mit bis zu acht Spielern messen (und sogar mit bis zu 12 Spielern, wenn man drei Boxen kombiniert). Je mehr Spieler versammelt sind, umso größer ist in der Regal auch der Wusel-Faktor, da sich die Konstellation auf dem Tisch konstant ändert. Beim Brettspiel können nur vier Spieler teilnehmen. Und das aus gutem Grund: Die Ablage der Karten erfordert nicht nur eine gute Hand-Augen-Reaktion, sondern auch Fingerspitzengefühl beim Anlegen. Gelegentlich kann es vorkommen, dass man ein Kärtchen an die selbe Position des Ligretto-Steins anlegen möchte, die sich auch ein Mitspieler auserkoren hatte. So kommt es gelegentlich zu einem verbal ausgetragenen Verdrängungswettbewerb („Hey, da wollte ich hin!“) , der aber gut zur Partytauglichkeit des Spiels passt.


Zu zweit oder dritt gebe ich dem "Ligretto-Brettspiel" klar den Vorzug gegenüber dem Kartenspiel, denn das verläuft in dieser Konstellation doch recht spannungsarm, da der Kartenvorrat aufgrund der geringen Dynamik recht planbar ist. Hier bietet das Brettspiel ein wesentlich schnelleres Spieltempo, vergleichbar mit dem Kartenspiel, wenn mehr als vier Spieler daran teilnehmen. Zu viert bieten beide Versionen ein individuelles Spielgefühl, sodass hier vermutlich die Zahl der Spieler mit großen Händen den Ausschlag darüber gibt, welche Version bevorzugt wird. 


Und eines möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen: Durch den Aufholmechanismus — also die Möglichkeit, mit bis zu zwei Karten weniger in die nächste Runde zu starten, wenn man langsamer war als seine Mitspieler — habe ich beim Brettspiel doch bisweilen den Sieg davongetragen. Na also, es geht doch!

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 02.03.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Schmidt Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten