REZENSION

KOKOPELLI

  • Genre: Karten-/ Familienspiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: Queen Games
  • Autor: Stefan Feld
  • Grafik: Markus Erdt
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Initiativlevel: 7/10

Lasst die Zeremonie beginnen!

Wer sich fragt, was es mit dem ungewöhnlichen Titel Kokopelli auf sich hat, dem möchte ich an dieser Stelle kurz Abhilfe schaffen: Kokopelli sind menschenähnliche Wesen, die vor tausenden von Jahren auf Felswände und dergleichen gemalt wurden. Die spirituell angehauchten Figuren bezeugen früheste menschliche Kultur und sind vor allem im Südwesten der USA weit verbreitet. Der bekannteste Vertreter seiner Spezies ist der Flötenspieler mit gebückter Haltung, der auch auf der Schachtel des Spiels abgebildet ist.

REGELN

Jeder Spieler baut sein Dorf-Tableau vor sich auf, das an der Unterseite vier sogenannte Zeremonie-Plätze bereithält. Zum Spielbereich eines Spielers zählt künftig aber nicht nur das eigene Tableau mit seinen vier besagten Feldern zum Anlegen von Karten, sondern auch jeweils die beiden ihm direkt benachbarten Plätze, also diejenigen seines linken und rechten Nachbarn. Das zu verinnerlichen ist eine wichtige Voraussetzung, um später bestmöglich zu punkten. Aber später mehr dazu.

Die Siegpunkte-Plättchen in unterschiedlichen Werten kommen für alle Beteiligten gut erreichbar auf den Tisch. Je nach Spielerzahl wird noch die passende Anzahl an Spielende-Plättchen bereit gelegt. Von den 16 verfügbaren Auswahlplättchen werden zehn zufällig gezogen und ausgelegt. Für einen optimalen Einstieg gibt es für die Erstpartie einen Vorschlag an bestimmtem Plättchen, der die Spieler mit dem Spielprinzip zunächst vertraut macht.

Bevor es losgeht, stellt sich jeder Spieler noch sein Kartendeck zusammen und zieht von den zehn gewählten Auswahlplättchen die jeweils drei entsprechenden Zeremonie-Karten. So hat jeder Spieler dieselben Startvoraussetzungen. Ergänzend dazu erhält jeder Spieler noch sechs Kokopelli-Karten, die später als Joker fungieren. All diese Karten werden gut gemischt und als Nachziehstapel in der Mitte des Dorftableaus bereit gelegt. Die obersten fünf werden nun auf die Hand genommen.

Wer am Zug ist, darf sich für zwei aus fünf möglichen Aktionen entscheiden. Diese Aktionen stehen zur Auswahl:

 Eine Karte ziehen: Vom Nachziehstapel wird die oberste Karte gezogen und auf die Hand genommen. Zeitweise dürfen sich dort auch mal mehr Karten befinden, aber am Ende eines Zuges darf der Spieler nicht mehr als fünf Handkarten besitzen. Wer es schafft, alle Handkarten loszuwerden (auch innerhalb eines Zuges), erhält einen Siegpunkt und darf drei Karten nachziehen.

Zeremonie eröffnen: Ist auf dem eigenen Dorftableau ein freier Platz vorhanden, kann dort eine Zeremonie eröffnet werden. Dazu wird eine Karte von der Hand auf das gewünschte leere Feld des Tableaus gelegt, wodurch dem Spieler fortan die auf der Karte genannte Zeremonie-Fähigkeit zur Verfügung steht. Mehr zu den Fähigkeiten im Fazit. So eine Fähigkeit gilt so lange, bis die Zeremonie beendet wird. Doch dazu kommen wir gleich.

Karte spielen (und ggf. Zeremonie beenden): Statt mit einer Karte eine neue Zeremonie zu eröffnen, was grundsätzlich nur auf dem eigenen Tableau erlaubt ist, kann sie auch an eine bereits eröffnete Zeremonie innerhalb des Spielbereichs angelegt werden. Wir erinnern uns: Der Spielbereich beinhaltet auch die benachbarten freien Plätze des linken und rechten Nachbarn. Dabei gilt: Man darf eine „fremde“ Zeremonie nie eröffnen, sondern lediglich erweitern, indem eine zweite oder dritte Karte unter die schon dort ausliegende platziert wird. Sobald jedoch die vierte Karte angelegt wird, ist die Zeremonie ab sofort beendet. Alle zugehörigen Karten dieser Zeremonie werden dann abgeräumt, der Spieler erhält hierfür Siegpunkte von dem obersten Punkte-Plättchen auf dem zugehörigen Auswahl-Plättchen (zuerst 4 Punkte, dann 3 Punkte). Wurde das 3er-Plättchen genommen, wird stattdessen ein Spielende-Plättchen an diese Stelle gelegt, das nur noch 1 Punkt aus dem Vorrat wert ist. Der Platz auf dem Tableau steht nach dem Auflösen einer Zeremonie wieder zur freien Verfügung. Die Zeremonie-Fähigkeit verliert derjenige dann natürlich auch.

Zeremonie abbrechen: Möchte der Spieler eine schon bei sich angelegte Zeremonie nicht weiter nutzen, kann sie aber mangels passender Karten auch nicht beenden, besteht die Möglichkeit, sie abzubrechen. In diesem Fall werden die Karten ohne Punktevergabe abgeräumt und auf den Ablagestapel gelegt.

Karten austauschen: Sollte jemand mit den Karten auf seiner Hand partout nicht zufrieden sein, kann der Spieler seine Karten auf den Ablagestapel legen und erhält die gleiche Kartenanzahl vom Nachziehstapel.

Die Schlusswertung wird nach der Runde eingeleitet, in der ein Spieler keine Karten mehr im Nachziehstapel besitzt. Die Partie endet auch, wenn das letzte Spielende-Plättchen vom Stapel auf ein Auswahlplättchen gelegt wird. Wer die wenigstens Karten im Nachziehstapel hat, erhält nun fünf Siegunkte, der zweite immerhin drei. Jede auf dem eigenen Dorftableau eröffnete Zeremonie gibt noch einen Siegpunkt. Hinzu kommen die Siegpunkte, die im Verlauf des Spiels gesammelt wurden. Wer nun das höchste Gesamtergebnis vorweisen kann, ist der Gewinner. Bei Gleichstand teilen sich die Gewinner ihren Sieg.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • Kartenspiel „plus“
  • viele unterschiedlichen Fähigkeiten
  • clevere Idee mit den Spielbereiche
  • sehr interaktiv


CONTRA

  • Einstieg ein bisschen chaotisch
  • das Thema wirkt recht aufgesetzt
  • man kann sich leicht verzetteln

MEINUNG

Kokopelli ist ein wirklich schönes Spiel, was nicht nur an den liebenswerten Figuren liegt, sondern auch am temporeichen Spielablauf: Karte ziehen, noch eine Karte ziehen, fertig. Jetzt ist der Mitspieler an der Reihe: Er eröffnet eine Zeremonie auf seinem Dorftableau, die ihm ab sofort einen bestimmten Vorteil gestattet. Er hat den Krieger aktiviert und darf damit zwei Karten im selben Zug ausspielen, was er natürlich als zweite Aktion sogleich nutzt. So geht es hin und her, bis nach einer guten Dreiviertelstunde der Gewinner feststeht. 

Dass sich der eigene Spielbereich auch über die jeweils zwei benachbarten Felder des linken und rechten Mitspielers (also insgesamt über acht Möglichkeiten, seine Karten loszuwerden) erstreckt, mag erst einmal ungewöhnlich erscheinen. Über die Jahre haben wir Spieler es uns angewöhnt, nur auf das eigene Tableau zu starren – hier werden Konventionen gehörig über Bord geworfen. Es braucht ein paar Runden, bis man mit der cleveren Art des Kartenausspielens warm geworden ist und gezielt dazu übergeht, seinen Mitspielern ihre liebgewonnenen Zeremonie-Fähigkeiten zu rauben, indem man die vierte identische Zeremoniekarte (oder einen Kokopelli) dort anlegt. 

Welche Vorteile bieten denn eigentlich die Zeremonie-Fähigkeiten? Da wäre zum Beispiel die Pfote, die immer dann einen Siegpunkt bringt, wenn man an die Zeremonie eines Mitspielers anlegt. Bei der Eidechse darf man eine Karte ziehen, wenn man an ein fremdes Tableau anlegt, und der Jäger erlaubt es, eine Karte extra zu ziehen, um nur einige Fähigkeiten zu nennen. Mit der Erweiterung kommen sogar noch einige weitere dazu, wobei die vorhandene Auswahl schon recht abwechslungsreich geraten und auch ausgewogen genug ist, um für langfristigen Reiz zu sorgen.

Weil sich die Spielsituation ständig ändert, muss man seine Aktionen immer neu überdenken. Nichts ist ärgerlicher, als wenn man eine Zeremonie bereits mit drei Karten belegt hat und dann der Mitspieler eine vierte Karte im eigenen Spielbereich anlegt, wodurch er einerseits hierfür die Siegpunkte ergattert und andererseits einem selbst die Fähigkeit wegnimmt. Der rasante Wechsel der Spielsituation (sowohl auf dem eigenen Dorftableau als auch auf dem der Mitspieler) führt aber auch zu gehörigem Durcheinander. Man sollte daher schon sehr gut aufpassen und sich nach jeder Aktion vergewissern, dass keine Siegpunkt-relevante Fähigkeit vergessen wurde.

Beim Spiel zu zweit greift die interessante Sonderregel, dass das Dorftableau ein fünftes Feld unterhalb des Nachziehstapels enthält, das vom Mitspieler nicht genutzt werden darf (wobei es auch hierfür eine Zeremonie-Fähigkeit gibt, die genau das erlaubt – aber das nur am Rande). Es hat sich in Zweier-Partien bewährt, dieses Feld für bestimmte Fähigkeiten freizuhalten, die besonders punkteträchtig oder wertvoll sind. So kann man diese Fähigkeit bisweilen vom Anfang bis zum Spielende aufrechterhalten, was sich nicht selten als großer Vorteil erweist.

Aufgrund des großen Facettenreichtums ist Kokopelli ein stimmiges Kartenspiel, das mit Abstrichen sogar als Familienspiel durchgeht, sofern die Beteiligten mit der Vielzahl unterschiedlicher Effekte nicht überfordert sind (was aber durchaus schon mal vorkommen kann). 

Ein kleiner Kritikpunkt wäre dann ein technischer, der das Verstauen des Spiels betrifft. Der Sinn des Schachteleinsatzes bleibt wohl ein Geheimnis, denn wirklich praktisch ist er nicht, sodass man die Sortierhilfe gleich ganz hätte weglassen können.

Diese schmale Kritik ändert aber nichts daran, dass sich Kokopelli seine 8 Kultpunkte redlich verdient hat!

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 13.03.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Queen Games
Weitere Fotos: Spielkultisten