REZENSION
JOHANNA: ORLÉANS DRAW & WRITE
- Genre: Taktik
- Jahr: 2022
- Verlag: dlp Games
- Autoren: Reiner Stockhausen, Ryan Hendrickson
- Grafik: Klemens Franz
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 45 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 5/10
Wenn jemand eine Reise malt ...
Kurz mal nach Frankreich statt einem langen Urlaub? Kein Problem, spielt Johanna statt Orléans. Dieses Geschwisterchen des großen Brettspiels arbeitet mit Stift und Papier und ist flotter unterwegs.
Johanna ist die Flip-and-Write-Umsetzung des beliebten Spiels Orléans, bei dem wir nun, statt Plättchen zu platzieren, Dinge abstreichen oder zeichnen. Dabei wurde die Gestaltung sehr nah am Original gehalten.
Alle bekommen je einen Stift und ein Blatt vom Block. Einige Bereiche des Blattes müssen entsprechend der Spielerzahl ausgestrichen werden. Es werden je vier Gebäudekarten der Stufen 1 bis 5 ausgelegt und alle Personenplättchen in den Beutel gegeben. Wurde bestimmt, wer beginnt, kann es losgehen.
Je nach Spielzahl werden Chips aus dem Beutel gezogen und für die Runde abgelegt. Dann wird ein Chip mehr als Leute teilnehmen aus dem Beutel gezogen. Reihum wählt jeder einen Chip. Der übrige Chip geht an den Startspieler der Runde.
Ein Chip wird beim Auswählen direkt für eine von drei Möglichkeiten genutzt: die Aktion dieser Person, ein Gebäude aktivieren oder an einem segensreichen Werk arbeiten.
Zunächst beschreibe ich die Aktionen der Personen:
- Ein Bauer erlaubt es, eine beliebige Ware im Warenlager abzustreichen. Dabei wird, in der Reihe der gewählten Ware, immer von links nach rechts abgestrichen. Wer eine Spalte vollständig ankreuzt, bekommt einen Bonus. Wer eine Reihe komplett ankreuzt, bekommt am Ende Punkte. Waren, die nicht mehr ins Warenlager passen, kommen ins Depot und geben Punkte.
- Der Priester offeriert ein Buch. Ein Buch bringt ein Kreuz auf der Entwicklungsleiste. Der Fortschritt auf dieser Leiste bringt manchmal Boni, aber vor allem Entwicklungsstufen, die bestimmen, wie viele Punkte die Kontore oder Bürger einbringen.
- Beim Ritter wird ein Landweg auf der Karte ausgemalt. Wir starten die Reise immer von Orléans aus oder in einer Stadt, die bereits durch Wege mit Orléans verbunden ist. Liegen auf dem genutzten Weg Waren oder Bücher, werden diese direkt eingesackt.
- Der Kapitän ist wie ein Ritter, nur dass er Flüsse bereist. Alternativ kann beim Kapitän eine Münze genommen werden. Erworbene Münzen werden in der Bank eingekreist. Die Reihe darf man sich aussuchen, aber dann geht es von links nach rechts. Wer eine Reihe vervollständigt, bekommt einen Bonus.
- Der Zimmermann erlaubt es, einmal eine Münze zu nehmen oder eine Münze zu bezahlen, um ein Kontor zu bauen. Zum Bezahlen wird einfach eine eingekreiste Münze durchgestrichen. Wurden alle Münzen einer Spalte durchgestrichen, so gibt es einen Bonus. Das Kontor muss in einer Stadt, die durch Reisen mit Ritter oder Kapitän erreicht wurde, gebaut werden. Die Zahl der Stadt wird eingekreist, und alle anderen Spieler müssen diese Stadt durchstreichen.
- Auch der Händler erlaubt es, Münzen auszugeben, diesmal für Gebäudekarten. Aus der Auslage wird eine Karte genommen und die darauf angegeben Münzen bezahlt. Ab jetzt kann der Spieler den Vorteil nutzen. Die verschiedenen Stufen der Gebäude werden nach und nach frei geschaltet. Alternativ bringt der Händler eine Münze.
Wer mit seinem Plättchen nicht zufrieden ist, kann bis zu dreimal im Spiel ein Plättchen in einen Mönch verwandeln. Dies kostet Punkte, aber der Mönch kann als jede andere Person genutzt werden.
Statt der Personenaktion kann ein Plättchen auch zum Aktivieren eines Gebäudes genutzt werden, wenn man denn ein Gebäude besitzt. Dann wird der Effekt des Gebäudes ausgeführt. Gebäude bieten in der Regel stärkere Aktionen als die Standardaktionen.
Die letzte Möglichkeit sind die segensreichen Werke. Es gibt bis zu fünf Stück, die je drei spezifische Personen aufnehmen können. Wird eine Person für ein segensreiches Werk genutzt, so wird diese beim gewünschten Werk angekreuzt und der Bonus dieses Werkes wird eingesackt. Kreuzt jemand alle drei Personen in einem segensreichen Werk an, so gibt es zusätzlich zum normalen Bonus noch den gelben Bonus und alle anderen müssen das gerade vervollständigte segensreiche Werk streichen.
Damit ist das Spiel im Wesentlichen erklärt. Boni auf dem Blatt können Münzen, Personen (besonders Mönche), Bürger, Bücher oder Waren sein. Somit lösen Kreuze an einer Stelle oft Kreuze an anderer Stelle aus. Wurde der Sack so oft geleert und wieder gefüllt wie Spieler teilnehmen, ist die Partie vorbei. Alle zählen ihre Punkte. Wer die meisten Punkten gesammelt hat, gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- Orléans-Gestaltung
- Kettenzüge
- Interaktion
CONTRA
- mit 4 oder 5 Spielern recht lang
MEINUNG
Frankreich ist nicht nur das Reiseziel für jeden Liebhaber guten Essens, sondern auch für Brettspiel-Anhänger. Französische Verlage gehören zu den stärksten in Europa. Da muss es ja fast schon schmerzen, dass der deutsche dlp Verlag eines der erfolgreichsten Spiele mit dem Namen einer französischen Stadt im Programm hat: Orléans.
Und wenn Carcasonne-Fans sich beruhigt haben, können wir uns jetzt Johanna zuwenden, dem Orléans-„Draw and Write“ oder „Draw and Draw“ oder „Draft and Draw“ oder „Draft, Draw, Draw and Draw“, wenn ihr gut seid.
In diesem kleinen Ableger wurden zentrale Elemente von Orléans aufgenommen, und es wurde versucht, diese in ein deutlich simpleres Auswahlsystem zu stecken. Dann kreuzen wir was auf unserem Block ab – so weit, so gut.
Das Spiel kann sich, trotz der starken Konkurrenz in diesem Genre, sehen lassen. Ähnlich wie bei Dinosaur Island mit dem Raw'n'Write wurde hier ein doch anspruchsvolles Brettspiel in ein deutlich schnelleres Spiel gepackt, welches sich aber doch irgendwie nach dem großem Spiel anfühlt, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass bei Johanna dieses Gefühl hauptsächlich durch die eigenwillige Gestaltung des Spiels geweckt wird. Ich finde diese übrigens super, auch wenn der Block etwas kräftigere Farben hätte haben dürfen. Beim Mechanismus hingegen muss schon etwas abstrahiert werden, um den Zusammenhang zu sehen. Im großen Orléans zog jeder aus seinem persönlichen Stoffsack ein paar Arbeiter und verteilte diese auf eigene Orte, um diese zu aktivieren, sobald diese voll waren. Der Clou dabei war, dass jeder selbst die Zusammensetzung der Personen im Sack ändern konnte.
Bei Johanna werden Personen für alle Spieler aus dem selben Sack gezogen, von denen sich dann jeder eine aussucht. Das ist schon ein anderes System, aber ein deutlich schnelleres. Die Nutzung einer Person kann trivial sein, z.B. „ein Bauer macht einen Käse“. Oder aber auch anspruchsvoller: „Der Ritter geht ins segensreiche Werk, was ein Buch bringt und eine Münze. Die Münze bringt mir einen Mönch, den nutze ich als Kaufmann und hole mir ein Gebäude, da bezahle ich zwei Münzen und bekomme einen Bauern, den ich gleich …“ Letztere Art von Zügen ist natürlich befriedigend, aber bedeutet manchmal, dass andere warten müssen. Meist aber nicht lange. Na gut, wer mit fünf Spielern (oder auch schon mit vier Spielern) spielt, kann schon mal etwas länger warten. Ich finde tatsächlich zwei und drei Leute am Tisch am besten. Allerdings kann man mit zwei Spielern auch in 20 Minuten fertig sein. Ich denke die angegeben 45 Minuten werden für die meisten Gruppen zutreffend sein.
Dabei ist es für bestimmte Aktionen durchaus interessant, was die anderen Spieler machen. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Wahl der Person aus der Mitte, sondern auch auf die ausgelösten Aktionen. Kontore können besetzt, Bürger weggeschnappt oder Gebäude von anderen gebaut werden. Dies bietet durchaus Grund, bei den anderen Spielern aufzupassen, auch wenn alle vermutlich sich am meisten auf ihr eigenes Blatt konzentrieren werden.
Für Abwechslung sorgen die Gebäudekarten. Diese können das eigene Spiel mehr auf Waren, Geld oder die Erkundung der Umgebung von von Orléans lenken. Diese starten aber auch einen Wettlauf. Wer in den ersten Runden keine Gebäude bekommt, kann schon deutlich im Nachteil sein. Wer gerade das eigene Geld beim Zimmermann ausgibt, steht dann beim Kaufmann mit leeren Taschen da und muss den Kaufmann nehmen, um anderen ein Gebäude zu verwehren. Uns war die Abwechslung durch die Gebäude so wichtig, dass wir die auf dem Block aufgedruckten vorgeschlagenen Gebäude gar nicht genutzt haben, aber wer beispielsweise über Videochat spielt, kann diese bestimmt gut verwenden.
Johanna ist anspruchsvoller zu lernen als zum Beispiel die Vertreter aus der „Klein und fein“-Reihe von Schmidt Spiele, wie Ganz Schön Clever, es bietet aber dafür mehr Flair und mindestens so spannende Züge und mehr Interaktion. Orléans-Fans, die das Brettspiel wegen der Spieldauer nicht so oft auf den Tisch bringen, können mit Johanna zumindest ein bisschen Orléans-Gefühle aufkommen lassen.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 23.11.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: dlp Games
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