REZENSION

HALLERTAU

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Lookout Spiele
  • Autoren: Uwe Rosenberg
  • Grafik: Klemens Franz, Lukas Siegmon
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 50 - 140 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: schwer
  • Taktiklevel: 7/10

Viel Landwirtschaft, kein Bier!

 Bier-Enthusiasten und aufmerksame Werbungszuschauer werden den Begriff kennen. Für alle anderen: Die Hallertau ist eine Region in Bayern, die gleichzeitig das weltweit größte Hopfenanbaugebiet ist. Uwe Rosenberg schickt uns in seinem Spiel in diese Region, wo wir im 19. Jahrhundert die Geschicke eines Dorfes lenken. Dort bauen wir natürlich Hopfen an, erwerben aber auch weitere Waren. Diese benötigen wir, um unser Dorf auszubauen und eine Reihe an Karten ins Spiel zu bringen.

REGELN

Die Vorbereitung
Es gibt einen gemeinsamen Aktionsplan, auf dem die unterschiedlichen Spielkarten (Einstiegs-, Hof, Bonus- und Punktekarten), getrennt gemischt und verdeckt, bereitgelegt werden. Dabei haben die Einstiegs- und Hofkarten auch jeweils 4 unterschiedliche Decks, von denen ihr euch zu Spielbeginn je eins aussucht. Je nach Spieleranzahl werden dann noch teilweise Aktionswürfel auf die Aktionsfelder des Plans gelegt. Dazu benötigt ihr bei weniger als vier Spielern die Viertel-Karten, die ebenfalls vorher gemischt und verdeckt bereitgelegt werden. Sie geben an, welche „Viertel“ des Aktionsplans Arbeiterwürfel verlieren. Alle Warenmarker, Schafe, Arbeiter, Geräte und Äcker werden sortiert und neben den Spielplan bereitgelegt.

Dann bereitet jeder von euch die persönliche Auslage vor. Ihr legt den Hausplan aus und legt ganz links das Hausplättchen darauf, sodass ihr im Hausfenster die Zahl 6 sehen könnt. Danach legt ihr direkt rechts neben das Hausplättchen in jede Zeile die fünf unterschiedlichen Handwerksplättchen. Zehn Findlinge werden dann noch nach Vorgabe auf dem Hausplan verteilt. Anschließend legt ihr einen Ackerplan vor euch aus. Dort legt ihr drei Äcker auf die gekennzeichneten Felder. Zusätzlich wird je ein Marker für Flachs, Gerste und Roggen auf das große Feld mit der „1“ am unteren Rand des Ackerplans gelegt. Auf den Stallplan, den ihr vor euch ebenfalls auslegt, wird auf jedes der sechs Felder verdeckt eine Hofkarte gelegt. Auf die Schatulle wird dann noch eine Schmuckmarke gelegt, sodass sie die „0“ umschließt. Abschließend bekommt ihr noch je ein Übersichtskärtchen sowie vier Einstiegskarten sowie eine Punktekarte als Handkarten.

Und schon kann's losgehen
Zu Beginn noch eine Erklärung zu den Waren. Den Stand an Waren markiert ihr mit entsprechenden Markern auf den Vorratsfeldern des Ackerplans. Dabei kann ein Marker je nach Position die Werte von 1 bis 5 annehmen. Habt ihr mehr als fünf von einer Ware, markiert ihr dies mit zusätzlichen Markern.

Das Spiel geht über 6 Runden. In jeder Runde gibt es 10 Phasen.

Phasen 1-3
In der ersten drei Phasen wird eine Viertel-Karte aufgedeckt und ausgewertet, ihr legt eine Hofkarte vom Hofplan vor euch ab und nimmt euch zu Anfang je 6 Arbeiterwürfel. Ebenso erhaltet ihr Boni von ausgespielten Bonuskarten, was aber in der ersten Runde entfällt.

Aktionen
Phase 4 ist der Kern einer Runde. Hier wählt ihr, beginnend beim Startspieler, jeweils eine Aktion, wofür ihr Arbeiter abgeben müsst, und der nächste Spieler kommt an die Reihe. Dies geschieht so lange, bis alle Spieler alle Arbeiterwürfel eingesetzt haben.

Grundsätzlich könnt ihr zwei Sachen machen: ein Aktionsfeld nutzen oder Arbeiter gegen Geräte tauschen. Wenn ihr Geräte erhalten wollt, gebt einfach Arbeiterwürfel in den Vorrat und nehmt euch die selbe Anzahl an Geräten. Diese werden in Phase 9 benötigt.
Wenn ihr ein Aktionsfeld nutzen wollt, müsst ihr zwischen einem und drei Arbeiterwürfel auf das entsprechende Feld legen. Die meisten Aktionsfelder haben drei Reihen, die entsprechend 1, 2 oder 3 Arbeiterwürfel kosten. Ihr nutzt dabei natürlich die billigste Reihe.

Die Aktionsfelder haben unterschiedliche Kombinationen an Aktionen, die alle optional ausgeführt werden können. Die Aktionsarten im Überblick:

  • Ressourcen: Ihr erhaltet die abgebildeten Ressourcen.
  • Tauschen: Ihr gebt etwas ab, um Ressourcen zu erhalten.
  • Aussäen: Ihr dürft eine oder mehrere leere Äcker belegen. Dazu müsst ihr eine Ackerfrucht (Hopfen, Gerste, Flachs, Roggen) abgeben und legt dafür einen entsprechenden Warenmarker auf den Acker. Könnt ihr mehrere Äcker aussäen, dürft ihr unterschiedliche Ackerfrüchte auswählen.
  • Startspieler: Neben den vier Aktionsfeldern, die eine zusätzliche Karte bieten, ist der Startspieler-Hahn abgebildet. Neben der Karte erhaltet ihr also die Möglichkeit, die nächste Runde zu beginnen. Da es vier solcher Felder gibt, kann der Hahn im Laufe der Runde wandern.
  • Lebenserhaltung: Immer, wenn ihr eine Schaf erhaltet, müsst ihr es auf euren Hofplan platzieren. In den ersten drei Runden werden die Schafe auf die Karte der Runden 4, 5 oder 6 gestellt. Falls eine Hofkarte zu Beginn einer Runde entfernt wird und Schafe darauf stehen, verliert ihr sie in den Vorrat. Mit der Aktion „+1 Runde bei 1 Schaf“ könnt ihr ein Schaf auf die nächsthöhere Hofkarte stellen; ein Schaf auf Hofkarte 6 würde auf die Stallung platziert, wo es „sicher“ ist. Ab der Runde 4 werden alle Schafe, die ihr erhaltet, direkt auf die Stallung platziert.


Phasen 5-8
In diesen Phasen erhaltet ihr Ressourcen und verwaltet einige Dinge. Die zu Rundenbeginn abgelegte Hofkarte wird auf die Hand genommen. Die leeren Äcker werden wertvoller, indem ihr sie eine Reihe nach oben schiebt. Die Waren auf den bepflanzten Äckern werden auf das entsprechende Vorratsfeld gelegt, z. B. von einem Acker mit Wert 5 zum Vorratsfeld 5. Die bepflanzten Äcker verlieren dann an Wert, indem sie eine Reihe nach unten geschoben werden. Anschließend bekommt ihr noch für jedes Schaf eine Milch.

Fortschritt
Diese 9. Phase kann nacheinander oder gleichzeitig gespielt werden. Ihr verwendet eure Waren dazu, die 5 Handwerke auf eurem Hausplan auszubauen. Dies kostet je nach Rundenanzahl eine wachsende Menge an Waren, beginnend mit 1 und steigend bis zu 6 Waren in Runde 6. Welche Waren ihr bezahlen könnt, steht auf jedem Handwerk. Meist können Kombinationen von Waren bezahlt werden. Dies wird aber teilweise eingeschränkt. So kann das Brauhaus mit Gerste und Hopfen bezahlt werden. Es muss aber immer mehr Gerste als Hopfen ausgegeben werden. Andererseits gibt es ab Runde 3 Ermäßigungen, wenn ihr mehrere Waren bezahlt. Eine weitere Bezahlmöglichkeit ist Schmuck. Für einmal Schmuck sind sämtliche Kosten einer Ausbaustufe bezahlt. Weiterhin sind in dieser Phase Geräte wichtig. Soll ein Handwerk um mehr als eine Stufe gesteigert werden, muss dafür normalerweise ein Findling verschoben werden. Ab der dritten Stufe einer Runde müssen sogar zwei Findlinge verschoben werden. Und für jedes Verschieben wird ein Gerät benötigt.

Nachdem die Handwerke gesteigert wurden, wird das Haus soweit nach rechts geschoben, bis es wieder ein Handwerk berührt. Dadurch steigert sich die Zahl der Arbeiter, die ihr nächste Runde erhaltet. Bis zu 12 Arbeiter sind möglich. Steigert ihr darüber hinaus, erhaltet ihr Siegpunkte am Spielende. Ebenso erhaltet ihr Siegpunkte, wenn ihr ein Handwerk so sehr steigert, dass ein Feld mit Siegpunkten drauf überschritten wird und dies sichtbar ist.

In Phase 10 werden noch die Findlinge bewegt, sodass die ursprünglichen Abstände zu Spielbeginn wieder hergestellt sind.

Handkarten
Zu Spielbeginn und im Laufe des Spiels erhaltet ihr einige Handkarten. Diese können normalerweise jederzeit ausgespielt werden. Einige Karten haben jedoch Beschränkungen, in welchen Phasen sie gespielt werden dürfen. Es gibt zwei Arten von Voraussetzungen für das Spielen von Karten. Entweder müsst ihr eine gewisse Anzahl an Ressourcen besitzen oder eine andere Voraussetzung erfüllen, oder ihr müsst etwas abgeben. Was die Karten bringen, hängt vom Typ der Karten ab. Einstiegskarten sind meist recht einfach zu erfüllen und geben einen kleinen sofortigen Bonus. Außerdem geben sie häufig Bonuskarten als zusätzliche Handkarten. Hofkarten sind häufig etwas schwieriger zu erfüllen, geben dafür häufig bessere Sofortboni. Bonuskarten sind sehr unterschiedlich, was die Voraussetzungen angeht. Sie geben neben ein paar Siegpunkte und erlauben in Phase 3 das Nehmen von zusätzlichen Ressourcen oder spezielle Aktionen. Punktekarten bringen „nur“ Siegpunkte. Je nach Anzahl der Siegpunkte sind Voraussetzungen dementsprechend schwierig.

Schlusswertung
Am Ende der sechsten Runde werden die Siegpunkte addiert. Ihr erhaltet Siegpunkte für euren Hausplan: die Punkte, die in dem Hausfenster sichtbar sind, sowie die Punkte, die links neben einem Handwerk sichtbar sind. Jedes Schaf ist ein Punkt wert, ebenso jeder Schmuck. Die Anzahl/Werte von Waren, Äckern und Geräten werden addiert, durch 5 geteilt und abgerundet. Abschließend werden noch die Siegpunkte aller ausgespielten Handkarten addiert. Wer von euch die meisten Siegpunkte hat, gewinnt das Spiel. Ein Gleichstand wird über den höchsten Rest bei Äckern, Geräten und Waren aufgelöst.

Varianten:
Für ein schnelleres Spiel könnt ihr auf die Spielkarten verzichten, lediglich die Viertel-Karten werden bei weniger als vier Spieler benötigt. Alle Phasen und Wertungen der Karten entfallen dadurch. 

Das Spiel beinhaltet zudem die Regeln für ein Solospiel.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • schönes Strategiespiel mit ordentlich Grübelfaktor
  • Ackerbau thematisch schön umgesetzt
  • Varianz durch unterschiedliche Kartendecks


CONTRA

  • ganz zum Ende hohe Wartezeiten möglich
  • thematischer Bruch: Hopfen ist eher unwichtig
  • wenig Interaktion

MEINUNG

Nach sich Uwe Rosenberg in den letzten Jahren vermehrt einfacheren Puzzlespielen gewidmet hat, bescherte er uns mit Hallertau im Jahr 2020 wieder ein Arbeitereinsetz-Spiel. Arbeiter einsetzen, Ackerbau und Viehzucht, viele unterschiedliche Handkarten. So erinnert die Beschreibung auch sehr an Agricola, ist aber spielerisch doch verschieden. Da wäre der Ablauf des Ackerbaus. Die Felder sind unterschiedlich wertvoll und verlieren an Wert, wenn sie beackert werden und werden wertvoller, wenn sie brach liegen. Dies empfinde ich als eine schöne thematische Einbettung.

Ähnliches gilt für den unterschiedlichen Arbeitereinsetzmechanismus. So sind Aktionsfelder nicht automatisch belegt, sondern es erhöhen sich lediglich zunächst die Arbeiterkosten. Andererseits kann es im Spiel zu zweit oder dritt schon mal vorkommen, dass ein Aktionsfeld gar nicht wählbar ist. Dies geschieht, wenn ein beliebtes Feld am Rundenanfang nicht abgeräumt wird, weil die Viertel-Karte nicht das entsprechende Viertel zeigt. Generell wird durch diesen Mechanismus der Preis von Aktionen so variiert, dass „wichtige“ Aktionen teuer sind, während „unwichtige“ Aktionen billig bleiben. Und es erhöht den Druck bei Spielern, sich frühzeitig um wichtige Aktionen zu kümmern. Andererseits sind wichtige Aktionen wie „Aussäen“ mehrfach auf dem Aktionsplan vorhanden, sodass der letzte Spieler nicht automatisch in die Röhre schaut. Ansonsten ist der Druck in diesem Spiel aber moderat, da es das Ernährungsproblem nicht gibt. Dafür sollte darauf geachtet werden, dass fast alle Waren ausreichend zur Verfügung stehen, damit die Handwerke mehrfach gesteigert werden können.

Es macht häufig auch Sinn, auf die Handkarten zu schauen, denn durch das Ausspielen bekommt man nicht nur kleine Vorteile. Die Zahl der Siegpunkte kann insbesondere durch viele Bonuskarten beträchtlich werden. Durch die Karten und die unterschiedlichen Decks kommt auch eine ordentliche Varianz in das Spiel und es ist durchaus sinnvoll, die Strategie den Karten anzupassen.

Zuweilen kann das fehlende Kartenglück zu kleineren Frustrationen führen, wenn immer wieder für das eigene Spiel unpassende Karten gezogen werden – besonders zum Ende des Spiels. In unseren Partien war es aber durchaus möglich, auch mit nur wenigen ausgespielten Karten zu siegen.

Die ersten Partien sind meist etwas holprig und punktarm. Strategien und andere Überlegungen (Geräte sind durchaus wichtig, Schafe sind lohnenswert) lernt man halt im Laufe der ersten Partien. So war bei unseren ersten Partien die Punktzahl deutlich zweistellig, während es ab der dritten Partie häufig zu dreistelligen Punktwerten kam.
Um solche Werte zu erreichen, muss auch ordentlich geplant und gerechnet werden. Dies sind zwar eigentlich simple Additionen, aber da man die Waren meist bei unterschiedlichen Handwerken braucht, und die Zahl der Geräte häufig auch ein beschränkender Faktor ist, kann das immer mal zu Verzögerungen in der Aktions- und Fortschrittsphase führen. Das spiegelt sich auch in der Spielzeit wieder. Unter 2 Stunden ging bei uns bisher nichts.

Also alles toll für Fans anspruchsvoller Strategiespiele? Nun ja, Leute, denen Agricola zu wenig Interaktion bietet, sollten vielleicht einen Bogen um Hallertau machen. Die Interaktion ist eher noch geringer, da man eher selten eine Aktion gezielt blockieren kann. Aber Fans von Uwe Rosenberg sind das ja meist gewohnt.

Was mich ein bisschen wundert, ist die thematische Einbettung in die Region der bayerischen Hallertau. So ist Hopfen nur für ein Handwerk wichtig, aber das auch erst ab Runde 3. Alle anderen Ackerfrüchte sind für zwei Handwerke sinnvoll und zwar ab der ersten Runde. Es macht also gar keinen Sinn, ganz viel Hopfen anzubauen, weil das für das Steigern der Handwerke eher unwichtig ist. Hier sind sogar Ziegel wichtiger, und diese können noch nicht mal angebaut werden, sondern sie müssen fast jede Runde über den Aktionsplan erworben werden. Allerdings kommt Hopfen vermehrt bei den Voraussetzungen der Karten vor, insbesondere beim sogenannten Hopfendeck der Hofkarten. Dennoch ist das jetzt nicht so bedeutend, meiner Meinung nach, dass ich jetzt das Gefühl bekomme, maßgeblich am Aufbau des weltgrößten Hopfengebietes beteiligt zu sein. Ein anderes landwirtschaftliches Thema hätte da genauso gut gepasst. Was ich dafür recht witzig finde, ist die Tatsache, dass die Geräte jede Runde verwendet können. Nur nach der letzten Runde gehen sie nach Gebrauch kaputt. Da war wohl die Garantie abgelaufen ...

Dennoch empfinde ich Hallertau ganz klar als ein sehr schönes Strategiespiel mit ordentlich Varianz und schönen Mechanismen. Wer sich von Spieldauer und etwas Rechnerei nicht abschrecken lässt, sollte hier auf jeden Fall mehr als einen Blick drauf werfen, für Rosenberg-Fans, und dazu zähle ich mich auch, ist es gar ein Must-have. Zu zweit ist Hallertau dabei fast noch besser als in größerer Runde – es spielt sich flotter und planbarer, ein Taktieren, welche Aktion in meinem nächsten Zug noch frei ist, viel besser möglich. Ein vermeintliches Bier-Spiel muss also kein Bier enthalten, um gut zu sein! 

KULTFAKTOR: 9/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

JÜRGEN

Bären-Bändiger, technischer Stratege, Galaxy-Trucker

Eine Rezension vom 29.04.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Lookout Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten