REZENSION

GENOTYPE

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: Genius Games (deutsche Version: Schwerkraft Verlag)
  • Autoren: John Coveyou, Paul Salomon, Ian Zang
  • Grafik: Tomasz Bogusz, Amelia Sales
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 75 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 5/10

Gärtnern für die Wissenschaft 

Wir befinden uns in einem tschechischem Kloster und helfen dem vermutlich berühmtesten und wichtigsten Heimgärtner aller Zeiten: Gregor Mendel, dem Vater der Vererbungslehre. Wir platzieren unsere Aktionsmarker, um Erbsen zu pflanzen, Geld zu besorgen, Studien anzumelden, uns Werkzeuge zu besorgen usw. Dabei beeinflussen wir durch die Gene der Eltern die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Gene des Nachwuchses und erforschen so, wie Genotyp und Phänotyp zusammenhängen.

REGELN

Hinweis: Mir lag zur Besprechung die englische Version des Spiels vor. Es wird eine deutsche Version bei Schwerkraft erscheinen, aber diese war zum Zeitpunkt dieser Rezension (Oktober 2021) noch nicht erhältlich. Bitte verzeiht mir daher begrifflichen Abweichungen. 

Gregor Mendel hat mit seinem Erbsengarten die Grundlagen der Genetik erforscht, und diese bahnbrechende Forschung spielen wir jetzt nach. Wir sind dabei Kollegen Mendels und versuchen uns auch in der Erbsenzucht.

Auf dem Spielplan entdecken wir die Preise der Verbesserungen auf einem verstellbaren Abakus. Auf dem Spielplan finden sich neben den verschiedenen Aktionsfeldern die Auslagen für die Erbsenpflanzen und Werkzeuge. Der größte Teil des Bretts wird aber von den Punnett-Quadraten für vier verschiedene Eigenschaften eingenommen. Später mehr zu den Quadraten. Daneben gibt es Platz für die je fünf Würfel in vier verschiedenen Farben. Neben dem Brett werden auch jede Runde Assistenten ausgelegt.+

Die Spieler erhalten drei Spaten in ihrer Farbe und legen zwei weitere neben das Spielbrett. Die eigenen Scheiben werden bereit gehalten. Auf dem eigenen Spielertableau gibt es das Aktionsfeld zum Gärtnern, zwei Beete für Pflanzen und drei Plätze, um Würfel abzulegen.

Zu Beginn bekommt jeder Spieler eine Pflanze in ein Beet gepflanzt und eine weitere Pflanze so wie ein Werkzeug auf die Hand. Nachdem der Startspieler bestimmt wurde, bekommen die Spieler Münzen abhängig ihrer Startposition, und es geht los.

Das Ziel ist es natürlich, Punkte, ach ja, und weltbewegende Wissenschaft zu machen, aber zunächst mal Punkte. Die meisten Punkte gibt es für das Bestätigen aller Genotypen auf einer Erbsenkarte. Wer sich etwas mit Genetik auskennt, weiß, was hier thematisch gemeint ist, alle anderen könnten es aus dem beiliegendem Heft lernen oder einfach hinnehmen, dass die Symbole auf den Erbsen abgedeckt werden müssen. Zum Abdecken brauchen wir Würfel, die dem auf der Karte sichtbaren Genotyp entsprechen. Mehr dazu später.

Es werden 5 Runden mit je 4 Phasen gespielt. 

In der Aktionsphase setzen die Spieler reihum immer einen Spaten auf ein Aktionsfeld und führen die entsprechende Aktion aus. Jedes Feld kann nur von einem Spaten belegt werden. Die Felder erlauben ein paar einfache Aktionen, wie das Besorgen von mehr Münzen, das Abdecken eines Genotyps gegen Münzen, Werkzeuge oder neue Pflanzen aus der Auslage nehmen. Werkzeuge können eingesetzt werden, um einmalig einen besonderen Bonus zu bekommen, z.B. 5 Pflanzen ziehen und 2 behalten.

Dann gibt es noch die Möglichkeit, eine Eigenschaft (Phänotyp) zu markieren, um am Spielende für abgeschlossene Pflanzen mit dieser Eigenschaft Punkte zu bekommen. Es kann sich die erste Wahl in der Würfelphase gesichert werden. Oder es können die Elternpflanzen und damit die Punnett-Quadrate geändert werden.

Am meisten zu tun gibt es bei der Gärtnern-Aktion. Zunächst darf ein Werkzeug oder eine Pflanze aus der Auslage genommen werden. Dann dürfen alle Pflanzen, deren Genotypen vollständig abgedeckt wurden, von den Beeten entfernt und auf den eigenen Punktestapel gelegt werden. Danach können leere Beete mit Pflanzen von der Hand belegt werden. Jetzt sind diese Pflanzen bereit, erforscht zu werden.

Haben alle Spieler ihre Spaten platziert, so können wir schon mit der Forschung beginnen. In diesem Spiel beschäftigen wir uns nur mit vier Eigenschaften der Erbsen. Mendel hat sich gleich sechs vorgeknüpft. Für jede dieser Eigenschaften gibt es mehrere Würfel, die die römischen Zahlen von I bis IV zeigen und zweimal ein Chromosom, das für Mutationen steht. Die Würfel werden gewürfelt und entsprechend der Punnett-Quadraten zugeordnet.

Diese Quadrate dienen dazu, alle möglichen Kombinationen der Zustände eines Gens beim Nachwuchs zweier Eltern vorherzusagen. Weiterhin kann dort sogar die zu erwartenden Häufigkeit abgelesen werden. Also runde Erbsen haben das Gen R und runzlige r und … ach, eigentlich müsst ihr das gar nicht wissen, um spielen zu können. Wer da mehr Details möchte, kann sich das Beiheft zur Brust nehmen. Im Prinzip schaut ihr einfach, wenn eine II gewürfelt wurde, welchem Genotyp dies entspricht und sortiert den Würfel nach rr, Rr oder RR. So werden die verschiedenen Würfel den Ablagefeldern zugeordnet. Mutationen werden noch einmal gewürfelt. Sind es dann immer noch Mutationen, kommen diese auf die Mutationsfelder.

Zunächst dürfen Spieler, die sich erste Wahl durch einen Spaten gesichert haben, einen Würfel wählen, dann bekommen die Spieler reihum Würfel, bis entweder die Würfel komplett vergeben sind oder die Spieler keinen mehr nehmen können. Wer einen Würfel nimmt, muss diesen auf einen freien Würfelplatz seines Tableaus legen und ein passendes Merkmal auf einer seiner Erbsenkarten mit einem Blattmarker abdecken können. Mutationen sind dabei Joker, aber ein weiterer Würfel muss genommen werden. So wählen die Spielenden reihum Würfel, bis ihre Würfelplätze voll sind oder keinen passenden Würfel mehr ausliegen.

Dann können sich die Spieler Verbesserungen kaufen. Diesmal ist die Spielerreihenfolge umgekehrt. Wer eine Verbesserung, welche Münzen kostet, kauft, erhöht den Preis dieser Verbesserung um 1. Reihum dürfen sich die Spieler solange Verbesserungen kaufen, bis alle passen. Die Verbesserungen sind neue Beete, Würfelplätze, mehr Spaten oder Assistenten. Assistenten sind wie permanente Werkzeuge, die den Spielern während des restlichen Spiels Vorteile bringen, z.B. weniger für Verbesserungen zu bezahlen.

Zum Schluss kommen die Würfel zurück neben das Spielbrett, alle Assistenten, Werkzeuge und Pflanzen werden aus der Auslage entfernt, und die Auslage wird neu aufgefüllt. Der Preis jeder Verbesserung sinkt um 1.

Spielende: So spielen die Spieler fünf Runden. Dann darf noch einmal geerntet werden, und es werden Punkte gezählt. Jede abgeschlossene und geerntete Pflanze ist ihre auf der Karte vermerkten Punkte wert. Jede abgedeckte Eigenschaft ist einen Punkt wert, genau wie jede Münze. Dann gibt es noch Punkte für bestimmte Eigenschaften, die im Laufe des Spiels gewählt wurden. 

Wer die meisten Punkte besitzt, hat damit vielleicht ein Stück Wissenschaftsgeschichte geschrieben.


Das Spiel bietet auch eine Solo-Variante.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • wissenschaftlicher Hintergrund
  • Beeinflussung der Würfelverteilung 


CONTRA

  • unausgewogene Assistent*innen

MEINUNG

Als Chemiker üben viele wissenschaftliche Themen einen Reiz auf mich aus, besonders wenn diese in Spielen aufgegriffen werden und so die Chance besteht, dass Biologie und Chemie einen positiveren Eindruck bei Menschen hinterlassen.

Tatsächlich ist für die Umsetzung solcher Themen Genius Games der Verlag erster Wahl. Obwohl dieser Verlag schon etliche Spiele herausgebracht hat, deren Qualität mal so, mal so ausfiel, sind diese im deutschen Markt erst durch Schwerkrafts Lokalisierung von Periodic (deutscher Titel Elemente) richtig eingedrungen. Genotyp, wie Genotype in der deutschen Ausgabe heißen wird, ist nun ein weiteres Spiel, welches von Schwerkraft lokalisiert wird.

Dieses Mal geht es auf die Spuren von Mendel, dem Vater der Genetik. Hierfür züchten wir Pflanzen in einem tschechischen Kloster und identifizieren den Genotyp verschiedener Phänotypen. Das ganze Spiel ist recht thematisch ausgestattet und vieles ist wissenschaftlich sowie historisch korrekt. Dies kann jeder in dem wissenschaftlichen Beiheft nachlesen und so selber bestimmen, wie tief in den wissenschaftlichen Hintergrund des Spiels eingetaucht wird. Es ist aber sehr spannend zu sehen, wie die Mechanismen und Gestaltung völlig organisch mit dem wissenschaftlichen Hintergrund der Vererbungslehre verknüpft sind.

Im Spiel platzieren wir Schaufeln, um Aktionen auszulösen. Dies ist ein klassischer Arbeitereinsatz, d.h. liegt bereits eine Schaufel auf einem Feld, kann ich dort meine nächste Schaufel nicht platzieren. Auch die meisten Aktionen der Felder sind relativ gut bekannt. Ich bekomme Geld, neue Erbsen, die als Auftragskarten fungieren, ersetze erledigte Erbsen durch frische und sichere mir erste Wahl bei den Würfeln.

Hier wird es etwas innovativer. Nachdem alle Spieler ihre Schaufeln gesetzt haben, wird ein Haufen Würfel geworfen. Diese entsprechen bestimmten Genotypen. Welche Genotypen die Würfel haben, hängt von der gewürfelten Zahl und den Eltern ab. Auf den Würfeln sind die Zahlen 1 bis 4. Diese sind in eine Tabelle eingetragen, dem Punnett-Quadrat, und diese teilt dem Würfel einen Genotyp abhängig von den Genotypen der Eltern zu. 

Wichtig ist hierbei: Die Wahrscheinlichkeiten für jeden Genotyp kann nicht nur berechnet, sondern auch beeinflusst werden. Gleichzeitig bedeutet die geringe Würfelanzahl, nämlich 5 Stück, dass die Statistik meist nicht erfüllt wird, deswegen bleibt es spannend, und es sollte nicht zu fest mit einem Genotyp gerechnet werden. 

Wer sichergehen will, dass jeder Würfel verwendet werden kann besorgt sich mehr Beete und mehr Erbsen, oder kauft sich Assistenten mit nützlichen Sonderfähigkeiten. Leider sind meines Erachtens die Assistentinnen und Assistenten das Hauptproblem von Genotype. Diese haben recht unterschiedliche Fähigkeiten mit unterschiedlich starkem Nutzen. Dies ist vermutlich sinnvoll, damit es in einigen Runden interessanter ist, den Assistenten hinterher zu jagen als in anderen. Aber einerseits gibt es keine Möglichkeit, die Reihenfolge bei der Assistentenwahl zu beeinflussen, sodass ich einfach vielleicht durch Glück in der richtigen Runde als erstes aussuchen darf, und andererseits gibt es eine Assistentin, die viel viel stärker als die anderen erscheint. Gegen unerfahren Spieler konnte ich auch gewinnen, wenn sie diese Assistentin besaßen, aber ich glaube bei gleichstarken Spielern ist diese Assistentin immer die Trumpfkarte. Dies ist in diesem sonst guten Spiel recht ärgerlich.

Auch wenn die Erklärung es anders vermuten lässt, so stimmt die Zeitangabe auf der Schachtel von 45 bis 75 Minuten schon beinahe ab der ersten Partie, obwohl das Spiel nicht anspruchslos ist. Viele der Regeln sind einfach recht logisch und passen gut ins Spielgefühl. Das Spiel funktioniert mit 2 bis 5 Spielern und ich finde es in jeder Spieleranzahl gut, aber mit 3 bis 5 Spielern ist es einfach lebhafter und ich empfinde es als interessanter. Das Mindestalter finde ich mit 14 Jahren recht hoch gegriffen, ich denke, ein spielerfahrenes 10-jähriges Kind schafft es auch, Genotype zu spielen.

Gestaltung und Thema, welche sehr gut mit den Mechanismen verknüpft sind, bringen Genotype eigentlich hoch auf 8 Kultpunkte, aber die Unausgewogenheit der Assistenten dann eher auf eine 7.

FAZIT: Genotype bringt eine spannende, steuerbare Zufallskomponente in ein Arbeitereinsatzspiel, welches perfekt mit dem wissenschaftlichen Thema verknüpft ist. Dies ist mit der angenehmen Spieldauer eine tolle Mischung, nur stellt sich immer wieder die Frage, wie ausgewogen die Assistenten*innen sind.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 26.10.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Genius Games
Weitere Fotos: Spielkultisten