REZENSION
FRISIERT!
- Genre: Karten-/ Familienspiel
- Jahr: 2021
- Verlag: 2F-Spiele
- Autor: Friedemann Friese
- Grafik: Maura Kalusky
- Spieler: 2 bis 6
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 25 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 6/10
Ist das eigentlich noch Punkrock?
Auf geht es zum Rennen der heißen Kisten! Wir stehen entschlossen … am Rand der Piste, denn wir sind nicht so wagemutig, uns selbst auf ein Moped zu wagen, wir wetten lieber auf das Ergebnis des Rennens.
REGELN
Das Rennen wird ganz schnell vorbereitet. Erst wird eine der zwei verschiedenen Rennstrecken gewählt. Die 84 Karten werden gemischt. Die Mopeds in den 6 unterschiedlichen Farben werden zufällig auf die 6 Startfelder der gewählten Strecke gestellt. Die Rundenzähler der sechs Mopeds werden auf dem Startfeld gestapelt. Und der Startspieler erhält die Zündkerze.
Es werden mehrere Spielrunden gespielt (nicht zu verwechseln mit den Runden der Mopeds auf der Rennstrecke!), bis 3 Mopeds auf dem Siegertreppchen stehen. In jeder Runde werden Karten aufgedeckt, um die Mopeds nach vorne zu bewegen, und dann wählen die Spieler je eine Karte, um auf die Mopeds zu wetten.
Jede Karte zeigt eine Moped-Farbe und einen Wert von 1, 2 oder 3 (pro Moped gibt 14 Karten, je 5x „1“, 5x „2“ und 4x „3“). Wird eine Karte aufgedeckt, bewegt sich das Moped der entsprechenden Farbe so viele Schritte nach vorne. Diese Schritte können auf derselben Fahrbahn sein oder diagonal, um zwischen Innen- und Außenbahn zu wechseln. Besetzte Felder dürfen durchfahren werden, aber die Bewegung darf dort nicht enden. Wäre dies bei einer Karte der Fall, so fährt das Moped nur soweit es kann. Wird die Ziellinie überquert, geht der Rundenzähler des Mopeds einen Schritt weiter. So werden z.B. mit 6 Spielern 9 Karten aufgedeckt.
Wurde die zur Spielanzahl passende Anzahl an Karten aufgedeckt, sammelt die Person mit der Zündkerze die aufgedeckten Karten ein und wählt eine der Karten. Die Karte wird verdeckt vor der Spielerin bzw. dem Spieler ausgelegt. Die Karten werden nach links weitergegeben. Es wird wieder eine Karte gewählt, und das wiederholt sich, bis jede Person eine Karte gewählt hat. Bei 2 oder 3 Spielern wird noch eine Karte verdeckt beiseite gelegt. Die restlichen Karten kommen unter den Zugstapel. Die Zündkerze wandert zur nächsten Person.
Dies wird nun so weitergespielt, bis ein Moped seine dritte Runde abschließt und die Ziellinie überschreitet. Dann werden einfach immer weiter Karten aufgedeckt, bis insgesamt 3 Mopeds die Ziellinie überschritten haben und so der Gold-, Silber- und Bronzeplatz vergeben wurde.
Jetzt decken alle Spieler ihre gesammelten Karten auf. Jede Karte in der Farbe des Erstplatzierten bringt 4 Punkte, des Zweitplatzierten 3 Punkte und des Drittplatzierten 2 Punkte. Wer die meisten Punkte hat, hat gewonnen.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- schnell gelernt
- gut für gesellige Runden
CONTRA
- eigener Einfluss fühlt sich niedrig an
- nur ein Spannungsmoment
MEINUNG
Etwas Familiengeschichte zum Anfang? Meine Mutter hatte tatsächlich noch ein Moped, ein motorisiertes Fahrrad. Ein Moped fährt schneller als ein Mofa, ist aber mit maximal 40 km/h noch meilenweit entfernt von der Leistung eines Motorrads. Mit 15 Jahren gab es bereits eine Fahrerlaubnis für ein Moped, weswegen Mopeds eher bei Jugendlichen beliebt waren.
Die Gestaltung des Spiels zeigt auch klar, dass es sich hier eher um Möchtegern-Rocker handelt, als um die neueste Besetzung eines „Fast and Furious“-Films. Unsere Mopedfahrer sind zwar teilweise etwas abgeranzt, aber liebenswert. Ich glaube ja fast, dass der Autor, Friedemann Friese, hier eine Hommage an seine Jugendclique gemacht hat. Die grünen Haare des Autors ließen mich ihn einfach immer etwas punkig wahrnehmen. Und sein Spieldesign ist ja auch öfters mal irgendwie Punk. Ich hoffe, diese Einführung lässt euch erahnen, welche Atmosphäre Frisiert! verbreiten möchte.
Das Spiel selber ist wirklich schnell gelernt. Ein Spieler erklärt kurz, wie sich die Mopeds bewegen und wofür es Punkte am Ende gibt. Dann geht es los. Der Verlauf des Spiels ist so einfach, dass jeder mitkommt. Allerdings bleibt die Frage, ob jeder verstanden hat, wie man spielen muss, um Punkte zu machen.
Die Herausforderung bei Frisiert! besteht im Abzuschätzen, welche Karten noch im Kartenstapel sind und wo. Nachdem die Karten für diese Runde aufgedeckt wurden, wählt jeder Spieler aus den selben Karten eine Wettkarte aus; diese Karte steht jetzt aber dem Moped nicht mehr zur Verfügung. Das bedeutet: Mit jeder Wette auf meinen Favoriten wird dieser ausgebremst. Gerade in einer Runde, in der sich ein bestimmtes Moped viel bewegt hat, wird dieses besonders viele Karten verlieren.
Bei dieser Beschreibung hatte ich erwartet, dass das Deck mehrfach durchgespielt wird und jede entfernte Karte eine Katastrophe für das Moped ist. Aber die erste Partie und etwas Rechnen zeigten schnell, dass dies nicht der Fall ist. Es handelt sich um 6 Mopeds mit insgesamt 84 Karten. Im Spiel mit 2 Spielern werden 6 Karten pro Runde aufgedeckt und im Spiel mit 6 Spielern sind es 9 Karten, d.h. das gesamte Deck ist nach 10 bis 14 Runden durchgespielt. Es wandern in jeder Runde 3 Karten zurück unter den Stapel. Sobald der Stapel also durch ist, wird jede neue Runde durch 2 bis 3 vorige am Anfang gespielte Runden bestimmt.
Wurde der Stapel einmal durchgespielt, ist jedes Moped 27 Felder gefahren, wenn es nicht blockiert wurde. Idealerweise braucht ein Moped zum Gewinnen ca. 30 Schritte. Somit wird schnell klar, dass, sobald der Stapel durch, meist nur noch 1 oder 2 Durchgänge gespielt werden. Dies ist alles etwas simplifiziert, und wir hatten auch Partien, in denen der Stapel 1,5-mal durchgespielt wurde – aber auch eine Partie, bei der nicht mal alle Karten vom Stapel aufgedeckt wurden.
Trotz dieser Zahlen hatte ich aber öfters das Gefühl, gar nicht so großen Einfluss auf das Spiel zu haben, aber die Erfahrung strafte mich Lügen. Als ein anderer Spieler und ich beide das orangefarbene Moped zu unserem Champion auserkoren, blieb dieses tatsächlich praktisch stehen und weigerte sich in seiner dritten Runde weiterzufahren. Oder es zeigte sich, dass die Person, die offensichtlich relativ zufällige Entscheidungen traf, auch verlor.
Auf diese Art ist Frisiert! für mich doch ein bisschen ein Rätsel. Es funktioniert nämlich besser, als meine simplifizierte Rechnung es vorhersagt.
Allerdings ist Frisiert! innerhalb einer Partie leider oft nicht so spannend, wie ich es mir wünschen würde. Wenn ich die Entscheidung treffe, eine bestimmte Karte zu nehmen, dann sehe ich den Effekt erst relativ gegen Ende des Spiels. Der spannende Moment kommt, wenn die Mopeds sich der Zielgerade nähern. Ein kurzes nervöses Gefühl im Magen verrät mir, dass ich doch neugierig bin, was jetzt geschieht. Allerdings dauert eine Partie Frisiert! ungefähr so lang wie eine Partie L.A.M.A. von Reiner Knizia, welches ähnlich schnell zu lernen ist und viel öfter spannende Momente liefert. Dies macht Frisiert! für mich besonders im Mittelteil etwas fad. Am Anfang versuche ich zu schätzen, welche Karten die Gegner wählen und wie dies das Rennen beeinflusst. Dann schätze ich ab, ab welchem Zeitpunkt ich getrost die 3er Karten meines Favoriten einsammeln kann, weil die Karten dieser Runde nicht wieder gezogen werden. Ab dann kann ich einfach Karten wählen und warte auf die Zielgerade.
Nun hat Frisiert! dabei auch das Flair, das eine Amateurrennstrecke hat, bei der die Fahrzeuge eher mittelschnell unterwegs sind. Mit 6 Spielern kann sich fast jeder zwischendurch mit seinem Nachbarn unterhalten oder ein Würstchen essen ... Dann schauen beide, wie die Mopeds jetzt stehen. Dies beeinflusst kaum den Spielfluss. Frisiert! läuft schnell, aber ist gleichzeitig gemütlich. Dies macht es zu einem guten Kandidaten in gemütlichen 5er- oder 6er-Runden. Mit 2 oder 3 Spielern gibt es noch ein kleines strategisches Element, da der letzte Spieler immer noch eine Karte heraus legt, also quasi ein Moped ausbremst, ohne darauf zu wetten.
Fazit: Will Frisiert! uns einen gemütlichen Tag an der Moped-Rennstrecke bescheren, so ist dies gelungen. Für mich könnte Frisiert! allerdings dann doch noch etwas mehr PS unter der Haube haben, was die spannenden Momente im Spiel angeht.
KULTFAKTOR: 6/10
Spielidee: 6/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 6/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 12.01.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: 2F-Spiele
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