REZENSION
FLIPPERMANIA
- Genre: Würfel-/ Taktikspiel
- Jahr: 2021
- Verlag: WizKids / Deutsche Version: Frosted Games / Pegasus Spiele
- Autor: Geoff Engelstein
- Grafik: Gong Studios
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 6/10
Roll & Write & Tilt!
Auf gleich vier verschiedenen Flippertischen könnt ihr in diesem Roll & Write-Spiel die Silberkugel über Rampen, Bumper und auf Zielscheiben flitzen lassen. Die Würfel und eure Entscheidungen bestimmen, wohin die Kugel rollt - und wie lange sie ihr im Spiel halten könnt!
REGELN
Vorab: Flippermania ist im Kern ein Solospiel. Spielt ihr mit mehreren Personen, dann spielt jeder auf seinem eigenen Tableau mit einem gemeinsamen Würfelergebnis, das für alle gilt. Somit spielen alle parallel, machen aber nicht zwingend die selben Aktionen.
Jeder Spieler (1 bis 4) erhält also vor Spielbeginn einen identischen Flippertisch (beschreib- und abwischbare Spieletafel) sowie einen Stift. Dazu gesellt sich ein Punkte-Board, das jeweils über den eigenen Flippertisch gelegt wird.
In jedem Spielzug werden die beiden Würfel geworfen. Jeder Spieler entscheidet sich (unabhängig davon, was die anderen machen) für einen der beiden Würfel und lässt die Silberkugel (dargestellt durch eine glänzende Halbkugel, beginnend beim Startfeld oben) zu einem erlaubten Ziel mit dieser Zahl rollen. Das Ziel wird dann mit dem Stift ausgestrichen. Haben das alle Spieler gemacht, werden die Würfel neu geworfen, wieder entscheidet sich jeder für eine Augenzahl und lässt die Kugel dann zu einem Feld mit der neu gewählten Zahl rollen. Das wiederholt sich nun fortlaufend.
Für die Kugelbewegung gibt es folgende Regeln:
- Jeder Flippertisch ist in vier Zonen eingeteilt. Die Kugel rollt von ihrer aktuellen Position immer mindestens eine Zone weiter nach unten, um dort ein Ziel zu treffen.
- Befinden sich am Ausgangsort Pfeile, so kann sie auch den Pfeilen folgen und sich ausnahmsweise in dieser Zone halten.
- Landet sie auf einem Flipperhebel („Flipperfinger“), wird sie wieder nach oben katapultiert - vom roten Flipperfinger auf ein rotes oder ein neutrales (weißes) Ziel, vom gelben Finger auf ein gelbes oder ein neutrales (weißes) Ziel weiter oben. Auch kann die Kugel, vom Finger aus, einem farblich passenden Pfeil folgen, um von unten z.B. eine Rampe oder einen Durchgang anzusteuern, den man „von oben“ nicht erreichen würde.
Wie bei einem echten Flippertisch findet man verschiedene Elemente auf dem Tableau:
- Bumper bringen bei jeder Berührung Punkte.
- Klappziele bringen einen Bonus, wenn eine Gruppe an Zielen getroffen wurde. Der Bonus ist meistens wählbar, z.B. doppelte Punkte für Bumper, die Aufhebung der Farbregel bei den Flipperfingern, direkte Punkte oder auch ein Multiball. Bei letzterem wird eine zweite Kugel aufs eigene Tableau gebracht. Fortan werden immer beide Würfel genutzt - der eine für die erste, der andere für die zweite Kugel.
- Die Skillshot-Felder können Zahlen freischalten, die man statt eines Würfels verwenden darf.
- Rampen bringen Punkte, wenn man die Zahlenfelder ansteuert - bei "Hau den Lukas" auf dem Carnival-Tisch gilt: je öfter, umso mehr Punkte.
etc.
Jeder Tisch hat ein eigenes Thema (Jahrmarkt, Cyberwelt, Fantasy, Party), eigene Elemente und Regeln. Diese ausführlich zu beschreiben, würde hier den Rahmen sprengen.
Wichtig ist jedoch die Flipperzone jedes Tisches: Kann eine Kugel nicht mehr von den Flipperfingern (oder über die Inlane-Spur, die noch einen Bonus liefert) aufgefangen werden, ist sie verloren. Eine neue Kugel muss dann im nächsten Spielzug vom Start ins Spiel gebracht werden. Insgesamt besitzt jeder Spieler drei Versuche. Ist die letzte Kugel verloren, endet das Spiel für diesen Spieler. Dabei geht die Kugel übrigens auch über die Outlane-Felder ins Aus, liefert dem Spieler aber zumindest nochmal Punkte.
Um eine Kugel im Spiel zu halten, kann der Tisch auch gestoßen werden. Dann kann ein Würfel zu einer beliebigen Zahl verändert werden. Die Differenz zwischen Augenzahl und neuer Zahl ist dann das sogenannte „Tilt-Risiko“. Im nächsten Spielzug müssen die beiden Würfel das Tilt-Risiko erfüllen / übertreffen. Beispiel: Eine 2 wird zur 4, die Differenz beträgt 2. Somit ist das Tilt-Risiko 2. Im nächsten Zug fallen eine 1 und eine 5. Die Differenz übertrifft das Tilt-Risko. Dieses wird nun, ohne weitere Konsequenzen, gelöscht. Wäre stattdessen nur eine 1 und eine 2 gefallen, wäre die Differenz zu niedrig gewesen. Damit wäre ein Tilt ausgelöst worden und die aktuelle Kugel wäre verloren.
Auf zwei Tischen Tische (Cyberhack und Disco Fever) gibt es zudem Minispiele, die auf dem Punkteboard gespielt werden. Und auf dem Drachentöter-Tisch können diverse Zauber gewirkt werden. Zum Einstieg empfiehlt sich der Carniball-Tisch, der hier auch überwiegend als Erklär-Referenz genutzt wird.
Gespielt wird, bis jeder Spieler seine letzte Kugel verloren hat. Es gewinnt dann der Spieler mit den meisten Punkten. Wurde solo gespielt, wird das Endergebnis in die Highscore-Tabelle der Anleitung eingetragen. Dort finden sich auch noch kleine Aufgaben, die man erfüllen kann, um sämtliche Vorgaben zu meistern.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- tolle Umsetzung eines Flippers als Roll-and-Write-Spiel auf Kennerspiel-Niveau
- vier verschiedene Tische mit individuellen Regeln und steigendem Schwierigkeitsgrad
- beeinflussbare Glücksabhängigkeit
- schöne Illustration
- ideal für alle Flipper-Fans, besonders auch als Solospiel
CONTRA
- manchmal Wartezeiten am Spielende, wenn mit mehreren Personen gespielt wird
- einiges an Administration (insbesondere die Punkteleiste)
MEINUNG
Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen wäre. Es muss im Jahr 1994 gewesen sein, als ich erstmals mit Flipperspielen konfrontiert wurde. Nein, nicht bei einem Jugendtreff und erst recht nicht in irgendeiner Kneipe, für letztere war ich noch zu jung. Der Computer war Schuld. Pinball Dreams, Pinball Fantasies, Pinball Illusions und Co. - ich habe die PC-Pinball-Spiele damals gesuchtet, zunächst noch im 2D-Scroll-Modus, später mit Tilt! oder Pro Pinball auch in 3D. Dieser Thrill, die Kugel auf neue Highscores zu treiben, dieser Ärger, wenn sie einem kurz vor einem Mega-Bonus verloren geht ... oh, ich habe diese Spiele damals geliebt.
Kann eine Brettspiel-Umsetzung, so ganz ohne Geschicklichkeits- bzw. Reaktionsfähigkeitsanspruch da überhaupt gegen ankommen? Sicher, die Action, die so ein Flipper im Real Life oder am Computer bietet, geht in der Roll-and-Write-Version verloren. Aber: In Flippermania steckt viel Liebe zum Detail. Der Autor muss definitiv ein echter Pinball Wizard sein, denn die Ideen, die in jedem der vier unterschiedlichen Tische stecken, sind einfallsreich und zudem nah an den Originalen - ja, sogar die typischen Minispiele im Display wurden hier umgesetzt.
Die Grundregeln sind dabei simpel. Mit der Kugel von oben nach unten Zahlenfelder ansteuern und sie mit den Flipperfingern wieder nach oben katapultieren. Die eigenen Entscheidungen liegen, bei aller Glücksabhängigkeit, dann im geschickten Nutzen des Würfelergebnisses. Das ist für alle Spieler gleich, dennoch wird man schnell unterschiedliche Spielweisen feststellen können. Auch die Bonus-Auswahl wird nicht bei jedem Spieler gleich sein. So spielen dann mehrere Spieler parallel, letztlich aber solitär. Man vergleicht am Ende Punkte. Das kann dazu führen, dass ein Spieler früher fertig ist als andere und dann warten muss. Aus diesem Grund bewirbt der Verlag Flippermania wohl schon als ideales Solospiel, und genauso empfinde ich das auch. Letztlich ist die Motivation, einen Highscore zu knacken, genauso hoch wie die, das Ergebnis eines Mitspielers zu übertreffen.
Das Spielmaterial ist von guter Qualität. Die Tableaus sind nicht zu dünn, lassen sich gut beschreiben und auch wieder reinigen. Die silbernen Halbschalen als Flipperkugeln machen das Spiel sehr atmosphärisch. Einfache Pappe hätte es auch getan, aber so wirkt alles noch viel realistischer. Dennoch ist die Zielgruppe eingeschränkt. Wer nie zuvor an einem Flippergerät stand oder so ein Spiel am PC gezockt hat, der wird die Spannung, die so ein Spiel bietet, nicht 1:1 auf das Roll-and-Write-Spiel übertragen. Das läuft ja eher gemächlich ab und mag für Nicht-Fans dann sogar zu abstrakt sein, um zu verstehen, was da eigentlich gerade simuliert wird. Insbesondere die Tilt-Regel wirkt da ohne Hintergrundwissen, was man damit am echten Tisch eigentlich auslöst, rein mathematisch.
Für mich als Flipper-Fan ist die Umsetzung aber wirklich gut gelungen. Ich fühle mich sofort an alte Zeiten erinnert; für mich wird dieses Gefühl aus Spannung und Spaß sofort wieder hervorgebracht. Die vier Tableaus bieten viel Abwechslung, das Spiel ist tricky, ohne zu überfordern. Wer nicht im Thema steckt, wird darin ein normales Roll-and-Write-Spiel sehen und vielleicht 7 Punkte vergeben - für mich und andere Pinball-Maniacs jedoch ist das definitiv ein „sehr gut“. Ja, es gibt kleine Abzüge in der B-Note (z.B. das nicht geringe Maß an nötiger Administration, insbesondere die Punkteleiste ist da auffällig), und ja, die Action eines echten Flippertisches mag einem mitunter fehlen, aber: Als Roll-and-Write-Adaption finde ich Flippermania toll und spiele es echt gern, besonders in der Solo-Variante. Von mir gibt es dafür dann starke 8 Kultpunkte!
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/DOoyZHzDjxQ
KULTFAKTOR: 7-8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 03.01.2022
Bildnachweis:
Coverfoto: Frosted Games / Pegasus Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten