REZENSION

ERIANTYS

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: Cranio Creations
  • Autor: Leo Colovini
  • Grafik: Alessandro Costa
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Dauer: ca. 30 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 6/10

Feldstudie oder Mittagessen?

In Eriantys haben wir unsere eigene Zauberschule, aber wir nutzen unsere Schüler, um wichtige Professoren anzulocken und fliegende Inseln zu kontrollieren. Leider sind die Schüler auf den fliegenden Inseln sehr wankelmütig, was ihre Loyalität angeht.

REGELN

Ziel des Spiels ist es, alle seine Türme auf den fliegenden Inseln unterzubringen. Immer wenn Mutter Natur bei einer Insel vorbeischaut, wird kontrolliert, wer den meisten Einfluss auf der Insel hat. Dafür brauchen wir Professoren und Schüler der passenden Farbe.

Zunächst aber erhält jeder Spieler ein Schul-Tableau und einen Kartensatz mit Karten von 1 bis 10. Dann zieht jeder aus dem Sack zufällig Schüler, die er in seinen Schulhof legt. Wie viele Schüler das sind, hängt von der Spielerzahl ab. Jeder Spieler bekommt Türme, die er auf sein Tableau stellt. Bei 2 oder 3 Spielern spielt jeder für sich, aber bei 4 Spielern gibt es 2 Teams, die sich ihre Türme und Professoren teilen. 

Die 12 fliegenden Inseln werden ausgelegt. Mutter Natur wird auf eine Insel gestellt, und jede Insel, außer die mit Mutter Natur und die gegenüberliegende Insel, erhält einen zufälligen Schüler. Es werden so viele Wolkenplättchen, wie Spieler teilnehmen, ausgelegt und mit zufälligen Schülern bestückt. Jetzt wird ein Startspieler bestimmt und los geht es.

Beginnend beim Startspieler, spielt jeder Spieler eine seiner Handkarten aus. Jeder Spieler muss eine andere Karte spielen. Die Zahl links oben auf der Karte bestimmt die Zugreihenfolge. Wer die niedrigere Zahl gewählt hat, beginnt, und dann geht es aufsteigend weiter.

Wer am Zug ist, muss 3 oder 4 Schüler, abhängig von der Spielerzahl, vom eigenen Schulhof bewegen. Diese Schüler können entweder in die Mensa oder auf die Insel geschickt werden. Für jeden Schüler wird individuell bestimmt, ob es zum Essen oder zur Feldstudie geht. 

Geht ein Schüler in die Mensa setzt er sich an den Tisch seiner Farbe (rote Drachen, grüne Froschkönige, gelbe Gnome, pinke Feen, blaue Einhörner). Besitzt ein Spieler allein die meisten Schüler einer Farbe, so nimmt sich dieser den Professor in der entsprechenden Farbe. Ein Gleichstand reicht nicht aus, um einem Mitspieler den Professor zu entreißen.

Wird ein Schüler auf eine Insel geschickt, so wird dieser auf einer beliebigen Insel abgelegt - und gut.

Nach dem Bewegen der Schüler muss Mutter Natur bewegt werden. Sie geht mindestens einen Schritt, aber maximal so viele Schritte, wie auf der Karte des aktiven Spielers angegeben, im Uhrzeigersinn.

Auf der Insel, auf der Mutter Natur landet, bricht Krieg aus ... ähm, ich meine, es wird geschaut, wer den meisten Einfluss hat. Dieser Spieler oder dieses Team darf einen eigenen Turm auf diese Insel setzen, wenn dort noch keiner steht.

Der Einfluss auf der Insel errechnet sich durch die eigenen Türme auf der Insel plus Schüler in der Farbe eigener Professoren. Ergo: Habe ich den roten Professor, so zählen alle roten Schüler einen Einfluss für mich.

Haben zwei benachbarte Inseln Türme in der gleichen Farbe, so fusionieren die Inseln zu einer Insel mit zwei Türmen.

Stehen auf einer Insel Türme, und jemand anderes hat beim Besuch von Mutter Natur dort mehr Einfluss, so werden die Türme des Gegners entfernt und durch die Türme des Siegers ersetzt. Fusionierte Inseln sind also schwieriger einzunehmen, bedeuten aber mehr Belohnung.

Am Ende des eigenen Zuges wird eine der offenen Angebote von neuen Schülern gewählt.

War jeder Spieler einmal am Zug, so wird erst die Auslage an Schülern aufgefüllt und dann wieder Karten gespielt, wobei der Spieler mit der niedrigsten Karte aus der vorigen Runde jetzt beginnt, eine Karte zu spielen. 

Es wird so lange gespielt, bis jemand oder ein Team alle Türme auf Inseln platziert hat ODER bis zum Ende der Runde, in der alle Karten gespielt wurden (10 Runden) ODER durch Fusionen nur noch 3 Inseln vorhanden sind. Dann gewinnt die Person oder das Team mit den meisten Türmen auf Inseln.

Das Expertenspiel bietet noch spezielle Aktionskarten. Von den 12 Karten werden 3 zufällig pro Partie verwendet. Jeder dritte Schüler der selben Farbe in der eigenen Mensa bringt eine Münze. Wer als erster eine Karte verwenden möchte, zahlt die darauf gezeigte Anzahl an Münzen. Jede weitere Aktivierung einer Karte kostet eine Münze mehr. Die Karten erlauben es die Regeln zu verändern, z.B. Schüler einer Farbe zu ignorieren, Professoren auch bei Gleichstand zu übernehmen, oder die Aktionen geben Extraaktionen, z.B. einen weiteren Schüler, der auf eine Insel gelegt werden darf, oder es wird eine zweite Insel auf Einfluss überprüft.


Hinweis: Das Spiel ist bislang nicht in deutscher Sprache erschienen. Das Test-Exemplar enthält eine englischsprachige Regel, sodass es bei eventuellen Übersetzungen zu Differenzen kommen kann, was eine eventuelle zukünftige deutsche Ausgabe angeht.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • schnell gelernt
  • schönes Material
  • Expertenvariante mit viel Variation


CONTRA

  • Expertenvariante weniger elegant 

MEINUNG

Mit Eriantys bringt Cranio Creations 2021 eine überarbeitete Version von Carolus Magnus heraus, welches 2000 bei Winning Moves erschien. Leider habe ich Carolus Magnus nicht gespielt, aber online konnte ich eine Liste der Unterschiede zwischen beiden Versionen finden. Da ich mich nicht mit fremden Federn schmücken möchte, kommt hier der Link zum Original-Beitrag auf BoardGameGeek: https://boardgamegeek.com/thread/2694621/summary-differences-carolus-magnus

Eriantys hat ein sehr bezauberndes Schachtelbild mit einem grimmigen Drachen, süßem Einhorn, einer pummeligen Fee und einer korpulenten Mutter Natur. Es wirkt schon fast wie ein Kinderspiel, aber die Altersangabe mit 8+ ist fast schon etwas optimistisch. Die Regeln sind zwar nicht sehr komplex, aber wie viel man vorausplanen muss, schon.

Damit sind wir auch schon ins Spiel eingestiegen. Die Regeln sind relativ leicht. Da gab es bei keinem meiner Mitspieler irgendwelche Probleme. Der Einstieg ins Spiel fällt also leicht, und in den ersten zwei Zügen wirkt Eriantys schon fast trivial. Erst nachdem die ersten 2 bis 3 Türme jedes Spielers platziert sind, fällt auf, dass jetzt die restlichen Türme gar nicht so leicht zu platzieren sind. Hier beginnt jetzt die Vorbereitung für einen Coup, bei dem mindestens einer der gegnerischen Türme übernommen werden soll. Nicht selten endet das Spiel tatsächlich damit, dass eine Insel mit mehreren Türmen vom Gegenspieler abgeräumt und mit den letzten Türmen neu bebaut wird. Dies ist eine herausfordernde Aufgabe, denn kein Gegner wird sich einfach so seine Türme abräumen lassen. Da werden dann Schüler (Studenten) zur Unterstützung geschickt, aber ob dies rechtzeitig geschieht, hängt von den gespielten Handkarten ab.

In der zweiten Hälfte einer Partie wird manchem Spieler erst klar, wie wichtig diese trivialen Entscheidungen vom Anfang des Spiels wirklich waren. Die Karten müssen gut verwaltet werden, damit der entscheidende frühe Zug oder die lange Reise der Mutter Natur durchgeführt werden kann. Wie früh man am Zug sein möchte, hängt auch von der Auslage für Studentenfutter, äh, Studentennachschub aus. Dies wird manchmal übersehen. Verwehre ich dem Gegner durch einen frühen Zug die grünen Studenten, so kann ich weiterhin mit dem Einfluss meines grünen Professors rechnen.

Eriantys ändert sich stark mit der Spielerzahl. Zwei Spieler tragen ein Duell aus, bei dem sicherlich jedem klar ist welche Optionen dem Gegner zur Verfügung stehen. Bei einer Partie zu dritt gibt es sicherlich mehr Wechsel bei den Professoren und Türmen sowie mehr Überraschungen, was die Spielerreihenfolge angeht. Beim Teamspiel zu viert gilt die übliche Frage in solchen Situationen: Sieht mein Teampartner, was ich hier erreichen möchte?

Dies beschert in allen Konstellationen ein unterschiedliches Spielgefühl, und welches einem besser gefällt, mag eine Geschmacksfrage sein. Mir gefällt es zu dritt am besten, da es dann etwas mehr Abwechslung bei den Karten gibt und es doch wichtig ist, ob 7 oder 8 gespielt werden. Ich finde Mehrheitenspiele immer mit mehr Spielern spannender. Wer ein großer Fan ist von abstrakten Spielen zu zweit, wie z.B. das Gipf-Projekt oder Santorini, wird Eriantys eher zu zweit spielen wollen.

In welcher Konstellation ihr auch spielt, ihr könnt euch an dem Spielmaterial erfreuen. Die Studenten sind zwar nur Scheiben, aber das Symbol der entsprechenden Farbe ist daraus ausgeschnitten. Die Spielertableaus haben Vertiefungen für die Spielkomponenten und sehen putzig aus. Leider leuchten die Farben auf dem Tableau und den fliegenden Inseln nicht so, wie ich es gerne hätte, und die Inseln sehen recht leer aus. Dies wird aber durch die Handkarten mit den Tieren als Hofstaat ausgeglichen. Diese sehen wirklich toll aus. Was dagegen für mich ein totaler Griff ins Klo ist, ist Mutter Naturs Spielfigur, die im Spiel vielleicht eher Mutter Kriegstreiber heißen sollte. Diese wird einfach durch drei orangefarbene Knubbel dargestellt. Da wäre ja ein Pappaufsteller schöner gewesen. Aber insgesamt ist das Material toll gemacht.

Der Nachteil von Eriantys ist, dass die Variation mit der gleichen Spielerzahl nicht so hoch ist. Aus diesem Grund findet sich in der Schachtel auch noch eine Erweiterung, bei der drei zufällige Aktionskarten alles auf den Kopf stellen können. Diese Karten werden durch Münzen aktiviert, welche es fürs Sammeln gleicher Studenten gibt. Dies bringt beim Entsenden der Studenten zur Feldstudie oder zum Mittagessen eine weitere wichtige Entscheidungskomponente mit.

Die Aktionskarten können situationsbedingt sehr stark sein, aber nach einmaliger Nutzung ist jede weitere Aktivierung mit 2 Münzen recht teuer. Trotzdem sind die Karten dann oft ausschlaggebend für den Sieg, denn einfach den Einfluss durch Türme zu ignorieren, entspricht fast einem kompletten Zug, wenn die Inseln fusioniert sind. Ich bin deswegen nicht ganz glücklich mit den Aktionskarten. Eriantys lebt meines Erachtens davon, dass die Optionen aller Spieler recht überschaubar sind und kleine Entscheidungen große Konsequenzen haben können. Die Aktionskarten bringen nun so viele Optionen ins Spiel, sodass ich da überfordert bin, die Übersicht zu behalten, was der Gegner alles kann. Wer allerdings Eriantys intensiv spielt, der hat vielleicht nach einer gewissen Zeit den nötigen Überblick, sodass die Aktionskarten nur eine Bereicherung sind.

FAZIT: Im niedlichen Gewand steckt ein eher abstraktes und knallhartes Mehrheitenspiel, bei dem scheinbar kleine Entscheidungen schnell Konsequenzen haben werden. Das Spiel ist sehr unterschiedlich (je nach Spielerzahl), so dass ich erwarte, dass jeder Spieler so seine eigene Lieblingsspielerzahl finden wird.

KULTFAKTOR: 6-7/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 21.01.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Cranio Creations
Weitere Fotos: Spielkultisten