REZENSION
DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG: DAS DUELL
- Genre: Familienspiel
- Jahr: 2024
- Verlag: Schmidt Spiele
- Autor: Wolfgang Warsch
- Illustration: Dennis Lohausen
- Spieler: 2
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Tauziehen um die Patienten
Ein Quacksalber ist laut Definition ein dubioser Kurpfuscher, dem man sich zwar in medizinischen Nöten besser nicht anvertrauen sollte, der es aber sehr wohl versteht, durch windiges Getöse und Geschrei auf sich aufmerksam zu machen. Kurzum: Er kann zwar nix, davon aber recht viel. Und da wären wir auch schon bei den Quacksalbern von Quedlinburg angekommen, denn in der Duell-Variante des erfolgreichen Kennerspiels des Jahres 2018 buhlt ihr um nichts Geringeres als die Gunst eurer Patienten. Es adaptiert den beliebten Bag-Building-Mechanismus, konzentriert sich aber stärker auf direkte Konfrontation und fordert abermals euer Fingerspitzengefühl beim Zocken heraus.
REGELN
Der quadratische Spielplan zeigt mittig den Quedlinburger Marktplatz. Dort befinden sich die elf Patienten, um die sich im weiteren Spielablauf alles dreht. Das Spielfeld ist so aufgebaut, dass blaue und gelbe Bereiche mit einer identischen Anzahl an Feldern, aber in unterschiedlichen Richtungen, daran angrenzen. Je Spielbereich kommt ein Marktstand auf ein vorgegebenes Feld. Genau dorthin müsst ihr möglichst viele Patienten locken, um sie schließlich ins Gildenhaus zu bringen.
Je nach Präferenz wird ein bestimmtes Set an Zutatenbüchern ausgewählt und gut sichtbar bereit gelegt. Daneben kommen die 170 Zutatenchips, in sechs Stapel nach Farben bzw. Werten getrennt (Kleine Anmerkung: In der ersten Auflage stimmt die Auflistung der Stückelung der Zutaten im Regelheft nicht mit der tatsächlich vorhandenen Menge überein. Das sollte man beim Spielaufbau wissen, um nicht zu suchen, was schlicht nicht da ist). Die Rundenkarten werden zufällig ausgewählt und als offener Stapel platziert, wobei die Karte für die letzte Runde immer dabei ist und sich ganz unten im Stapel befindet. Neulingen wird in der Spielregel eine bestimmte Zusammenstellung an Rundenkarten empfohlen, was den Einstieg klar erleichtert.
Jeder schnappt sich eine Flasche und einen Beutel und bestückt diesen mit bestimmten, für beide Spieler identischen Zutaten-Chips. Erfahrene Quacksalber sind jetzt schon voll in ihrem Element und ahnen, dass diese Chips gleich aus den Beuteln gezogen werden, um wiederum verschiedene Aktionen auszulösen. Aber dazu gleich mehr.
Eure Aufgabe lautet nun, sechs Patienten zum eigenen Marktstand zu locken, sodass sie ins Gildenhaus einziehen, und dadurch das Spiel zu gewinnen. Alternativ endet das Spiel nach sieben Runden, wobei derjenige gewinnt, der bis dahin die meisten Patienten für sich gewinnen konnte.
Bevor das Brauen beginnt, werden noch zwei Münzen geworfen. Der zurückliegende Spieler wählt dann zuerst den dort genannten Bonus, während der Mitspieler den übriggebliebenen Bonus erhält. Dies kann zum Beispiel sein, drei Goldstücke zu nehmen oder zu einem beliebigen Zeitpunkt während des ersten Zugs alle weißen Knallerbsen zurück in den Beutel zu legen.
Bei der Trankzubereitung ziehen die Spieler nacheinander (also nicht gleichzeitig!) Zutaten aus ihrem Beutel und platzieren sie sogleich in ihrer Flasche. Nacheinander bedeutet: Ihr zieht immer genau einen Chip aus dem Beutel und legt ihn auf ein freies Feld des Flaschenhalses. Nach jedem Zug wird eine bestimmte Aktion ausgelöst. Das kann zum Beispiel sein, dass ihr Goldstücke bekommt, farbige Chips aufwerten dürft (sodass aus einem 1er- ein 2er-Chip wird), euren Patienten um ein Feld nach vorne bewegt oder wie im Fall des „köstlichen Kürbisses“, dass schlicht ... gar nichts passiert. Bestimmte Zutaten haben zudem Nachwirkungen, sodass nicht gleich nach dem Ausspielen ein Effekt eintritt, aber am Ende der Runde.
Für gezogene Knallerbsen (auch die gibt es zum Glück noch) hingegen gilt: Ein 1er-Chip kommt an die nächste freie Stelle des Flaschenbodens, während eine 2er-Zutat eine Lücke hinterlässt und auf das zweite Feld nach dem zuletzt belegten kommt. Der 3er-Chip sorgt für zwei freie Plätze. Doch Vorsicht, Knallerbsen können eure Flasche bald zur Explosion bringen!
Nach jedem Zug müssen die Spieler deshalb abwägen, ob sie den Trank freiwillig fertigstellen oder einen weiteren Chip ziehen. Damit riskieren sie jedoch wie eben erwähnt, dass die Flasche vorzeitig explodiert. Andererseits ist es nicht ratsam, allzu sehr auf Nummer Sicher zu gehen und den Patienten somit nur ganz behutsam anzulocken.
Patienten anlocken? Da wären wir schon beim wichtigsten Spielelement angelangt: Hat sich ein Spieler für ein vorzeitiges Zugende entschieden, wird der Trank abrupt fertiggestellt. Alle farbigen Chips wandern runter in den Flaschenboden und die Summe daraus (hinzuaddiert zum Wert des letzten gezogenen Knallerbsen-Chips) ergibt die Anzahl der Felder, die sich der Patient in eure Richtung bewegt. Landet er schließlich auf einem Marktstand, kommt sofort ein neuer vom Marktplatz hinzu, der bisherige kommt ins Gildenhaus, und der glückliche Quacksalber freut sich über einen Soforteffekt.
Anstelle des "Rattenschwanz"-Mechanismus des Originals gibt es im Duell Rundenkarten, die am Ende einer Runde zusätzliche Effekte und Ausgleichsmöglichkeiten bieten. Diese sorgen dafür, dass der zurückliegende Spieler nicht komplett den Anschluss verliert. Wer also den Trank zuletzt fertiggestellt hat, darf fünf Marker nach Belieben auf die Waagschale der Rundenkarten platzieren. Der Mitspieler darf dann entscheiden, ob er die Marker nimmt (und damit seine schwarzen Chips aufwertet bzw. Goldstücke erhält) oder ob er stattdessen der anderen Waagschale, die unterschiedliche Boni enthält, den Vorzug gibt.
Danach dürfen die Goldstücke in neue Zutaten-Chips eingetauscht werden, wobei maximal ein Goldstück in die nächste Runde mitgenommen werden darf. Ähnlich wie im Original kommen auch hier verschiedene Zutaten-Bücher zum Einsatz, die den einzelnen Zutaten ganz unterschiedliche Effekte verleihen und so für Variabilität sorgen.
Das Spiel endet entweder, wenn alle Patienten behandelt wurden oder wenn alle sieben Runden gespielt wurden. Dann gewinnt derjenige, der die meisten Patienten in sein Gildenhaus locken konnte. Bei Gleichstand wirft jeder Spieler seine Chips zurück in den Beutel. Gleichzeitig wird immer ein Chip gezogen, bis jemand den Gesamtwert von 10 erreicht hat. Dieser gewinnt dann das Spiel und wird zum obersten Meister-Quacksalber ernannt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- das Original wurde hinreichend modifiziert, sodass es sich anders spielt
- große Varianz dank neuer Rezeptbücher
- charmante Präsentation
CONTRA
- Wirklich nötig angesichts des schon gut zu zweit spielbaren Originals?
- grundsätzliche Mechanik nicht ganz neu
- nacheinander zu ziehen ist anfangs ungewohnt
MEINUNG
Nicht erst seit Sky Team sind Duellspiele voll im Trend. Doch während das Spiel des Jahres 2024 von Vornherein nur für zwei Spieler ausgelegt ist, kann man Die Quacksalber von Quedlinburg schon immer in beliebiger Besetzung spielen – zu zweit bis hin zu sechst mit der entsprechenden Erweiterung. Dass jetzt eine Duell-Variante nachgelegt wurde, erscheint von daher auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich, ergibt aber tatsächlich Sinn, denn das Spiel hebt den direkten Wettbewerb auf eine persönlichere Ebene.
Während die Spieler abwechselnd (und damit anders als gewohnt) ihre Chips aus dem Beutel ziehen und riskieren müssen, dass das Gebräu explodiert, erhält das Taktieren eine wichtigere Bedeutung. Der direkte Schlagabtausch zwischen den zwei Spielern ist witzig gestaltet und erinnert an ein Tauziehen: Oft hat sich ein Patient, der eigentlich schon sicher im heimischen Marktstand geglaubt war, doch noch auf die andere Spielerseite geschlagen, sehr zum Frust des unterlegenen Quacksalbers. So wanken die Patienten munter zwischen den Ständen hin und her, und es ergibt sich ein ausgeglichenes Kräftemessen, das sich oft genug über mehrere Durchgänge erstreckt, bis ein Patient am Marktstand angelangt ist und dann den Platz im Gildenhaus erhält.
Für erfreulich viel Abwechslung und immer neue Herausforderungen und Möglichkeiten sorgen abermals die liebevoll erdachten und illustrierten Zutatenbücher. So kommt je nach Auswahl der Zutatenbücher später sogar eine rote Spielfigur alias die Bürgermeisterin hinzu, die zunächst teilnahmslos in der Mitte des Marktplatzes herumsteht, bis sie durch Einsatz des Drachenblut-Chips eine bestimmte Anzahl an Feldern weiterzieht. In der Phase „Nachwirkungen“ wird dann gezählt, um wie viele Felder sie in eine bestimmte Hälfte bereits vorgerückt wurde. Genau so viele Felder wird dann auch der Patient in diejenige Richtung bewegt. Da die meisten Zutatenbücher (so auch dieses) wiederum in mehreren Varianten (also mit differenzierenden Regeln) vorliegen, bietet das Quacksalber-Duell eine enorm große Variabilität. Das kann ich definitiv als starkes Plus werten!
Der intensive Duell-Charakter kommt ebenfalls sehr gut zum Vorschein, wobei so manche Runden durchaus ihre Zeit dauern. Insofern stellt sich die Frage, für wen das Spiel gemacht wurde. Bei der ersten Ankündigung des Spiels ging ich davon aus, dass es schlicht zugänglicher sein soll und einen geringeren Verwaltungsaufwand und eine kürzere Spieldauer mit sich bringt, aber nach mehreren Partien hat sich diese Annahme nicht bestätigt, was auch daran liegt, dass die Spieler ihre Chips nacheinander, nicht gleichzeitig, aus dem Beutel ziehen. Das ergibt spielerisch aber durchaus Sinn und darf nicht als Manko verstanden werden.
Für eingefleischte Fans von Die Quacksalber von Quedlinburg ist Das Duell also definitiv einen Blick wert, vor allem, wenn man regelmäßig zu zweit spielt und den direkten Wettstreit sucht. Allerdings bleibt die Frage, ob es notwendig ist, wenn das Original bereits im Regal steht. Die beiden Spiele bieten eben unterschiedliche Erfahrungen: Das Duell setzt auf eine andere Spielweise, die durchaus frisch und dynamisch daherkommt, und die von daher eine willkommene Abwechslung für erfahrene Quacksalber bietet. Jede Aktion eines Spielers hat direkten Einfluss auf den Gegenspieler, da beide um Patienten buhlen, die sich auf dem Spielbrett zwischen den Ständen hin und her bewegen. Dieser Mechanismus sorgt für ein ständiges Tauziehen und schafft eine schöne Interaktion, verbunden mit diesem gewissen „Einen Chip ziehe ich noch“-Drang, den Zocker erneut lieben werden. Ich habe es ja weiter oben schon anhand des Beispiels mit den Drachenblut-Chips anklingen lassen: Die Zutatenbücher reißen den Langzeitspaß deutlich heraus und man kann sich immer wieder an neue Konstellationen wagen, wozu auch die vielen unterschiedlichen Rundenkarten beitragen. Diese Liebe zum Detail ist es, was mir hier so gut gefällt und wofür ich dem Autoren Wolfgang Warsch großen Respekt zolle. Von daher gibt es von mir sehr gute 8 Kultpunkte.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
CHRISTOPH
Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer
Eine Rezension vom 26.11.2024
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Schmidt Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten