REZENSION

DIE DAME UND DER TIGER

  • Genre: Karten-/ Familienspiel 
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Quality Beast
  • Autoren: José Manuel Alvarez, Kevin Carmichael, Peter C. Hayward, JR Honeycutt, Ken Maher, Philip Tootill, Allysha Tulk
  • Grafik: Tania Walker
  • Spieler: 1 bis 6
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Dauer: 15 bis 20 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Initiativlevel: 6/10

18 Karten, 7 Autoren, 6 Mikrospiele

Schon mal von einem Limerick gehört? Darunter versteht man ein kurzes, sich nach klassischem Schema reimendes Gedicht, das meist aus nur wenigen (in der Regel fünf) Zeilen besteht und mal heiter, mal besinnlich daherkommt. Ein solches Limerick ist The young lady of Ryga, das wiederum auf der Kurzgeschichte Die Dame und der Tiger von Frank R. Stockton basiert. Das Werk bietet den thematischen Aufhänger der gleichnamigen Minispielsammlung, die sechs schnelle Kartenspiele von sieben unterschiedlichen Autoren vereint. 

REGELN

Alle Spiele kommen mit denselben maximal 18 Karten (sowie ggf. noch ein paar Glassteinen) aus. Bevor wir uns den Spielen widmen, schauen wir uns vorher die Karten einmal genauer an!


Da wären zum einen die vier Türkarten, von denen zwei Karten die Farben Rot oder Blau zeigen und zwei Karten die beiden Rollen, nämlich Dame und Tiger. Zusätzlich gibt es noch 14 Hinweiskarten, die jeweils zwei dieser genannten Merkmale (also die Farben Rot und Blau sowie die Rollen Dame und Tiger) in unterschiedlichen Konstellationen abbilden. Hinzu kommen zwei Joker-Karten, die entweder für eine bestimmte Farbe oder eine bestimmte Rolle stehen können. Die insgesamt 25 Glassteine in fünf Farben ergänzen das Spielmaterial. Ergänzend kommen noch Referenzkarten mit Kurzregeln hinzu, die den Spielablauf der jeweiligen Minispiele übersichtlich zusammenfassen, sodass man während des Spielens kurz spicken kann und nicht jedes Mal in der Anleitung nachblättern muss. Soweit zum Spielmaterial – kommen wir nun zum Herzstück, den Mikrospielen!


Türen“ (2 Spieler)

Bei diesem simplen Deduktionsspiel ziehen die beiden Spieler verdeckt jeweils eine Türkarte, die jedem Spieler eine eigene Identität zuweist. Ein Spieler kann zum Beispiel der rote Tiger sein, der andere die blaue Dame. Die Hinweiskarten werden gemischt und vier davon offen als Auslage aufgedeckt. Während nun ein Spieler in die Rolle des Sammlers schlüpft, ist der andere der Rater. Der Sammler nimmt sich Karten von der Auslage, der Rater entfernt Karten. Besitzt der Sammler vier Hinweiskarten, die seiner Identität entsprechen, erhält dieser sechs Steine. Umgekehrt hat auch der Rater die Chance, Punkte zu sammeln, indem er die Identität seines Mitspielers vorzeitig errät. 


Gunst“ (2-4 Spieler)

Bei diesem Auktionsspiel gilt es, innerhalb von drei „Tagen“ (d. h. Runden) das Herz der Dame zu gewinnen, indem man in dieser Zeit die meisten Punkte erhält. Dies gelingt, indem man bei einer Auktion Karten ersteigert, die der eigenen Identität entsprechen. Und so läuft eine Versteigerung ab: Die Spieler erhalten 5 Glassteine in beliebigen Farben und können diese Steine auf die aufgedeckten Hinweiskarten, die offen auf dem Tisch ausliegen, setzen. Punkte gibt es für ersteigerte Karten, die zu den zugewiesenen Merkmalen passen. Minuspunkte hingegen gibt es für Karten ohne passende Merkmale. Zum Notieren der Punktestände werden Zettel und Stift bzw. ein Smartphone benötigt. Wer mag, kann sich auch mit Utensilien auf dem Tisch behelfen. Dass sich hierbei in unseren Testrunden Gummibärchen als besonders geeignet erwiesen haben, zeigt: Materialknappheit macht eben erfinderisch!


Schatz“ (1 Spieler)

Als simple Knobelei erweist sich dieses Solo-Puzzlespiel, bei dem es gilt, zehn „Schätze“ (rote oder blaue Glassteine) vor Ablauf der dritten Runde zu ergattern, und „Schund“ (weiße und schwarze Glassteine) möglichst geschickt loszuwerden. Das gelingt, indem vor jedem Spielzug eine Hinweiskarte aufgedeckt wird, die vorgibt, auf welcher der vier offen ausliegenden Türkarten (auf denen sich jeweils fünf zufällige Glassteine befinden) ein Stein verschoben werden darf. Wahlweise kann ein solcher dabei auf eine andere Tiger- bzw. Damenkarte verschoben werden. Ebenso kann ein Paar „Schundsteine“ entfernt oder ein „Schatzstein“ gesammelt werden. Sind alle zehn Schätze eingesammelt oder sind alle Runden vorbei, endet eine Partie und es wird steht fest, ob der Spieler gewonnen der verloren hat.


Labyrinth“ (2 Spieler)

Mit Karten, die als Raster von 4 x 4 Karten ausgelegt werden, wird ein Irrgarten gebildet. An den Ecken befinden sich die vier Türkarten und auf zwei von ihnen kommen jeweils fünf rote und blaue Glassteine. Bei ihnen handelt es sich diesmal um Tierbabys. In einem Zug können die Spieler nun entweder ein Tigerbaby auf eine direkt angrenzende Karte bewegen oder die Anordnung des Labyrinths verändern, indem Karten getauscht werden. Gelingt es einem Spieler, alle fünf Tigerbabys seiner Farbe sicher auf die Zielkarte zu bugsieren, hat dieser gewonnen.


Fallen“ (2 bis 6 Spieler)

Wer tappt bei diesem Täuschungsspiel in die Falle? Es werden Stapel an Fallen und Schätzen gebildet. Die Spieler erhalten nun, je nach Anzahl der Mitspieler, eine bestimmte Anzahl an Hinweiskarten und ebenso einen Glasstein. Die übrigen Steine bilden die Schatzkammer. Dann wird eine Türkarte als Zielkarte offen aufgedeckt. Die Spieler spielen Karten von ihrer Hand aus, die möglichst zu dieser Zielkarte passen. Sie können dann darauf bieten, wie viele Merkmale mit der Zielkarte übereinstimmen. Liegen sie richtig, erhalten sie alle Steine aus dem Lostopf. Steine können aber auch ergattert werden, wenn Mitspieler die eigenen Fallen aufdecken – also wenn Karten ausliegen, die kein Merkmal mit der Zielkarte gemeinsam haben. Gelingt es einem Spieler, seinen fünften Stein zu erhalten, endet das Spiel. 


Zeichen“ (2 bis 4 Spieler)

Schon die Tatsache, dass dieses Spiel ganze zehn Seiten in der Spielregel einnimmt, zeigt den vergleichsweise hohen Anspruch im Vergleich zu den übrigen Spielvarianten. Worum geht es? Ihr spielt kooperativ, merkt euch Hinweise und versucht, Tiger und Damen zu ihren jeweiligen Türen zu bringen. Dabei werden Erinnerungen an Hanabi wach: Denn die Karten werden von den Spielern so gehalten, dass sie nur diejenigen der Mitspieler sehen können, ihre eigenen hingegen bleiben verborgen. Im Spielverlauf platzieren die Spieler Glassteine und geben den Mitspielern dadurch Hinweise, welche Karten diese besitzen. Waren alle Spieler an der Reihe, werden die Türkarten überprüft. Je nachdem, wie viele Hinweiskarten sich dann neben der passenden Tür befinden, gibt es entsprechend Punkte.

 GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • „Türen“ – einfach und gut!
  • „Schatz“ ist eine reizvolle Solo-Knobelei
  • „Fallen“ und „Gunst“ bieten viel Interaktion
  • hübsche Kartendesigns


CONTRA

  • „Zeichen“ gerät zur zähen Angelegenheit
  • Mittelmäßiges „Labyrinth“

MEINUNG

Kartenspiele mit wenig Kartenbedarf liegen im Trend. Das beweist nicht zuletzt die mittlerweile recht umfangreiche Button-Shy-Reihe. Obwohl die Mikrospiele nur 18 Karten umfassen, ist die Spieltiefe doch recht beachtlich. Umso gespannter war ich auf Die Dame und der Tiger, das mit ebenso 18 Karten (plus ein paar Glassteinen) daherkommt, aber Regelvarianten für sechs Spiele, die aus der Feder von sieben Autoren stammen, enthält. 

Um es kurz zu machen: Das Gemeinschaftswerk kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Das beginnt schon bei der Gestaltung der Karten, die um einiges größer als herkömmliche Karten sind. Zusätzliche reflektierende Details bei den Türkarten zeugen von viel Liebe zum Detail. Das selbe gilt auch für die Extrakarte „Blau-Bärtige Dame“, die einer schillernden Eurovision-Song-Contest-Gewinner-Persönlichkeit (gemeint ist Conchita Wurst) gewidmet ist. 20 Prozent der Erstauflage enthalten diese limitierte Karte, die eine herkömmliche blaue Damen-Türkarte ersetzen kann. 


Letztlich konnten nicht alle Mikrospiele gleichermaßen überzeugen. So klingt „Zeichen“ – ebenso wie „Fallen“ – kompliziert abstrakt und genau dieser Eindruck bestätigte sich auch. Obwohl sich den obigen Beschreibungen bereits entnehmen lässt, dass die übrigen Mikrospiele in spielerischer Hinsicht recht schlank daherkommen, trifft das nicht unbedingt auf die recht sperrigen Erklärungen der 52-seitigen Spielanleitung zu. Vor allem beim Verständnis der eben erwähnten Mikrospiele „Fallen“ und „Zeichen“ taten wir uns bei der ersten Partie doch recht schwer. 


Unterm Strich erwiesen sich „Türen“, „Fallen“ (trotz der angesprochenen Regelhürde) und „Gunst“ als gute, unterhaltsame Mikrospiele, während „Schatz“ ein reizvolles Knobelspiel für Solospieler ist. „Zeichen“ fiel bei unseren Testpartien durchweg durch. Das Irrgartenpuzzle „Labyrinth“ ist solide.

Fazit: Die Dame und der Tiger ist eine abwechslungsreiche Mikrospiel-Sammlung mit hübsch gestalteten Spielkarten und ansehnlichen Spielideen, wobei nicht alle Titel restlos überzeugen konnten. Aber seien war mal ehrlich: Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, wie er bei einer Packung Studentenfutter immer absichtlich die Rosinen liegen gelassen hat? So ähnlich ist es auch hier: Bei einer Abwechslung von sieben Kartenspielen dürfen ruhig auch mal „Rosinen“ dabei sein - 6 Kultpunkte! 

KULTFAKTOR: 6/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 6/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 10.03.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Quality Beast
Weitere Fotos: Spielkultisten