REZENSION

CHARIDICE

  • Genre: Würfelspiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: NSV
  • Autor: Jürgen Adams
  • Grafik: Sandra und Oliver Freudenreich
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Dauer: ca. 20 bis 30 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 3/10

Gönn' ich dir!

In diesem Würfelspiel versuchen wir punkteträchtige Farb- und Zahlenkombinationen zu erzielen, um auch die wichtigen Boni abzustauben. Allerdings hat die Sache einen Haken: Was ich nicht werte, erhält mein Nachbar geschenkt.

REGELN

Nehmt euch jeweils ein Blatt vom Block sowie einen Stift. Gespielt werden 7 Runden.

Bist du an der Reihe, wirfst du die 6 Würfel. Auf jedem Würfel sind die Zahlen von 1 bis 6 zu finden, jede Zahl ist mit einer von 6 Farben hinterlegt. So hat jeder Würfel eine andere Farb-/ Zahlenkombination. Von jeder Farbe gibt es jede Zahl genau einmal. Du kannst nun beliebige Würfel herauslegen und beliebige Würfel neu werfen. Spätestens nach deinem dritten Wurf steht das Ergebnis fest. 

Um Punkte zu notieren, wertest du nun dein Ergebnis:

  • Du kannst gleichfarbige Würfel werten, wenn du mindestens vier Würfel einer Farbe erzielt hast. Summiere die Zahlen und trage sie in den blauen Bereich deines Wertungsblattes ein. Wertest du 4 beliebige Zahlen gleicher Farbe, erhältst du automatisch einen Bonus von 15 Punkten, die du in den gelben Bereich einträgst. Gelingt es dir, mit den gleichfarbigen Würfeln eine 4er-, 5er- oder 6er-Straße zu erzielen, erhöht sich der Bonus entsprechend auf 25, 40 bzw. 50 Punkte!
  • Alternativ kannst von jeder gewürfelten unterschiedlichen Farbe exakt einen Würfel werten. Hier gibt es keine Mindestanzahl an Würfeln. Summiere wieder die entsprechenden Zahlen und trage sie in den blauen Bereich ein. Einen Bonus bekommst du hier allerdings nicht automatisch, sondern nur, wenn die gewerteten verschiedenfarbigen Würfel 4, 5 oder 6 identische Zahlen zeigen. Dafür gibt es dann 15, 30 bzw. 60 Punkte. Achtung: Solltest du z.B. den Bonus „4 identische Zahlen in einer Farbe"-Bonus erhalten wollen, darfst du keinen fünften anderen Würfel werten. 


Würfel, die nicht an einer Wertung beteiligt sind, musst du nun deinem linken Nachbarn schenken, der die Summe in den grünen Bereich (Geschenk) einträgt. Du selbst trägtst die verschenkten Punkte in deinen roten Bereich ein. Beim Verschenken werden 5er- und 6er-Würfel in ihrem Wert verdoppelt! Zudem hast du noch einmal im Spiel die Möglichkeit, vor dem dritten Wurf deines rechten Nachbarn ein „großes Geschenk" einzufordern. Dann verdoppelst du die Punkte, die du geschenkt bekommst, in dieser Runde.

Nach 7 Runden zählt jeder die Punkte aus dem blauen, dem gelben und dem grünen Bereich zusammen. Summeriert außerdem eure verschenkten Punkte (roter Bereich) und ermittelt, wer am großzügigsten war. Die Person, die die meisten Punkte verschenkt hat, erhält dann noch einmal einen Bonus von 20 bzw. 30 Punkten, je nachdem, ob die Summe maximal 60 beträgt oder darüber liegt. Wer nun insgesamt die meisten Punkte erspielt hat, gewinnt.

CHECKPOINT

PRO

  • neuer Kniff in einem ansonsten bekannt wirkenden Würfelspiel
  • mitunter ganz kurzweilig


CONTRA

  • anfangs etwas unübersichtlich
  • sehr glücksabhängig
  • Entscheidungen sind ggf. mit Rechnerei verbunden

MEINUNG

Charidice leitet sich vom englischen Wort „Charity“ ab, was übersetzt Wohltätigkeit bedeutet. Genau das ist dann auch der besondere Kniff in einem ansonsten Kniffel-artigen Würfelspiel, bei dem es ums Erzielen von guten Würfelkombinationen geht.

Schnell zeigt sich: Das Spiel ist sehr glückslastig. Das sind andere Würfelspiel auch, aber hier wirkt sich das in mehrerer Hinsicht aus. Zunächst einmal geht man grundsätzlich weniger ins Risiko, wenn man verschiedenfarbige Würfel sammelt, da diese auf jeden Fall gewertet werden. Da die Summen der Würfelzahlen dann auch immer die Punkte der blauen Wertung darstellen, neigt man doch eindeutig dazu, lieber direkt hohe Würfelzahlen zu sammeln. Warum sollte ich auf fünf „Einser"-Würfel spielen, wenn ich denselben Bonus auch mit fünf „Sechser"-Würfeln erhalte, dazu bei der 6 dann aber eben 30 Punkte als Summe, bei einer 1 dagegen nur 5 Punkte abstaube. Und was ich letztlich erwürfele, unterliegt eh voll und ganz dem Glück.

Auf gleiche Farben zu spielen, lohnt maximal, wenn ich vielleicht im ersten Wurf bereits drei identische Würfelfarben vor mir ausliegen habe und nur noch auf einen vierten Würfel in dieser Farbe hoffen muss für einen Bonus. Ansonsten ist das Spielen auf gleichfarbige Würfel bzw. dann sogar Straßen doch deutlich risikoreicher, denn bei weniger als vier Würfeln in einer Farbe muss ich letztlich doch wieder auf die alternative Wertung der unterschiedlichen Farben zurückgreifen, für die keine Lücken gefüllt werden müssen. Gefühlt ist es daher tatsächlich schwerer, an hohe Punktezahlen zu gelangen, wenn auf gleiche Farben gespielt wird. Der Bonus-Ausgleich ist da auch nicht immens. In unseren Runden war die Spielweise, einfach nur Sechsen herauszulegen, immer deutlich erfolgsträchtiger - es sei denn, jemand hat bei Würfelspielen grundsätzlich ein glückliches Händchen.

Der Kniff, nicht genutzte Würfel verschenken zu müssen, ist ganz reizvoll, allerdings nur, solange er aus dem Bauch heraus gespielt wird. Habe ich in meinem Spielzug tatsächlich zwei Wertungsalternativen, dann kann ich ausrechnen, mit welcher Alternative der Punkteabstand zum Kontrahenten maximiert wird. Mache ich mit einer Wertung also beispielsweise 30 Punkte, muss aber 24 verschenken, liegt mein Gewinn bei 6. Da kann es dann auch mal besser sein, sich mit 15 Punkten zufrieden zu geben, wenn ich dadurch vielleicht nur 5 Punkte verschenke, denn dann erziele ich einen Gewinn von 10. Das Ausrechnen kann dann leider den Spielfluss stoppen. So richtig funktionieren wird diese Taktik aber eh nur im Spiel zu zweit, da sich beide Werte dann immer unmittelbar auf beide Personen auswirken. Bei mehr als zwei Personen kann es hingegen dann doch sinnvoller sein, einfach die höhere Punktezahl zu nehmen, da mein Runden-Geschenk von einer anderen Person kommt und ich die Punkte der Mitspieler dann auch gar nicht mehr komplett überblicke. Ganz witzig ist dabei auch noch das Zocker-Element des Verdoppelns. Wann ich mein großes Geschenk einfordere, ist mir überlassen, aber gutes Timing kann hier ein großer Vorteil sein.

Insgesamt bietet Charidice also eine Abwechslung zum bekannten kniffligen Klassiker, doch so richtig wollte das Spiel in unseren Runden nicht zünden. Das mag am vergleichsweise hakeligen Einstieg ins Spiel gelegen haben, da anfangs bestimmte Zusammenhänge nicht so intuitiv wirken. Da muss man erst einmal verinnerlichen, für was es Punkte bzw. Boni gibt. Auch das Notieren der Punkte kann anfangs vielleicht noch ein wenig verwirren. Das gibt sich dann aber recht schnell. Was hingegen schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass ich bei Charidice noch stärker in meinen taktischen Optionen eingeschränkt bin, als eben bei Kniffel und Co. Beim Klassiker sind auch niedrige Würfelzahlen wichtig, um bestimmte Kombinationen und Boni zu erzielen, ja, ich werde sogar gezwungen, auch mal nur die 1er zu werten. Da dies für alle Beteiligten gleichermaßen gilt, ist da ein Ausgleich vorhanden. Bei Charidice ist es dagegen nie eine gute Idee, kleine Zahlen zu werten, wenn man auch große haben kann. Das macht das Spiel mit den verschiedenen Würfelfarben dann nicht nur banaler, sondern auch noch unübersichtlicher. Eine einfache Zahlenstraße genügt hier nicht, sie muss dann ja auch noch gleichfarbig sein, was aber eben konträr für die Alternativwertung nicht gilt, im Gegenteil: Da darf dann keine Farbe doppelt gewertet werden.

Noch stärker als in anderen Spielen dieser Art, merkt man, wenn man selbst das Pech an den Händen kleben hat. Glücksritter, die viele hohe Boni werten und noch dazu wenige Punkte verschenken, werde ich niemals einholen können über den nett gemeinten Wohltätigkeitsbonus am Spielende, der noch einmal die Person belohnt, die die meisten Punkte verschenkt hat. Da der Bonus vergleichsweise gering ausfällt, gibt es da am Spielende nur selten Überraschungen, die das Spiel noch einmal komplett drehen.

Wer lockere, glücksbasierte Würfelspiele im Stil von Kniffel oder, neuer, Kribbeln mag, der kann sich Charidice mal näher anschauen. Die Idee, die Wertungen an die damit verbundenen Geschenke anzupassen, kann hin und wieder ganz kurzweilig sein, allerdings täuscht sie nicht darüber hinweg, dass am Ende doch meistens einfach die Person gewinnt, die die höchsten Würfelzahlen und viele Boni einsammeln konnte. Wem das (vielleicht auch immer nur knapp) verwehrt wird, der wird sich kaum aus dem Hintertreffen befreien können.

So hinterlässt Charidice bei mir leider gemischte Gefühle. Da gibt es Momente, die durchaus auch mal Emotionen hervorrufen können, meistens jedoch bleibt die ganz große Spannung aus, da die Entscheidungsfreiheiten aus taktischer Sicht am Ende doch gar nicht so groß sind, wie es anfangs vielleicht zunächst aussehen mag. Für mich sind das durchschnittliche 5 Kultpunkte (zu zweit in der richtigen Zielgruppe auch noch 6). Ja, trotz neuer Idee, finde ich da den Klassiker (eben Kniffel) im direkten Vergleich einfach regeltechnisch eleganter und abwechslungsreicher. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/rW5hlGmmUqQ

KULTFAKTOR: 5-6/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 5/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 22.10.2024

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: NSV
Weitere Fotos: Spielkultisten