REZENSION
CELLULOSE
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Genius Games (deutsche Version: Schwerkraft Verlag)
- Autoren: John Coveyou, Steve Schlepphorst
- Grafik: Tomasz Bogusz
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: ca. 45 bis 90 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Zucker macht gesund!
Für Pflanzen trifft die Überschrift sogar zu, und da ist es eine glückliche Fügung, dass wir in Cellulose alle zusammen in einer Pflanzenzelle Kohlenhydrate für den Ausbau der Zellwand und andere gesundheitsfördernde Zellorganellen bereitstellen.
REGELN
Bei diesem Arbeitereinsatzspiel versuchen alle den größten Beitrag zur Zellgesundheit zu machen, indem Hormone, Proteine, Wasser, Kohlendioxid, Kohlenhydrate und ATP genutzt werden, um durch den Aufbau einer Zellwand sowie das Ausspielen von Karten, Gesundheitspunkte zu sammeln.
Hinweis vorab: Für diese Besprechung lag mir das englischsprachige Exemplar von Cellulose vor, aber das Spiel wird demnächst als Zellulose beim Schwerkraft Verlag auch in deutscher Sprache erscheinen.
Für den Aufbau werden die beiden Spielbretter (Pflanzenzelle und Pflanze) bereit gelegt. Alle legen je eine Scheibe auf den Anfang des Schösslings und der Wurzel. Auf dem Zellbrett wird ein Marker jedes Spieler auf das Startfeld der zentralen Vakuole gelegt und auf das Feld 0 der Gesundheitsleiste. Jeder Spieler bekommt 3 Aktionsmarker. 2 graue Aktionsmarker kommen auf die zentrale Vakuole. Die Karten werden gemischt und als verdeckter Stapel bereit gelegt. 4 offene Karten werden auf die entsprechenden Felder gelegt. Der Wasserstand wird mit dem Wasserstandsanzeiger markiert. Alle anderen Rohstoffe werden bereit gelegt und schon kann es losgehen.
Wir spielen Runden, welche in 3 Phasen unterteilt sind, bis die Zellwand fertig gestellt ist. Beim Sonnenaufgang bekommen alle den Ertrag neben ihrer eigenen Scheibe auf dem Schössling und der Wurzel. Dies ist meist Kohlendioxid beim Schössling und Wasser in der Wurzel, aber auch Proteine oder Photosynthese-Aktionen sind mögliches Einkommen.
In der Aktionsphase setzt jeder reihum, beginnend beim Startspieler, einen Aktionsmarker auf ein Feld. Es gibt Felder, die nur Platz für einen Aktionsmarker bieten und Felder, die Platz für einen Aktionsmarker jeder Farbe besitzen. Wird ein Aktionsmarker gesetzt, so wird die passende Aktion ausgeführt. So kann Wasser geholt werden, was den allgemeinen Wasserstand sinken lässt, aber es auch ermöglicht, Wasser in der zentralen Vakuole einzulagern. Je niedriger der Wasserstand, desto weniger Wasser gibt es auf dem Aktionsfeld. Es kann Kohlendioxid gesammelt werden, was auch zum Sinken des Wasserstands führt.
Das Wasser und Kohlendioxid kann bei der Photosynthese-Aktion gegen Kohlenhydrate getauscht werden. 6 Wasser und 6 Kohlendioxid ergeben ein Kohlenhydrat, ganz wie in echt. Kohlenhydrate können mit einer anderen Aktion in der Zellwand platziert werden, was direkt Gesundheitspunkte bringt und ein Wasser in die zentrale Vakuole legt. Alternativ kann das Kohlenhydrat zur Energiewährung der Zelle, ATP, umgewandelt werden. Je nach Aktionsfeld gibt es 6 oder 5 ATP für ein Kohlenhydrat.
Weiterhin können Proteine oder Hormone gesammelt werden. Ein weiteres Feld bringt den Startspieler eine Karte vom Stapel. Und die letzten Felder erlauben es, gegen Abgabe von Hormonen und ATP, die Wurzel oder den Schössling wachsen zu lassen und so sein Einkommen am Morgen zu steigern.
Wer den Zellkern besucht, kann Startspieler werden und bekommt eine Karte vom Stapel für nur ein Kohlendioxid. Weitere Karten können aus der Auslage durch Einsatz eines Aktionsmarkers und Kohlendioxid genommen werden.
Jedes Mal, wenn jemand einen Aktionsmarker platziert hat, darf der Spielende auch eine Karte spielen. Eine Karte verursacht Kosten. Meist handelt es sich um Wasser und Proteine, aber auch ATP oder Kohlenhydrate tauchen als Kosten auf. Eine gespielte Karte bringt Gesundheitspunkte und meist einen direkten Vorteil, z.B. darf ein Aktionsmarker zurückgenommen, Photosynthese betrieben werden, an der Zellwand gebaut, Wasser in die zentrale Vakuole gelegt werden, etc.
Es gibt verschiedene Arten von Karten, und ich werde hier nur zwei hervorheben: Enzyme haben zwei Belohnungen. Eine Belohnung wird beim Ausspielen ausgelöst, und die andere Belohnung kann jedes Mal ausgelöst werden, wenn ein weiteres Enzym gespielt und ein Protein bezahlt wird. Wer viele Proteine hat, kann also eine Reihe von Enzymen beim Ausspielen eines Enzyms auslösen.
Die andere Kartensorte, die ich hier noch hervorheben möchte, sind die Spezialisierungen. Spezialisierungen bringen am Ende des Spiels Punkte, abhängig von anderen Elementen, z.B. zwei Punkte pro blauer Karte, 1 Punkt pro Enzym etc. - und manchmal gibt es noch einen permanenten Vorteil, z.B. „ein Enzym bei Sonnenaufgang aktivieren“.
Haben alle Spieler alle Aktionsmarker gesetzt, so beginnt der Abend. Hier werden die Aktionsmarker wieder eingesammelt. Dann wird geschaut, wer das meiste Wasser in die zentrale Vakuole geschickt hat. Derjenige geht einen Schritt auf der Vakuolen-Leiste vor und bekommt dafür Punkte plus noch einen grauen Aktionsmarker. Das Wasser wird entfernt, und es gibt eine weitere Wertung. Die Zellwand bekommt danach ein Kohlenhydrat aus dem allgemeinen Vorrat, sodass das Ende des Spiels näher rückt. Der Wasserstand wird wieder aufgefüllt, vielleicht sogar ein bisschen mehr, je nachdem, wie weit die Zellwand fertiggestellt ist. Die Kartenauslage wird aufgefüllt, und es folgt der nächste Morgen.
Das Spiel endet in der Runde, in welcher der letzte Platz der Zellwand gefüllt wurde. Alle Mitspielenden bekommen nun noch 4 Punkte für jedes Kohlenhydrat im eigenen Besitz und für ihre Spezialisierungen. Und dann gewinnt, wer die meisten Gesundheitspunkte besitzt.
Es gibt noch zwei weitere Szenarien und ein Solospiel. Bei den zwei Szenarien ist die Pflanze entweder ein Kaktus, was wenig Wasser und teures Wurzelwachstum bedeutet, oder eine Mangrove, welche ein komplexes Wurzelsystem aufweist, aber eine kleinere Zellwand.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- spielerische Wissensvermittlung
- verschiedene Wege zum Sieg
- Karteninteraktion
- recht einfache Regeln
- spielerische und reale Funktion sind ähnlich
CONTRA
- keine spielerische Innovation
- Gefühl, schnell ausgespielt zu haben
MEINUNG
Nachdem uns der Verlag Genius Games (bzw. Schwerkraft in Deutschland) in Genotyp noch Pflanzen züchten gelassen hat, so sind wir bei Cellulose (bzw. auf deutsch: Zellulose) in der Pflanzenzelle und helfen dieser dabei, Teil einer gesunden Pflanze zu sein.
Die Elemente auf dem Spielbrett und den Karten haben dabei auch sehr ähnliche Funktionen wie in der echten Pflanzenbiologie. Dies wird im beiliegendem Heft auch schön erklärt, und wer ein bisschen Interesse für dieses Thema besitzt, kann dort lernen, was die bestimmten Organellen und Pflanzenteile so machen. Die Gestaltung orientiert sich dabei auch an den biologischen Lehrbuch-Darstellungen, aber in einem fröhlichen bunten Ton gehalten. Die Darstellungen sind dabei auch herrlich logisch. So zeigt die Stärke-Karte ein Stärke-Reservoir und die Amylase (ein Stärke verdauendes Enzym) das gleiche Reservoir, aber aufgebrochen und im Begriff, sich zu zersetzen.
Die Spielmechanismen sind einerseits recht solide Standardkost. Es handelt sich um ein Arbeitereinsatzspiel, bei dem Rohstoffe durch Einsetzen der Arbeiter geholt, umgewandelt und zu Punkten gemacht werden, wobei es hier ein paar interessante Punkte gibt. Zum einen, dass Pflanzenwachstum und einige Karten ATP kosten, welches nur mit Kohlenhydraten gemacht werden kann, aber selbige bringen gerade am Anfang des Spiels viele Punkte, wenn sie in der Zellwand verbaut werden. Dann gibt es ein Rennen um die besten Plätze auf dem Brett plus dem Druck wegen des fallenden Wasserdrucks. Kombiniert mit der Mehrheiten-Wertung in der Vakuole sind das schon einige Möglichkeiten. So wird jeder eingesetzte Aktionsmarker und die Rolle als Startspieler wichtig. Auf diese Weise werden mit nicht allzu komplexen Regeln schon interessante Momente erzeugt.
Wer sich ein bisschen in der Biologie auskennt, wird sich auch leicht bei den Aktionen zurechtfinden, weil sich die Mechanismen, wie bereits erwähnt, an den realen Mechanismen in einer Pflanze orientieren. Eine Pflanze wird durch eine kräftige Zellwand und eine prall gefüllte Vakuole gesünder. Bestimmte Enzyme und Zellbestandteile ermöglichen mehr Funktionen oder einen effizienteren Metabolismus. Wer diese Dinge schon weiß, wird sich schnell zurechtfinden - und wer sich so gar nicht mit Pflanzen auskennt, der lernt etwas dazu.
Es gibt verschiedene Strategien in dem Spiel, die ständige Photosynthese, die Enzym-Kaskade, die PSV-Aktionsschleife usw. Das kann einen schon unterhalten, aber der Nachteil der soliden Standardkost ist, dass erfahrene Spieler schnell das Gefühl haben, irgendwann alles gesehen zu haben. In der Anleitung finden sich aber noch zwei Varianten, nämlich der Kaktus und die Mangrove, die durch leichte Regeländerungen das Spielgefühl verändern.
Obwohl ich nicht mehr das Gefühl habe, furchtbar viel Neues zu entdecken, gefällt mir Cellulose doch gut. Es spielt sich mit allen Spielerzahlen gut und lässt sich in einer angemessene Zeit bewältigen. Wer Freund von wenig verschnörkelten Regeln ist, wird sich gut unterhalten fühlen, aber das Spiel wird sicherlich keinen Innovationspreis gewinnen – obwohl: Vielleicht gewinnt es einen Sonderpreis für pädagogisch wertvolle Spiele.
Fazit: Cellulose ist eine tolle Synthese aus Pflanzenbiologie und Arbeitereinsatzspiel. Es bietet keine spielerische Revolution, ist aber ein sehr solides und gutes Spiel. Diese tolle Darstellung biologischer Prozesse ist mir 8 Gesundheitspunkte wert.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 13.07.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Genius Games
Weitere Fotos: Spielkultisten