REZENSION

CASCADIA: ROLLING HILLS / ROLLING RIVERS

  • Genre: Würfel / Taktik
  • Jahr: 2024
  • Verlag: KOSMOS
  • Autor: Randy Flynn
  • Grafik: Beth Sobel
  • Spieler: 1 bis 4 / kombiniert 1 bis 8
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 30 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Taktiklevel: 6/10

Die Wildnis, die Würfel - und ich

Wenn Bären, Hirsche, Füchse, Bussarde und Lachse einen neuen Lebensraum suchen, kann es nur um Cascadia und die unberührte Wildnis im Nordwesten der USA gehen. Nun hat das „Spiel des Jahres 2022“ zwei Roll-and-Write-Ableger bekommen — ohne Stoffsäckchen und ohne Plättchen, dafür mit ganz viel Hirnverzwirbler-Potenzial.

REGELN

In jeder Runde wird eine Wildniskarte ausgelegt, die beschreibt, welche Tiere ihr vorweisen müsst, um sie auf eurem Landschaftsplan anzusiedeln. Das können zum Beispiel 3 Lachse, 1 Hirsch und 2 Bären sein. Bevor ihr eine solche Aufgabe erfüllen könnt, wird gewürfelt. Dabei geben zwei allgemeine Würfel, die jedem von euch zur Verfügung stehen, sowie zwei persönliche Würfel die Tiere an, die ihr in der laufenden Runde sammeln dürft. Ihr entscheidet euch für genau eine Tierart und erhaltet so viele Tiere, wie es den Symbolen auf den Würfeln entspricht. Die Anzahl tragt ihr auf dem Tierbogen ein. Wollt ihr mehrere Tierarten sammeln, dürft ihr drei Zapfen abgeben und erhaltet auch in diesem Fall so viele Tiere der gewählten Art, wie die Würfel vorgeben. 

Zapfen könnt ihr alternativ einsetzen, um eine Tierart gemäß ihrer im Spiel auftretenden Häufigkeit hoch- oder runterzustufen. So werden durch die Abgabe von zwei Zapfen zum Beispiel Lachse zu Bussarden, Bussarde zu Füchsen, Füchse zu Hirschen und letztlich Hirsche zu Bären (die sind am seltensten und daher am wertvollsten). 

Gegen die Abgabe eines Zapfens wiederum verhält es sich genau umgekehrt, dann werden die genannten Tiere um jeweils eine Tierart herabgestuft. Außerdem gibt es noch die Sonderwürfel, die zum Beispiel dafür sorgen, dass sich die Kosten für die vorher genannten Aktionen um einen Zapfen reduzieren (wodurch das Herabstufen sogar ganz kostenlos wird), dass ihr die Tiere von drei beliebigen Würfeln erhaltet oder dass ihr einen persönlichen Würfel doppelt benutzen dürft.

Die gesammelten Tiere tragt ihr dann umgehend auf eurem Tierbogen ein, d.h. ihr notiert beispielsweise die Ziffer 2 in die Bärenspalte, um anzuzeigen, dass zwei Bären in eurem Bestand sind.  Verändert sich euer Tierbestand im Laufe der Partie, indem ihr neue Tiere hinzugewinnt, wird die zuvor eingetragene Zahl einfach durchgestrichen und die neue Zahl kommt daneben.

Um eine Wildniskarte zu erfüllen, streicht ihr die geforderten Tiere auf eurem Tierbogen ab und beachtet dabei die Vorteilskarten, denn davon befindet sich jeweils eine ober- oder unterhalb einer Wildniskarte und verschafft euch einen mehr oder weniger nützlichen Rabatt. Dieser kann beispielsweise so ausfallen, dass ihr bestimmte Tiere nicht abgeben müsst oder durch Würfeln nachträglich ein zusätzliches Tier erhaltet.

Die Zahl auf der soeben erfüllten Wildniskarte tragt ihr dann umgehend auf eurem Landschaftsplan ein — und zwar stets in die Spalte des jeweiligen Gebietstyps. So ergeben sich mitunter ansehnliche Kettenreaktionen, die für die Schlusswertung überaus relevant sein können. Darüber hinaus gibt es zumeist auch Zapfen, wenn ihr eine Karte erfüllt. Abhängig davon, ob ihr mit Blatt A, B, C oder D spielt, unterscheidet sich der grundsätzliche Spielablauf zwar nicht so sehr, dafür aber umso mehr die Art und Weise, wie ihr die Ergebnisse der eingelösten Wildniskarten eintragt. 

Nach diesen genannten Spielphasen werden die ausliegenden Wildniskarten nach rechts weitergeschoben (selbst beim Erfüllen wird keine Karte von der Auslage entfernt!), und es wird eine neue Karte vom Stapel aufgedeckt. Das Spiel endet nach 20 Runden, d. h. wenn bei der Vorbereitung der nächsten Runde keine weitere Karte mehr nachgezogen werden kann. Nun werden die Punkte auf dem Plan addiert, wobei die Zählweise sich je nach Plan teilweise beträchtlich unterscheiden kann. Wer dann am meisten Punkte hat, gewinnt. Bei Gleichstand kommt es darauf an, wer am meisten Zapfen besitzt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • sehr abwechslungsreich 
  • Familienvariante ermöglicht sanften Einstieg
  • kann auch Kenner exzellent fordern


CONTRA

  • lässt jegliche Interaktionen zwischen den spielenden Personen vermissen
  • teilweise sind die Symbole sehr klein gedruckt

MEINUNG

Schon beim Öffnen der kleinen Schachtel purzeln einem so viele Spielmaterialien entgegen, dass man bereits ahnt, wie variantenreich das erste Roll & Write im Cascadia-Universum sein muss. So bewahrheitet es sich dann auch. Für einen sanften Einstieg empfiehlt sich zunächst die Familienvariante. Darin sind die Regeln auf ein Minimum reduziert, die Zapfenaktion beschränken sich auf die Auswahl eines zusätzlichen Tieres einer beliebigen zweiten Tierart und auch um den Effekt der Sonderwürfel braucht ihr euch nicht zu kümmern. Stattdessen wird hier lediglich mit den drei zentralen Würfeln und euren beiden persönlichen Würfeln gespielt. Die Vorteilskarten — zur Erinnerung: diese wirken sich „kostensenkend“ auf die jeweilige Kartenauslage aus und bringen euch einen Rabatt bzw. Bonus beim Erfüllen einer Wildniskarte — sind hier zudem auf vier bestimmte „Einstiegskarten“ vorgegeben und daher sehr einfach gehalten. Für die erste Partie schlägt die Spielanleitung sogar vor, lediglich 10 Wildniskarten auszulegen, wodurch die Spieldauer auf eine knappe Viertelstunde verkürzt wird.

Wem das nicht genügt, der wagt sich entweder an die weiteren Landschaftspläne, die verstärkt auftretende Kettenreaktionen beim Ausfüllen hervorrufen, oder ihr widmet euch den 20 Szenarien, die euch durch die Wildnis Kaskadiens führt und bestimmte Ziele abverlangt. Vorgegeben ist hier, mit welchem Plan ihr spielt, welche Vorteilskarten ausliegen und wie viele Punkte ihr anhäufen müsst, um das Szenario zu gewinnen. Gut auf den jeweiligen Plan abgestimmte Primär- und Sekundärziele lassen hier exzellente Abwechslung entstehen.

Gepackt haben mich Cascadia Rolling Hills und Rolling Rivers insbesondere als Solo-Herausforderung. Ständig muss ich die ausliegenden Wildniskarten im Auge behalten und mit meinem aktuellen Tierbestand abgleichen, um möglichst häufig eine Wertung auszulösen, meinen Landschaftsplan zu ergänzen und die Rabatte und Boni der Vorteilskarten effektiv zu nutzen. Wer das Maximum an Punkten herausholen will, ist allerdings gezwungen, teilweise ganz schön lange zu grübeln, was man einer Viererrunde, die vielleicht ein individuelles Spieltempo mitbringt, nicht unbedingt zumuten möchte. Zudem gibt es bis auf den Punktevergleich am Spielende keinerlei Interaktion zwischen den einzelnen Personen, nichts, null. Das muss man unbedingt wissen, um abzuschätzen, ob der Titel euren Geschmack trifft oder nicht. Ich habe das Roll & Write mehrfach zu zweit und überwiegend alleine gespielt und kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass ich das ernsthaft in voller Besetzung zu acht spielen möchte, wenn man beide Ableger miteinander verbindet, wie es die Spielregel ermöglicht.

Es gibt jeweils acht Herausforderungen für jeden einzelnen der vier Landschaftspläne, was weiterhin einen starken Langzeitreiz ergibt. Man kann sich das vielleicht so vorstellen, als wären Ganz schön clever, Doppelt so clever, Clever hoch 3 und Clever 4-ever allesamt in einer Box vereint. Okay, komischer Vergleich, aber so fühlt sich das Cascadia-Roll & Write an. Die Abwechslung ist vor allem den vier sehr unterschiedlichen Plänen zu verdanken, von denen jedoch nur die Pläne A bis C sinnvoll mit der eingangs geschilderten Familienvariante kompatibel sind. Mit Plan D steigt das Niveau merklich an und die Auswahl der Tiere sowie der Eintrag auf dem Landschaftsplan kann die grauen Zellen ordentlich zum Glühen bringen, da hier die Tiere selbst in die verschiedenen Felder eingetragen werden. Konkret also: Wo es zuvor genügte, kleine Gebirgs-, Feuchtgebiets- oder Prärie-Achtecke einzukringeln, müsst ihr dann durch Abkürzungen (B=Bär, L=Lachs, V=Vogel, etc.) auf dem Plan eintragen, welche Tiere ihr in welchem Bereich ansiedelt. Gute Augen sind dabei Voraussetzung, denn die Ikonographie ist zwar durchweg logisch und konsistent, aber in ihrer Farbwahl teilweise schwer zu unterscheiden.

Bleibt noch die Frage, ob Rolling Hills oder Rolling Rivers das bessere Roll & Write ist. Die kurze und eindeutige Antwort: vollkommen unentschieden. Der nahezu einzige Unterschied sind die Effekte der Vorteilskarten und die Boni der Sonderwürfel — abgesehen natürlich vom Setting und der Titelillustration, welche die Atmosphäre des Brettspiels adäquat ins kleine Schachtelformat überträgt. So beantwortet ihr die Frage selbst demnach, in welchem Terrain ihr lieber unterwegs seid. Wir halten also fest: Beide Cascadia-Ableger sind ausgezeichnete Roll & Writes mit hohem Hirnverwirbler-Potenzial, zwar
vollkommen ohne Interaktion, aber sehr guter Eignung für Solospieler. Meinen Geschmack hat diese Art von Spiel getroffen, aber wenn ihr bevorzugt gemeinsam spielt, solltet ihr wohl einen Kultpunkt abziehen.  

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 06.05.2025

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten