REZENSION
CARPE DIEM
- Genre: Taktikspiel
- Jahr: 2018
- Verlag: alea / Ravensburger
- Autor: Stefan Feld
- Grafik: Lalanda Hruschka
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: 45 bis 75 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Brot macht mobil
Für dieses Legespiel gehen wir ins antike Rom, denn dort haben wir unseren eigenen Baugrund bekommen. Diesen wollen wir rasch mit Häusern und Ackerbau füllen, indem wir einen interessanten Auswahl-Mechanismus für die Plättchen nutzen und dann feststellen, dass die Wertungen gar nicht genug Aufmerksamkeit bekommen können.
SPIELKULT CLASSICS
In dieser neuen Rubrik findet ihr ab sofort Rezensionen früherer SPIELKULT-Jahre, die es bislang nicht auf unsere 2021 neu gestaltete Webseite geschafft haben, die wir euch aber nun nach und nach, so wie ihr es euch gewünscht habt, noch einmal vorstellen möchten.
REGELN
Wichtiger Hinweis: Ihr seht hier die zum Test zur Verfügung gestandene Erstauflage des Spiels. Spätere Auflagen enthalten kleine Abweichungen!
In Carpe Diem sammeln die Spieler von einer zentralen Auslage Plättchen, um auf ihrem eigenen Tableau einen hübschen Stadtteil zusammenzupuzzeln. Dies klingt ja sehr standardmäßig, aber am Ende jeder Runde steht eine Wertung an, die schnell zur Strafe werden kann.
Zunächst wird aber vorbereitet. Das Spielbrett wird in die Mitte gelegt und mit zufälligen Aufgabenkarten bestückt. Welche Kategorien von Wertungskarten, und wie viele ins Spiel kommen, hängt von der Spielerzahl ab. Die Spieler nehmen sich ein Tableau und vier Rahmenteile, welche sie als Rahmen um ihr Tableau puzzeln. Auch eine Spielerhilfe ist für jeden Spieler vorhanden. Diese zeigt die Effekte aller Plättchen und die Schlusswertung sowie den eigenen Lagerplatz. Auf diesen kommen vier Scheiben der eigenen Spielerfarbe. Die fünfte Scheibe kommt auf die Banderolen-Leiste, und die Spielfigur der eigenen Farbe wird auf ein beliebiges rotes Halbrund des Spielbretts gestellt. Die dunkelgrünen Plättchen werden gemischt und je eins offen auf die Siegelfelder des Brettes gelegt. Die hellgrünen Plättchen werden gemischt und je vier auf jedes der sieben Felder mit rotem Halbrund offen ausgelegt. Die Brunnenkarten werden gemischt und bereit gelegt. Nachdem der Startspieler wurde, kann es losgehen.
Ist ein Spieler am Zug, so muss er seine Spielfigur entlang einer der beiden Linien von seinem Halbrund zu einem anderen bewegen (Erstauflage) bzw. von einem Halbrund zu einem benachbarten (spätere Auflagen). Nach der Ankunft wählt der Spieler eines der Plättchen von der Auslage dieses Feldes und verbaut es auf seinem Tableau. Passt das Plättchen nicht oder möchte der Spieler es nicht legen, so kann er es einfach verdeckt in den eigenen Vorrat befördern. Dann wäre schon der nächste Spieler an der Reihe, der auch seine Figur bewegt und ein Plättchen nimmt, aber natürlich ist das mit dem Bauen nicht so leicht. Es gibt nämlich Bauregeln.
Euer erstes Plättchen geht auf das Feld, welches mit der Schaufel markiert ist. Alle folgenden Plättchen müssen an bereits liegende Plättchen angrenzen. Die Plättchen müssen sinnvoll ergänzt werden, d.h. ein Teich wird an einen Teich gelegt, eine grüne Unterkunft an eine grüne Unterkunft, Wiese an Wiese, etc. Fies ist hier, dass der Rahmen auch aus Wiese besteht.
Wird hierbei ein Feld mit Banderole überbaut, so darf der Spieler einen Schritt auf der Banderolen-Leiste nach vorne machen.
Es gibt verschiedene Gebäude auf den Plättchen. Hierbei kann ein Gebäude-Ende, zwei Gebäude-Enden oder auch ein durchgehendes Gebäudestück auf den Plättchen zu finden sein. Viele Gebäude geben einen sofortigen Bonus, wenn sie fertiggestellt werden. Fertig ist ein Gebäude, wenn es rundherum von Wiese eingeschlossen ist.
-Die vier Kulturlandschaften (Weingarten, Kräutergarten, Fischteich und Hühnerhof) schütten bei ihre Fertigstellung die Plättchenanzahl minus 1 der entsprechenden Ware aus (Trauben, Kräuter, Fische, Hühner), also: ein Kräutergarten aus zwei Plättchen bringt genau ein Kraut, während ein Hühnerhof aus vier Plättchen drei Hühner bringt.
Es gibt vier verschiedene Behausungen ("Unterkünfte"), die immer aus zwei Plättchen zusammengesetzt werden:
- Der Verwalter bringt zwei Schritte auf der Banderolen-Leiste.
- Der Bäcker bringt zwei Brote. Ein Brot kann dazu genutzt werden, die eigene Spielfigur auf irgendein Spielfeld zu ziehen. Das Brot muss dafür natürlich abgegeben werden. Zur anderen Funktion des Brotes komme ich bei der Wertung.
- Stellt der Spieler einen Händler fertig, so gibt er alle Waren ab und bekommt die gleiche Anzahl an Münzen plus eine zusätzliche Münze dafür. Münzen dienen als Joker für die vier Waren. Eine Münze kann bei einer Wertung also als Huhn, Trauben, Fisch oder Kraut verwendet werden.
- Der Baumeister erlaubt es dem Spieler, eines der offen ausliegenden dunkelgrünen Plättchen zu nehmen und zu bauen.
Es gibt drei Gebäude, die nur ein Plättchen einnehmen: Die Backstube bringt beim Einsetzen ein Brot, der Markt bringt eine Münze. Beim Brunnen zieht der Spieler zwei Brunnenkarten und darf davon eine behalten. Brunnenkarten zeigen ein Gebäude bzw. eine Kulturlandschaft, was am Spielende jeweils 2 Punkte pro abgeschlossenem Bauwerk / abgeschlossener Landschaft dieser Art bringt.
Villen geben den Bonus erst am Spielende, später mehr dazu. Während der Rundenwertungen können aber bereits die Schornsteine auf den roten Villen-Dächern von Bedeutung ein - egal, ob die Villa bereits vollendet wurde.
Wie bereits gesagt: Nach dem Einbauen des Plättchens und ggf. Kassieren einer Belohnung ist der nächste Spieler an der Reihe. Nach sieben Zügen ist das Spielfeld mit den roten Halbrunden frei von Plättchen. Bei drei oder zwei Spielern werden die Plättchen hinter einem Halbrund nämlich abgeräumt, sobald drei oder zwei Plättchen von diesem Ort genommen wurden.
Jetzt kommt es zu einer Wertungsrunde: Die Spieler dürfen in der durch die Banderolen-Leiste vorgegeben Reihenfolge jeweils eine eigene Wertungsscheibe platzieren. Diese wird auf den sich ergebenen Punkt zwischen zwei Wertungskarten gelegt, und diese beiden Wertungskarten werden für diesen Spieler gewertet. Danach ist dieser Platz fürs restliche Spiel belegt und diese Kombination von Wertungskarten kann nicht noch einmal aktiviert werden, aber durchaus eine der Karten mit einer anderen benachbarten Wertungskarte.
Jeder Spieler muss (!) eine Wertungsscheibe legen, und sollte er eine der beiden so aktivierten Auftragskarten nicht erfüllen, gibt es 4 Minuspunkte; kann er beide nicht erfüllen, dementsprechend gleich 8 Minuspunkte. Jeder Spieler startet deshalb auch bereits mit einer gewissen Anzahl an Punkten ins Spiel. Diese werden übrigens immer in Form von Spielkarten mit aufgedruckter Punktezahl festgehalten.
Die Aufgabenkarten zeigen Forderungen, welche der Spieler abgeben (rot) oder vorweisen (grün) muss. Eine Wertungskarte kann auch mehrmals erfüllt werden, z.B. können, wenn ein Huhn und ein Kraut für 4 Punkte gefordert können, auch zwei Hühner und zwei Kräuter abgegeben werden, um 8 Punkte zu erhalten. Die meisten Karten geben Punkte, aber ein paar geben auch Münzen, Brote oder Schritte auf der Banderolen-Leiste. Ach ja, die Brote: Weil Brot so lecker ist und total mobil macht (s.o.), kann der Spieler durch Abgaben von 3 Broten eine Wertungskarte erfüllen. Ein praktischer Joker, um Minuspunkte zu verhindern.
Nach einer Wertung wird der Startspieler reihum weitergereicht und der Spielplan mit grünen Plättchen aufgefüllt. Dann geht es schon weiter. Noch drei weitere Runden lang werden jeweils 7 Plättchen genommen und gewertet, wobei beim vierten Auffüllen die dunkelgrünen Plättchen verwendet werden. Diese zeigen nur noch einzelne Gebäudehälften. Nach der vierten Wertung gibt es dann eine große Endwertung.
Übrige Waren, Brote, Münzen und nicht verbaute Plättchen werden addiert, halbiert und in Siegpunkten ausgezahlt. Der Fortschritt auf der Banderolen-Leiste wird in Punkten ausgezahlt. Weiterhin zeigen die Rahmen der Spielertableaus bestimmte Missionen. Über bestimmte Linien hinweg muss mindestens ein fertiges Gebäude / eine fertige Landschaft dieser Art liegen, dann gibt es die angezeigten Siegpunkte. Die Punkte der Missionen werden am Ende verteilt. Dann werden noch die eventuell eingesammelten Brunnenkarten aufgedeckt und die Punkte entsprechend verteilt. Auch bringt noch jede fertige Villa Punkte entsprechend ihrer Schornsteine.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- anspruchsvolles Legespiel
- raffinierter Zugmechanismus
- fiese Wertungen
CONTRA
- Gestaltung und Symbolik
MEINUNG
Der Autor Stefan Feld und der Verlag alea haben in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet (Notre Dame, Im Jahr des Drachen, Die Burgen von Burgund), weswegen eine weitere Veröffentlichung dieses Duos im Jahr 2018 direkt mein Interesse geweckt hat. Und so fand Carpe Diem seinen Weg auf meinen Spieltisch.
Mit einer Spielzeit von 45 bis 75 Minuten erwarte ich dann auch ein locker-flockiges Spiel, bei dem ich schon "irgendwie durchkomme". Da habe ich die Rechnung aber ohne Herrn Feld gemacht. In der Stunde bis zwei Stunden muss ich ordentlich grübeln und ständig meine Pläne ändern. Die Boni vieler Gebäude sind attraktiv, weswegen ich alle haben möchte, aber nur sieben aus der Auslage bekomme. Okay, solche Probleme kennen wir. Dass jetzt noch bestimmte Plätze mit bestimmten Gebäuden belegt werden sollen, um Extra-Punkte zu erhalten, ist auch nicht so aufregend.
Anspruchsvoll wird das Ganze dann durch die Wertungen, welche nach sieben Zügen und damit sieben verbauten Plättchen stattfinden. Hier müssen zwei benachbarte Karten aus der Auslage gewertet werden, und wenn ich eine von denen nicht erfüllen kann, dann gibt es Minuspunkte. Darauf sollten die Spieler sich vorbereiten. Viele meiner Mitspieler waren immer etwas überrascht, dass die Ziele nicht mal eben so zu erfüllen sind. Im ersten Spiel werden oft Spieler beobachtet, die damit kämpfen, keine Minuspunkte zu machen. Dies reduziert sich aber ab der zweiten Partie schon. Allerdings reicht bloße Vorbereitung nicht, denn eine einmal gewählte Kombination ist für immer futsch. Hier kommt ein für Stefan Feld typisches Element: Die Feld-Leiste, ähm, die Spielerreihenfolge-Leiste. Diese heißt hier Banderolen-Leiste (und ihr dachtet schon, Spielerreihenfolge-Leiste klingt doof...). Diese bestimmt nicht die Zugereihenfolge beim Plättchennehmen, sondern die Reihenfolge, in der die Wertungskarten ausgesucht werden. Dies ist recht wichtig, und plötzlich stehen die Spieler vor so vielen Aufgaben und wollen alles gleichzeitig.
Auch wie die Plättchen ausgewählt werden, ist streng reguliert. Gratis dürfen die Felder gegenüber des eigenen Feldes (in der Erstauflage) bzw. auf angrenzenden Feldern (in späteren Auflagen) angesteuert werden. Alle anderen kosten ein Brot, aber dieses ist so wertvoll, denn drei Brote erfüllen jede Wertungskarte und sind somit ein sehr hilfreicher Rettungsanker. Die Planung der eigenen Bewegung, die Vorbereitung für die Wertung und das Abwägen der verschiedenen Fähigkeiten der Gebäude und Missionen des eigene Tableaus machen Carpe Diem noch nicht sehr komplex, aber doch anspruchsvoll. Auch wenn die Erklärung erst anderes vermuten lässt und die eine oder andere Kleinigkeit trotzdem übersehen wird, so ist das Gesamtgefüge recht schnell klar.
Die Spielzeit kann schwanken. Mit 2 Spielern sind die 45 Minuten durchaus schaffbar, aber mit 4 Spielern können es statt der 75 Minuten schnell mal 2 Stunden werden. Dies hängt immer davon ab, wie anfällig eure Mitspieler für Grübeleien sind. Schöner ist das Spiel sicherlich, wenn die Wartezeiten kurz sind, denn mancher Zug oder manche Runde kann schon frustrierend sein. Der Gegner nimmt das eine Teil, welches man braucht. Man hat sich selber etwas verbaut oder man zieht nur blöde Brunnenkarten. Und selbst wenn man Startspieler mit einer komplett neuen Auslage ist und Brot im Lager hat - wenn einfach kein neuer Hühnerhof ausliegt, dann kann ich den Hühnerhof auch nicht abschließen. Um es kurz zu machen: Es gibt immer wieder Momente, in denen eine Portion Glück nicht schadet. Gerade in Situationen, wo es einfach nicht laufen will (selbst- oder unverschuldet), ist es nicht schön, lange auf den eigenen Zug zu warten.
Das Spielgefühl ist abhängig von der Spielerzahl. Mit 2 Spielern ist das Spiel am freundlichsten (planbar). Bei 4 Spielern muss man sich schon darauf einstellen, dass das ein oder andere Plättchen, welches man einsammeln musste, gar nicht aufs eigene Tableau passt.
Nun muss ich noch einige Worte zur Spielgestaltung verlieren. Hier lief (nicht nur in meinen Augen, sondern auch nach dem Feedback sämtlicher Mitspieler) leider einiges schief. Der optische Gesamteindruck ist so schon eher mäßig. Wirklich attraktiv ist das Spielmaterial nicht. Für gewöhnlich konnte man dies bei alea aber immer mit der Funktionalität des Materials begründen. Die langweiligen Häuser auf den langweiligen Plättchen, die mit dem Rom-Thema des Covers so gar nichts gemein haben, hätte ich deswegen vielleicht auch noch verzeihen können, aber warum sind so viele Dinge so schwer zu unterscheiden? Achtung, ich beziehe mich hier ausdrücklich auf die Erstauflage - es ist also zu beachten, dass einige der angesprochenen Probleme in späteren Auflagen optimiert wurden. Nun besitze ich aber die Erstauflage, und da gleichen sich die Rückseiten der Plättchen sehr, obwohl sie sortiert werden müssen. Auch die braune Bäckerei und der goldene Händler auf der Vorderseite sind nicht so gut zu unterscheiden. Dass dies auf den Rahmen der Spielertableaus noch schwieriger ist, ist auch keine Hilfe. Scheinbar wurden die Spielmaterialien immer unter Flutlicht getestet. Es ist jetzt nicht so, dass das Spiel unspielbar ist, aber am besten schauen alle Spieler ganz genau hin, ob das auf ihrem Spielerrahmen ein braunes oder goldenes Haus und ob es ein Kräutergarten oder grünes Haus ist.
Fazit: Auch wenn ich viel am Material gemeckert habe, so ist Carpe Diem doch sehr reizvoll. Es ist ein anspruchsvolles Legespiel, welches gute Planung (aber eben manchmal auch etwas Glück) verlangt. Insgesamt vergebe ich deshalb gute 7 Punkte, mit einer schöneren Optik wäre da auch noch 1 Punkt mehr drin gewesen.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 4/10*
Spielablauf: 7/10
* bezieht sich auf die Erstauflage aus dem Jahr 2018
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 24.10.2018,
erneut veröffentlicht am 27.04.2023.
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: alea / Ravensburger
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