REZENSION
ATIWA
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Lookout Spiele / im Vertrieb von Asmodee
- Autor: Uwe Rosenberg
- Grafik: Andy Elkerton
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 30 Minuten pro Spieler
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Ich WILL ja, dass die überall hinscheißen ...
Willkommen in Ghana, oder präziser am Rand von Atiwa. Inspiriert durch einen Politiker, der die Flughund-Kolonie im eigenen Garten unter Schutz gestellt hat, wollen wir in unserer Region alle Leute dazu bringen, Flughunden ein Zuhause zu geben, sodass der Wald, den wir abholzen, wieder aufgeforstet wird.
REGELN
In diesem Personaleinsatzspiel erweitern wir unsere Region, damit wir dort Buschtiere, Ziegen, Bäume, Früchte, Familien und Flughunde untergebracht bekommen. Dabei nutzen wir aus, dass Flughunde neue Bäume pflanzen, wenn sie nach dem Essen im Flug ihren Kot verteilen.
Bevor wir uns aber um unsere niedlichen kleinen fliegenden Hunde kümmern dürfen, muss dieser Teil Ghanas zunächst vorbereitet werden. Also wird das Spielbrett entsprechend der Anzahl der Personen am Tisch in die Mitte gelegt. Darauf werden die Rundenplättchen zufällig platziert, während das Feld für Runde 1 frei bleibt. Dann werden die Landschaftskarten gemischt und an das Spielfeld angelegt. Es werden, entsprechend des Spielbretts, ein paar Landschaften offen ausgelegt.
Die Ortschaftskarten werden nach Art getrennt und an die entsprechenden Aktionsfelder angelegt. Ortschaften mit dem gleichem Namen sind identisch, Landschaftskarten sind einzigartig.
Gold und Flughunde kommen in einen Vorrat, während alle Verschmutzungsplättchen in einem Sack landen.
Für alle gibt es noch je ein Tableau mit Buschtieren, Bäumen, Früchten, Familien und Ziegen. Dies sind alle Marker dieser Art, die eine Person haben kann. Ein Dorf gibt es noch geschenkt, und darauf wird gleich eine Familie gelegt.
Nachdem ausgelost wurde, wer beginnt, bekommen die anderen noch eine Kompensation dafür, nicht anzufangen - und los geht es!
Wir spielen 12 Runden. Wer am Zug ist, setzt eine der drei Figuren in der eigenen Spielerfarbe auf ein freies Aktionsfeld und nimmt sich den Ertrag dieses Feldes. Bis auf Gold müssen alle anderen Marker auf die eigenen Landschaften und Ortschaften gelegt werden. Auf Landschaften und Ortschaften finden sich verschiedene Felder für verschiedene Sachen. Familien können nur auf Häuser gelegt, aber wenn eine Familie geschult wird, wird diese umgedreht und kann jetzt einen Flughund aufnehmen.
Einige Aktionsfelder erlauben auch das Nehmen einer neuen Landschaft, welche in der eigenen Auslage platziert wird. Landschaften erhalten neben acht Feldern auch einen Punktewert und manchmal Natursymbole.
Ortschaften können auf anderen Aktionsfeldern gekauft werden, gegen die Abgabe von Gold und Bäumen. Ortschaften haben Häuser, je mehr, desto teurer die Ortschaft. Zusätzlich beginnt die nächste Runde, wer zuletzt eine Ortschaft gekauft hat.
Es gibt noch ein paar Aktionen, bei denen Gold gegen andere Dinge getauscht werden kann oder Aktionen, die von der Anzahl Natursymbolen in der eigenen Auslage abhängen.
Nachdem eine Figur platziert und die Aktion ausgeführt wurde, dürfen drei Flughunde aus der eigenen Auslage auf die Nachtkarte gelegt werden. Das ist quasi ein Flughund-Parkplatz. Eine Frucht wird abgegeben und ein Baum dafür genommen.
Nachdem der Zug beendet ist, kommt die nächste Person an die Reihe. So platzieren alle ihre drei Figuren und haben bis zu dreimal eine Flughundaktion gemacht, bevor die Rundenwertung kommt: Zunächst bringt jede geschulte Familie ein Gold als Einkommen. Jede ungeschulte Familie schürft nach Gold, d.h. es wird ein Verschmutzungsplättchen aus dem Beutel gezogen. Dieses bringt so viel Gold wie darauf zu sehen ist und wird dann in der eigenen Auslage untergebracht, wo es für immer ein Feld blockiert. Die Hälfte der Verschmutzungsplättchen bringt allerdings kein Gold, also ist Schürfen ein Risiko.
Dann wird denen, die haben, gegeben: Je nach den sichtbaren Symbolen auf dem eigenen Tableau, produzieren Buschtiere Bäume. Bäume produzieren Früchte und Früchte locken Flughunde an.
Die Flughunde von der Nachtkarte kommen zurück auf die Landschaften und Ortschaften.
Jetzt müssen die Familien ernährt werden. Wie viel diese essen möchten, ist auf dem eigenen Tableau unter der zuletzt gelegten Familie sichtbar geworden. Von diesem Wert wird der Wert der Ziegen abgezogen. Was übrig bleibt, muss durch Abgabe von Früchten, Buschtieren, Ziegen und Gold bezahlt werden. Ungeschulte Familien sind auch bereit, einen Flughund zu essen.
Wer jetzt noch die Mindestanforderung für Vermehrungen erfüllt, bekommt die angezeigten Marker.
Dann kommen alle Figuren vom Aktionsplan zurück, alte Landschaften werden abgeräumt, neue werden ausgelegt, und das Rundenplättchen wird ein Feld weitergeschoben, wodurch sich zwei Aktionsfelder ändern. Und schon beginnt die nächste Runde.
Nach Runde 12 wird gewertet. Jedes Gold ist ein Punkt wert. Jeder Landschaft und Ortschaft bringt so viele Punkte, wie es darauf vermerkt ist. Das eigene Tableau bringt Punkte, je nachdem wie viele Marker davon entfernt wurden, wobei Familien und Ziegen die meisten Punkte pro platzierten Marker bringen. Jede geschulte Familie bringt einen Bonuspunkt. Ab dem elftem Flughund gibt es einen Punkt pro Flughund. Wer während des Spiels seine Familien nicht ernähren konnte, bekommt noch Punkte abgezogen. Wer dann die meisten Punkte besitzt, sollte sich einen Flughund als Haustier besorgen ...
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- klare Struktur
- schöne Gestaltung
- lehrreich
CONTRA
- langfristig wenig Variation
MEINUNG
Der bekannte Autor Uwe Rosenberg, der Erfolgsspiele wie Bohnanza, Agricola oder Ein Fest für Odin erdacht hat, wollte ein Spiel über Ghana machen. Inspiriert von einem Bericht über einen Bürgermeister, der eine Flughund-Kolonie im eigenen Garten schützte, fing Rosenberg mit der Recherche an. Schnell zeigte sich, dass Ghana ein vielseitiges und komplexes Land ist. Also beschloss er, eine Reihe von Spielen zu machen, die sich mit Ghana beschäftigen. Atiwa ist das erste Spiel dieser Reihe.
Als so eine Art Bürgermeister kümmern wir uns um eine Region. In dieser wollen wir viele Familien ansiedeln, die harmonisch mit dem Wald leben und den ökologisch wichtigen Flughunden Raum geben. Flughunde fressen Früchte und bei ihren Kilometerweiten Ausflügen verteilen sie die Samen der Früchte durch ihren Kot überall hin. So helfen Flughunde beim Aufforsten des Waldes.
Im Spiel platzieren wir zunächst eine Figur, die uns dann direkt Geschenke beschert - neben Buschtieren, Ziegen und Familien eben auch Flughunde. Aber wer genug Flughunde und eine Frucht besitzt, kann nach jedem Einsetzen die Flughunde verwenden, um eine Frucht in einen Baum zu verwandeln.
Bäume sind in der Regel besser als eine Frucht, und die Aufwertung erfolgt ja quasi gratis. Gratis ist auch ein gutes Stichwort. Wie aus mehreren von Uwe Rosenbergs Spielen mit Tierhaltung bekannt, vermehren sich Tiere und Familien auch am Ende einiger Runden, wenn eine genügende Anzahl vorhanden ist. Wieder etwas gratis, dass die Spieler gerne mitnehmen.
Am Ende jeder Runde, also nach dreimaligem Einsetzen der Figuren, geben dann Buschtieren neue Bäume, weil die ja auch den Pflanzensamen ausscheiden, Bäume geben Früchte, und Früchte locken Flughunde an, wieder alles gratis! Also jeder, der Gratis-Angebote mag, kommt bei Atiwa voll auf seine Kosten.
Natürlich gibt es einen Haken bei der Sache, denn die ganzen Sachen müssen ja auch gelagert werden, z.B. in Landschaften. Also müssen einige Aktionen zum Beschaffen neuer Landschaften und Ortschaften genutzt werden. Das ist gut, denn die geben auch Punkte. Im Spiel ist es leider oft so, dass viel Platz vorhanden ist, aber dann nicht viel an Tieren gesammelt wurde. Oder alle Tiere und Familien kommen zu mir, aber mir fehlt der Platz.
Hier kommt dann quasi auch der Kern des Spiels. Beim Einsetzen meiner Figuren muss ich Prioritäten setzen, denn die Konkurrenz schläft nicht. Der Wettlauf um freie Plätze auf dem Spielbrett führt so manches Mal zum Ändern des eigentlichen Vorhabens. Dies ist alles recht puristisch gehalten und leicht zu verstehen, wie auch die Wirkung der verschiedenen Aktionsfelder, damit wir uns ganz auf das Management unserer Region konzentrieren können. Und wie ihr euch denken könnt, geht es darum, mit wenig viel zu erreichen, d.h. immer genug in der eigenen Auslage haben, um gratis mehr zu bekommen, aber dafür auch Platz in der Auslage zu haben.
Die meiste Abwechslung bieten die verschiedenen Landschaften. Diese kommen in zufälliger Reihenfolge ins Spiel und es gibt einige recht extreme Landschaften, die z.B. nur Bäume und Obst zulassen, andere wiederum nur Flughunde usw. Die meisten Landschaften haben aber Platz für mehrere Elemente.
Leider müssen alle Familien essen, und immer wieder müssen sich die Spieler entscheiden, wie sie ihre Familien ernähren wollen. Jedes Opfer fürs Essen bedeutet einen Schritt weg von dem ein oder anderem Gratis-Angebot. Zum Glück ist es aber nicht zu schwierig, seine Familie satt zu bekommen. In all meinen Partien gab es nie einen Punktabzug für Lebensmittel-Mangel. Agricola war da viel stressiger.
Eigentlich ist Atiwa insgesamt wenig stressig. Ich würde dem Aufdruck Kennerspiel auf der Schachtel durchaus zustimmen, denn ein komplexes Expertenspiel ist Atiwa nicht. Jeder versucht zuerst das beliebteste Aktionsfeld zu besetzen und baut dabei seine Region aus. Dabei gehen fast alle am Tisch immer recht gleichmäßig vor, Extrem-Strategien konnte ich bisher noch nicht beobachten. Ich habe es ein- oder zweimal probiert, aber dann müssen genau die richtigen Landschaften kommen und es muss auf viele Boni verzichten werden. Ich konnte bisher nicht sehen, wie ich sinnvoll z.B. nur Flughunde sammeln kann, um diese als Hauptquelle für meine Punkte zu nutzen.
Auch wenn sich Atiwa durch ständige Boni recht belohnend anfühlt, vermisse ich trotz der zufälligen Landschaften Abwechslung zwischen den Partien. Ich habe nicht das Gefühl, das Spiel besser zu beherrschen oder neuen Situationen gegenüber zu stehen. Ich versuche immer das Beste aus der gegebenen Situation zu machen und dies ist dann doch, den Hinweisen zur Vermehrung zu folgen.
Fazit: Atiwa ist von der Komplexität noch im Kennerspielbereich angesiedelt. Es ist recht belohnend, seine kleine Region zu verwalten und ständig etwas geschenkt zu bekommen. Leider hat sich Atiwa für mich schnell abgespielt, da es nicht so viel Abwechslung zwischen den Partien gibt. So sinkt der Langzeitreiz für mich dann von einer zunächst guten 7 nach kürzerer Zeit auf schließlich 6 Kultpunkte.
KULTFAKTOR: 6/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 07.03.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Lookout Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten