REZENSION

ANNO 1800

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: KOSMOS
  • Autor: Martin Wallace
  • Grafik: Fiore GmbH
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 120 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Handel im Zeitalter der Industrialisierung

 

 "Anno 1800" ist die Brettspielumsetzung des gleichnamigen 2019 erschienenen Computerspiels. Es geht darum, seine eigene Insel zu erweitern, neues Land zu entdecken und die Bevölkerung und Ressourcen clever einzusetzen.

REGELN

Im Laufe des Spiels werden immer wertvollere Ressourcen produziert, um die anspruchsvolle Bevölkerung zu versorgen. Dabei kann es auch vom Vorteil sein, Produkte beim Mitspieler zu handeln oder Expeditionen zu starten. Am Ende gewinnt der Spieler, der durch das Versorgen der Bevölkerung und durch Expeditionen und Aufträge die meisten Punkte erlangt hat.

Alle Spieler starten mit einer Heimat-Insel. Auf den Heimat-Inseln befinden sich bereits die ersten Produktionsgebäude, die die Spieler verwenden können, um neue Produktionen aufzubauen. Darunter befinden sich unter anderem Bretter, Getreide und Kartoffeln. Außerdem erhält jeder Spieler bereits Bevölkerungssteine: Bauern, Arbeiter und Handwerker. Diese Bevölkerungssteine können in die Produktionsgebäude versetzt werden, um die jeweilige Ressource zu produzieren. Pro Bevölkerungsstein bekommt jeder Spieler noch eine zugehörige Bevölkerungskarte. Das Spiel endet, sobald der erste Spieler alle Bevölkerungskarten von der Hand ausgespielt hat.

"Anno 1800" ist ein reines Ressourcenmanagement-Spiel. Die Spieler setzen ihre Arbeiter ein, um Ressourcen zu produzieren und einzusetzen. Um eine Ressource zu produzieren, wird eine Bevölkerung auf einen freien Produktionsplatz gesetzt. Dabei gibt die Farbe auf dem Gebäude an, welche Bevölkerung (Bauer, Arbeiter, Handwerker oder Ingenieur) benötigt wird. Durch diese Produktion kann zum Beispiel ein neues Produktionsgebäude gekauft werden. Auf dem Spielplan liegen viele verschiedene Produktionsgebäude aus. Um eines zu erwerben, müssen die oben auf dem jeweiligen Plättchen angegebenen Kosten bezahlt werden. Im Anschluss wird das neue Plättchen umgedreht und auf einen Inselplatz gelegt.

Auf die gleiche Weise können Ressourcen produziert werden, um Werften zu bauen. Nach dem Erwerb einer Werft wird diese auf einem freien Küstenfeld auf der Insel platziert. In den Werften wiederum können Schiffe gebaut werden. Macht der Spieler eine Aktion "Schiffe bauen", darf er in jeder Werft ein Schiff produzieren (also maximal so viele, wie er Werften besitzt). Dabei darf das Schiff maximal die Stufe haben, die die produzierende Werft hat. Die produzierten Schiffe platziert der Spieler auf einem Wasserfeld seiner Insel.

Es gibt zwei verschiedene Arten von Schiffen: Handels- und Erkundungs-Schiffe. Die Handelsschiffe bekommen Handelsplättchen in Höhe der Schiffsstufe. Die Erkundungsschiffe bekommen Erkundungsplättchen. für je zwei Expeditionsmarker können Expeditionskarten genommen werden. Außerdem können Erkundungsplättchen ausgegeben werden, um entweder die alte Welt oder die neue Welt zu entdecken. 

Die Alte-Welt-Inseln werden einfach an die Heimat-Insel angelegt und bieten mehr Platz für Gebäude und Schiffe. Die Neue-Welt-Inseln haben bereits jeweils drei Rohstoffe abgebildet, die für Handelsplättchen gekauft werden können. Das sind besondere Ressourcen wie Baumwolle, Kautschuk oder Kaffee, die in der alten Welt nicht produziert werden.

Sobald ein Spieler keine sinnvollen Aktionen mehr machen kann, weil er weder Handels- bzw. Expeditionsplättchen noch freie Bevölkerung hat, kann er ein Stadtfest feiern. Wird ein Stadtfest gefeiert, besteht der Zug nur daraus, alle Bevölkerungssteine zurück auf ihre Häuser zu setzen und die Expeditions- und Handelsplättchen wieder auf die Schiffe zu legen. Ab der nächsten Runde stehen sie wieder zur freien Verfügung. Um mehr Runden spielen zu können, bevor das nächste Stadtfest ansteht, kann neue Bevölkerung gekauft werden. Die Kosten für die jeweiligen Bevölkerungsstufen stehen auf den Häusern. 

 Jedes Mal, wenn eine Bevölkerung gekauft wird, bekommt der Spieler außerdem eine Bevölkerungskarte der gleichen Stufe. Um Bevölkerung höherer Stufen zu bekommen, können die kleinere Stufen auch aufsteigen. Dafür werden die Kosten gezahlt, die zwischen zwei Stufen angegeben sind.

Um die Bevölkerungskarten von der Hand auszuspielen, müssen einfach die oben angegebenen Ressourcen bezahlt werden. Als Belohnung gibt es einen auf der Karte angegebenen Bonus und Siegpunkte am Ende des Spiels. Sobald der erste Spieler alle Handkarten ausgespielt hat, endet das Spiel und die Siegpunkte werden gezählt.

Eine weitere Möglichkeit, am Ende Siegpunkte zu generieren, sind die Expeditionskarten. Jede Expeditionskarte zeigt ein Tier und ein Artefakt. Diese Felder müssen am Spielende mit Bevölkerungssteinen der entsprechenden Farbe belegt werden, um die angegebenen Siegpunkte zu bekommen.

Die letzte Punktequelle sind die Auftragskarten. Zu Beginn des Spiels werden fünf zufällige Auftragskarten bereit gelegt. Diese geben zum Beispiel Punkte für bestimmte Bevölkerungswürfel, Gebäude, oder entdeckte Inseln. Einige der Auftragskarten bringen auch neue Aktionsmöglichkeiten ins Spiel. 

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • sehr kurzweilig
  • Ressourcen und Personen aus dem PC-Spiel bekannt
  • taktisches Aufbauspiel
  • Anleitung leicht verständlich


CONTRA

  • ungünstige Farbwahl (blau und türkis)
  • Grafik wirkt eher langweilig

MEINUNG

Brettspielumsetzungen von Computerspielen sind immer eine schwierige Sache – Oftmals machen es sich die Spieleentwickler zu leicht, übernehmen Grafiken aus dem Spiel und benennen es nach dem Vorbild. Was dabei entsteht, sind oft lieblose Spiele, die zwar an das Original erinnern, aber damit bei weitem nicht mithalten können. "Anno 1800" ist im Gegensatz eine sehr gelungene Brettspiel-Umsetzung geworden. Der Autor hat ein wirklich cleveres und kurzweiliges Brettspiel mit Ressourcen-Management geschaffen. Natürlich besitzt es weder Umfang noch Komplexität des Computerspiels, aber das ist meiner Meinung nach bei einem Brettspiel auch gar nicht zwingend notwendig.

Wer das Computerspiel bereits kennt, wird einiges im Spiel wiedererkennen. Die Ressourcen und Produkte sind bekannt, ebenso die einzelnen Bevölkerungsstufen. Die Grafiken auf den Personen-, Expeditions- und Auftragskarten sind ebenfalls aus dem Computerspiel bekannt. Trotzdem kann das Spiel ebenfalls problemlos von jedem gespielt werden und nicht nur von Fans des Computerspiels.

"Anno 1800" spielt sich sehr kurzweilig, denn jeder Spieler hat immer nur genau eine Aktion (Gebäude/Schiff kaufen, Welt entdecken usw.), bevor der nächste Spieler an der Reihe ist. Ein Spielzug dauert oftmals nur wenige Sekunden, wenn die Spieler sich bereits vorher Gedanken gemacht haben, was sie tun möchten.

Vom spielerischen her wurde bei "Anno 1800" wirklich vieles richtig gemacht – bei der Grafik bin ich leider ein wenig enttäuscht. Das Computerspiel lebt davon, dass vieles sehr stimmig aussieht, die Bilder sind einfach grandios. Das vermisse ich beim Brettspiel etwas. Es wurden zwar vereinzelt die Grafiken aus dem Spiel übernommen, aber wenig in Szene gesetzt. Ich hätte mir durchgängige Grafiken auf den Produktionsgebäuden gewünscht, statt langweilige Umrahmungen. Der Spielplan als Ablage für die Gebäude ist komplett beige mit den aufgedruckten Ressourcen-Gebäuden. Das PC-Spiel hat so viele tolle Grafiken, die man noch hätte mit einbringen können, um ein Spiel zu erschaffen, das sowohl grafisch als auch spielerisch toll ist. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Bevölkerungswürfel – sie unterscheiden sich ausschließlich in der Farbe. Leider sind sich einige Farben einfach zu ähnlich: Bauern grün, Investoren türkis und Arbeiter blau. Vor allem bei schlechtem Licht können sich die Investoren in dem Haufen der Bauern oder Arbeitern verstecken ;-). Vielleicht hätte man die höheren Bevölkerungsstufen zusätzlich durch unterschiedliche Größen darstellen können.

Das Spielgefühl mit zwei Spielern ist gegenüber mehr Spielern komplett unterschiedlich. Das macht es interessant, das Spiel mit verschiedenen Gruppengrößen auszuprobieren. Die Produktionsgebäude sind alle jeweils zweimal vorhanden. Dadurch gibt es im Spiel zu zweit niemals einen Engpass, und jeder kann jedes Gebäude bauen und selbst verwenden. Das macht es allerdings auch etwas schwieriger zu handeln, und jeder ist gezwungen, viele Gebäude zu errichten. Handelsschiffe sind hierbei weniger attraktiv, denn es gibt nicht viele Mitspieler, mit denen gehandelt werden kann. Im Spiel mit mehreren Spielern wird hingegen der Handel interessanter. Durch die wenigen Gebäude kann nicht jeder die notwendigen Gebäude bauen und muss stattdessen bei den Mitspielern handeln.

Trotz der grafischen Kritikpunkte ist "Anno 1800" für mich ein wirklich gelungenes Spiel. Ich bin gespannt, ob noch Erweiterungen geplant sind – Möglichkeiten genug gibt es dort durch die bekannte PC-Vorlage. Ich vergebe für ein super Spielgefühl sehr gute 8 Kultpunkte!   

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 9/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10

EURE REZENSENTIN

CAROLA

Strategiespielerin, Ork-Flüsterin, Miniaturenbemalerin

Eine Rezension vom 23.11.2020

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten