REZENSION
ANANSI
- Genre: Kartenspiel
- Jahr: 2020
- Verlag: HeidelBÄR Games
- Autoren: Cyril Blondel, Jim Dratwa
- Grafik: Dayo Baiyegunhi, Emmanuel Mdlalose
- Spieler: 3 bis 5
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Kommt ein Jaguar in einen Stich ...
Anansi ist mal Spinne, mal Mensch. Um der Weiseste von allen zu sein, sammelt er Geschichten, die er dann an seine Zuhörer weitergibt, um sie zu inspirieren. Bei diesem Stichspiel machen wir eine Vorhersage, wie viele Stiche wir bekommen - und zwar während der laufenden Runde! Wer aber ständig Stiche holt, wird Probleme haben, sie anzusagen ...
REGELN
"Anansi" wird in 3 Runden gespielt. Je nach Spieleranzahl werden zu Beginn einer Runde Karten an die Spieler ausgeteilt und ein paar Karten in der Mitte des Tisches nach ihren Farben sortiert. So sind alle Karten im Spiel, entweder auf der Hand eines Spielers oder als offene Karte in der Mitte. Karten gibt es von 1 bis 14 in drei Farben (blaue Schlangen, gelbe Wespen und magentafarbene Jaguare).
Ein Spieler beginnt und spielt eine Karte. Jetzt bekommen alle Spieler reihum einen Zug. In ihrem Zug müssen die Spieler den Stich bedienen. Dies bedeutet, sie spielen eine Karte der selben Farbe wie die Farbe der ersten Karte. Können sie dies nicht, muss die Trumpffarbe gespielt werden; erst wenn auch das nicht geht, darf eine beliebige Karte gespielt werden. Die Trumpffarbe ist die Farbe, welche in der Mitte die meisten offenen, sortierten Karten hat.
Hatten alle Spieler die Gelegenheit eine Karte zu spielen, wird geschaut, wer die höchste Karte im Stich hat. Die höchste Trumpfkarte gewinnt den Stich. Gibt es keinen Trumpf im Stich, so gewinnt die höchste Karte in der Farbe der ersten Karte. Der Gewinner nimmt sich den Stich, also die gespielten Karten, dreht diese um und legt sie als ordentlichen Stapel vor sich. Alle gewonnen Stiche werden separat gestapelt.
Pro Stich kann ein Spieler, statt eine Karte in den Stich zu spielen, eine Karte offen vor sich legen. Dann nimmt sich der Spieler so viele Zuhörer, wie Köpfe auf der Karte zu sehen sind. Nachdem der Stich ausgewertet wurde, wird die Karte des Spielers in der Mitte zu den sortierten Karten gelegt und verändert vielleicht die Trumpffarbe.
Haben alle Spieler alle ihre Karten gespielt, endet die Runde. Es wird gewertet. Jede Zuhörer-Karte muss auf einen Stich gelegt werden und wird dadurch inspiriert. Wer noch uninspirierte Zuhörer besitzt, bekommt keine Punkte. Wer mehr Stiche als Zuhörer besitzt, bekommt die Zuhörer als Punkte (1 Punkt pro Zuhörer). Wer genauso so viele Zuhörer wie Stiche besitzt, der bekommt noch die Extrapunkte dieser Runde.
Für die nächste Runde werden alle Zahlenkarten wieder eingesammelt, gemischt und verteilt. Nach 3 Runden gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- riskante Entscheidungen
- schöne Kartengestaltung
CONTRA
- eher weniger Kontrolle
MEINUNG
Stichspiele sind in Deutschland recht beliebt, denn neben Traditionsspielen wie Skat, Doppelkopf, Binokel usw. gibt es auch moderne Autorenspiele wie Wizard, Skull King, Tichu, Texas Showdown, Krass Kariert etc. Besonders beliebt sind dabei Stichspiele, bei denen eine bestimmte Anzahl Stiche vorhergesagt werden muss, und darum gibt es davon nicht gerade wenig. Das Kennerspiel des Jahres 2020, Die Crew, ist ein kooperatives Spiel, bei dem das Spiel quasi für die Spieler die Stiche ansagt. Diese Gruppe von Spielen bekommt mit Anansi ein weiteres Mitglied. Bei diesem Stichspiel müssen wir auf unsere Chance, einen Stich zu machen, verzichten, um dann während der Runde mehr Stiche anzusagen.
Anansi bringt ins altbekannte Prinzip des Stiches, bei dem jeder eine Karte spielt und die höchste gewinnt, einiges an neuen Entscheidungen und etwas mehr Dynamik.
Wenn ein Spieler Stiche sammelt, so hat er noch keine Punkte, sondern muss erst Zuhörer (das ist der etwas skurrilen Spielgeschichte geschuldet) holen. Wer einen Stich eröffnen muss, kann keine neuen Zuhörer holen und damit keine Punkte. Dies erfordert etwas Timing, damit im richtigen Moment ein Stich nicht gewonnen wird. Oder es wurden vorher Zuhörer auf Risiko angeschafft. Welche Karte zum Holen der Zuhörer benutzt wird, ist auch wichtig, denn diese kann die Trumpffarbe verändern, was gravierende Auswirkungen auf die eigene Kartenhand haben wird.
Meist läuft die Runde recht flüssig, aber manchmal muss doch etwas überlegt werden. Nicht nur, wie viele Zuhörer ich noch holen kann, sondern auch die Entwicklung des Trumpfes muss berücksichtigt werden. Dies ist gleichzeitig Stärke als auch Schwäche. Zum einen sind dies die Momente, die den Reiz bieten, der in anderen Stichspielen meist nicht zu finden ist. Mir würden nur die Momente in Tichu einfallen, in denen sich Spieler zwischen zwei Kombinationen mit der selben Karte entscheiden müssen. Zum anderen kann dieser Effekt zu Wartezeiten führen. Diese sind nicht exorbitant, aber für ein Stichspiel etwas länger als gewohnt.
Diese Entscheidungen sind deswegen wichtig, weil es viel mehr Punkte dafür gibt, genau so viele Zuhörer wie Stiche zu haben, als mehr Stiche wie Zuhörer - und zu viele Zuhörer gar keine Punkte bedeuten. So wird oft, wie beim vermutlich populärsten Stichspiel Wizard, bis zum letzten Stich gebangt, ob noch ein ungewollter Stich oder der dringend benötigte vor einem landen wird.
Während die Wahl zwischen dem Spielen einer Karte in den Stich oder zum Holen von Zuhörern die Spieler vor spannende Entscheidungen stellt, so macht genau diese Option es schwieriger, das Ergebnis eines Stiches vorauszusehen. Dies macht es für erfahrende Stichspieler etwas unbefriedigender, da diese gewöhnlich im Vorhersehen eines Stiches die große Kunst sehen. Es schränkt aber auch die Wartezeiten ein, weil nicht alles vorhergesehen werden kann.
Emotional bietet Anansi also auch einiges. Nicht nur das beliebte Nehmen eines Stiches, den der Gegner schon als sicher betrachtete, sorgt für Sticheleien am Spieltisch, sondern auch als einziger die Möglichkeit zu nutzen, Zuhörer zu holen. Die Spannung verfliegt jede Runde erst, wenn der letzte Stich gemacht ist. Stichspieler werden ihre Freude haben. Allerdings ist es oft schon vor der Auszählung klar, wer das gesamte Spiel gewonnen hat, zumindest bei uns.
Das Material selber ist wirklich auffällig. Die Karten sind mit so einer Art violetter Metallfolie beschichtet und schimmern in schrillem dunklem Magenta auf schwarzen Grund. Die poppigen Farben vom magentafarbenen Jaguar, den gelben Wespen und den hellblauen Schlangen geben dem Spiel ein wirklich modernes Aussehen, während die Tierkarten gleichzeitig auch ein traditionelles Flair haben. Einen afrikanischen Künstler für die Gestaltung eines Spiels mit afrikanischem Thema zu wählen, hat sich hier für mein ästhetisches und atmosphärisches Empfinden voll ausgezahlt.
Aufgrund der Corona-Pandemie habe ich das Spiel leider bislang nicht mit 5 Spielern spielen können, aber mit 3 oder 4 Spielern ist es in jeder Runde gut angekommen, auch wenn meine Erklärung das Spiel etwas komplizierter klingen lässt, als es dann ist.
FAZIT: Anansi ist ein modernes Stichspiel, welches besonders für Spieler geeignet ist, die Fans dieser Art von Kartenspielen sind und eine neue Herausforderung suchen. Die Anzahl der zu gewinnenden Stiche wird quasi während der laufenden Runde festgelegt, was zu spannenden Entscheidungen führt. Ob Anansi aber einen Platz an der Seite der ganz großen Stichspiele wie Wizard einnimmt, möchte ich hier dennoch anzweifeln.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 23.03.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: HeidelBÄR Games
Weitere Fotos: Spielkultisten