REZENSION

ALLIE GATOR

  • Genre: Kartenspiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: KOSMOS 
  • Autor: Klaus Kreowski
  • Illustrationen: Folko Streese
  • Spieler: 2 bis 5
  • Alter: ab 8 Jahren 
  • Dauer: ca. 25 Minuten (optimistisch!)
  • Schwierigkeitsgrad: leicht 
  • Taktiklevel: 3/10

See you later, Allie!

Allie Gator schlummert friedlich im Wasser, doch jetzt kommt ihr! Und schon braucht ihr allerlei Zeugs, um die Aufmerksamkeit von euch abzulenken - eine Fliegenklatsche, einen Globus oder eine Spielkonsole - Allie mag das alles und kann das Maul nicht voll genug bekommen! Doch wehe, euch geht das passende Futter aus! 

REGELN

Mischt die 88 Karten (70 Zahlenkarten im Wert von 1 bis 70 sowie 18 Sonderkarten) und teilt jedem Mitspielenden 5 Karten aus. Legt 2 Karten vom Stapel offen als Zielkarten auf die Ablagefelder des in die Schachtel integrierten, ausklappbaren Spielplans. Legt den Allie-Gator-Chip über eine der beiden Zielkarten.

Gespielt wird reihum. Bist du an der Reihe, musst du eine Karte von deiner Hand auf einen Ablagestapel unter einer Zielkarte ausspielen. Dabei gilt:

  • Die ausgespielte Karte muss einen niedrigeren Wert haben als die Zielkarte.
  • Liegt bereits eine Karte auf dem Ablagestapel, so muss die ausgespielte Karte sowohl einen niedrigeren Wert als die gewählte Zielkarte haben, jedoch einen höheren Wert als die Karte, die ganz oben auf dem angeschlossenen Ablagestapel liegt.


Statt einer Zahlenkarte kannst du auch eine Sonderkarte ausspielen. Da gibt es folgende vier Karten-Arten:

  • Richtungswechsel: Du kehrst die Spielrichtung um. Im Spiel zu zweit bist du in diesem Moment einfach davon befreit, eine Zahlenkarte spielen zu müssen.
  • Karte klauen: Ziehe eine Karte eines Mitspielenden von dessen Hand und füge sie deinen Karten hinzu. Der Bestohlene zieht dafür eine neue Karte vom Nachziehstapel.
  • Zielkarte erhöhen: Spiele zusätzlich zu dieser Sonderkarte eine Zahlenkarte aus, mit der du eine der beiden Zielkarten überdeckst und ihren Wert erhöhst.
  • Allies Geschenk: Nimm die oberste Karte von einem der beiden Ablagestapel und schenke sie einem Mitspielenden. Der legt sie offen als Minuspunkt vor sich ab.


Vorsicht! Wann immer du keine Karte regelkonform ausspielen kannst, musst du stattdessen die Zielkarte, die unter dem Allie-Gator-Chip liegt, plus den darunter befindlichen Ablagestapel nehmen und offen als Minuspunkte vor dir auslegen. Spiele dann eine neue Zielkarte von deiner Hand an diese Stelle. Der Chip wird hingegen zur anderen Seite des Spielplans gezogen, heißt: Das eventuelle Aufnehmen von Karten zur Strafe geschieht jetzt von der zweiten Zielkarte und deren Stapel. Der Chip wandert auf diese Weise immer zwischen beiden Zielen / Stapeln hin und her.

Am Ende deines Spielzuges füllst du deine Handkarten stets auf 5 auf, dann ist der Nächste an der Reihe.

Eine Runde endet, wenn der Nachziehstapel leer ist und ein Spielender keine Karte ausspielen kann. Er erhält dann noch einmal - nach den üblichen Regeln - die Strafkarten unter dem Allie-Gator-Chip. Dann zählt jeder seine gesammelten Minuspunkte. Jede offen vor einem ausliegende Karte ist einen Minuspunkt wert. Wer nun die wenigsten Minuspunkte gesammelt hat, erhält zwei Zahn-Plättchen, die er ins (Alligator-)Maul seines Punkte-Tableaus einlegt. Der Zweitplatzierte erhält (außer im Spiel zu zweit) immerhin noch genau einen Zahn. Dann werden alle Karten neu gemischt, und eine neue Runde startet.

Das Spiel endet, wenn jemand mindestens seinen dritten Zahn gesammelt hat. Es gewinnt der Spielende mit den meisten Zähnen, wobei Gleichstände (am Rundenende und am Ende des Spiels) stets aufgelöst werden, indem geschaut wird, wer in seinem aktuellen Minuspunkte-Stapel weniger Sonderkarten besitzt.

Variante: Das Spiel kann auch verlängert werden, indem gespielt wird, bis jemand seinen sechsten Zahn erhält (die Zahn-Plättchen haben eine goldene Rückseite, die dann für 2 Punkte stehen). 

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • einfache Regeln
  • teils witzige Karten-Illustrationen
  • mitunter netter Ärgerfaktor


CONTRA 

  • nur wenige echte Entscheidungen
  • oftmals viel, viel zu lang

MEINUNG

Allie Gator kommt mit einem frechen Thema daher, und wenn man sich mal so anschaut, was da so auf dem Speiseplan des Krokodils steht, muss man teilweise schmunzeln. Neben Blumen, Pommes, Chips und Äpfeln kann das auch gern mal ein Turnschuh sein - oder ein EXIT-Spiel ... Auch die sonstige Ausstattung ist gelungen. Das Spiel kommt in einer praktischen Box mit Magnetverschluss, die wir bereits von My Gold Mine kennen, ebenso inklusive ausklappbarem Spielplan bzw. ausklappbarer Kartenablage. My Gold Mine war für mich eine echte Überraschung des Jahres 2021. Das neckische kleine Spiel hatte einen schönen Push-your-Luck-Mechanismus, der mit einem witzigen Ärgerfaktor unterlegt war. Ein tolles Spiel für die ganze Familie!

So etwas habe ich mir dann auch von Allie Gator erhofft. Die Regeln sind auch hier wieder simpel, was ja erst einmal nichts Negatives ist. Vom Spielgefühl handelt es sich dann, grob gesagt, um eine Mischung aus UNO und 6 nimmt. Wer diese Spiele mag und gern mit Kindern oder Wenigspielern spielt, der könnte sich von Allie Gator angesprochen fühlen. Spielerisch kommt die Neuheit für mich persönlich dann aber weder an das eine, noch an das andere Original heran. Mau Mau-ähnliche Spiele (wie UNO) leben davon, dass jeder möglichst schnell seine Karten loswerden möchte. 6 nimmt wiederum lebt davon, dass alle Mitspielenden gleichzeitig verdeckt Karten spielen und dann bei der Auflösung darauf hoffen, keine Minuspunkte zu machen; Passiert das doch, entstehen schnell lustige Emotionen am Tisch.

Bei Allie Gator sind die eigenen Entscheidungen eher gering. Da liegen halt zwei Zielkarten und ich muss sie stets unterbieten. Ob es Sinn macht, den Ablagestapel direkt in die Höhe zu treiben, ist jedoch oft fraglich, denn allzu schnell spielt der Sitznachbar einen Richtungswechsel, und wenn man dann keine passende Karte für die entstandene Lücke auf der Hand hält, hat man das Nachsehen. So ist man tatsächlich meistens dazu geneigt, eher niedrige Karten zu spielen, es sei denn, man besitzt gerade viele Rettungsanker auf der Hand, z.B. die Karte mit dem nächstniedrigeren Wert der Zielkarte oder eben mehrere Sonderkarten. Letztlich ist es sonst aber dem Zufall überlassen, was nun genau passiert. Sind die Zielkarten beispielsweise beide zu Beginn sehr niedrig, sind einem die ersten Minuspunkte eigentlich so gut wie sicher.

Wer nun an einfachem Kartenablegen Spaß hat, und sich darüber freut, etwas Passendes spielen zu können oder einen Mitspielenden so in die Enge getrieben zu haben, dass er Minuspunkte aufnehmen muss, der wird vielleicht Gefallen an Allie Gator finden. Mir persönlich ist das leider nicht abwechslungsreich genug. Meine Entscheidungen liegen oft klar auf der Hand, Spannungsmomente entstehen nur dadurch, ob ich im eigenen Zug etwas tun kann oder nicht. Ja gut, wie gesagt ... die Schadenfreude kann auch ein Faktor sein, der noch Emotionen am Tisch aufkommen lässt. Trotzdem finde ich da ein 6 nimmt einfach noch raffinierter. Das ist natürlich alles noch Geschmackssache.

Was Allie Gator aber für mich leider wirklich dann vom Tisch kicken kann, ist die Spiellänge. Immerhin besteht der Nachziehstapel nach dem Entnehmen der Start-Handkarten sowie der beiden Zielkarten immer noch - je nach Spielerzahl - aus 61 bis 76 Karten. Das ist eine ganz schöne Menge! Dadurch, dass immer alle Karten im Spiel sind, können sich Gedächtniskünstler zwar merken, ob bestimmte Zahlen noch im Deck vorhanden sind, aber vor allem verursacht die Menge an Karten, dass die angegebene Spieldauer von 25 Minuten sehr, ich betone, SEHR optimistisch erscheint. Selbst bei wirklich flottem Spielen dauerte es bei uns immer gut 15 Minuten, bis der Stapel durchgespielt ist. Und das Durchspielen ist ja nur das Kriterium fürs Rundenende, nicht aber fürs Ende des Spiels! Also werden wieder alle 88 Karten neu gemischt und verteilt, und das ganze geht von vorn los. Puh, spätestens in Runde 3 wird das für mich dann schon zur Geduldsprobe.

Sagen wir mal so: Hätte sich das Spiel auf eine einzige Spielrunde beschränkt (was man ja mit Hausregeln auch einfach so umsetzen kann, was ich dringend allen Ungeduldigen empfehle), dann ist Allie Gator zumindest ein nettes Zwischendurch-Spiel, ein einfacher Absacker, ein Spiel für Familien, für Wenig- bis Gelegenheitsspieler. Solide. Spielen wir aber nach den Regeln der Anleitung, dann ist das Spiel für mich leider viel zu repetitiv, zu ermüdend, wenn man am Ende 45 Minuten nichts anderes macht, als immer wieder Zahlenkarten abzulegen. Die empfohlene Variante, die Siegbedingung gar bis auf 6 gesammelte Zähne zu verdoppeln, wäre für mich ein Grund, dieses Spiel wirklich nie wieder aus seiner Schachtel zu befreien. Rechnen wir doch mal nach, wie viele Runden da im Spiel zu fünft entstehen können, bis ein Spielender eben diese 6 Zähne gesammelt hat. Im besten Fall sind das 3 Runden, okay, im schlechtesten Fall sind das aber satte 9 (!) Runden. Schon mit den ganz normalen Regeln können im Spiel zu fünft bis zu 4 Runden gespielt werden.

Fazit: Allie Gator ist ein an sich lockeres Kartenablege-Spiel, das immer auch von Momenten der Schadenfreude lebt. Die Spieldauer ist mir für das gebotene Konzept und die angesprochene Zielgruppe aber eindeutig zu lang geraten. Da wäre Weniger mehr gewesen, da hätte ich mir irgendein anderes Rundenende-Kriterium gewünscht, als jedes Mal den dicken Stapel an Karten durchspielen zu müssen. Mit unseren Hausregeln, einfach nach einer Runde die Minuspunkte zu zählen, kann man eventuellen Ermüdungserscheinungen, insbesondere in größerer Besetzung, erfolgreich entgegenwirken, wenngleich dann auch die Zahn-Wertung und das Spielziel, buchstäblich „die Schnauze voll zu haben“, entfällt. Aber immer noch besser, als wenn am Ende die Mitspielenden die selbige voll haben, ganz einfach, weil sich das Spiel zu sehr in die Länge zieht ...

KULTFAKTOR: 5/10

Spielidee: 5/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 4/10
(mit Hausregeln 6/10)

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 05.07.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten